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Die USA und das Afghanistan-DesasterBiden ist nur konsequent

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Der US-Präsident hat das Afghanistan-Desaster nicht zu verantworten. Vielmehr beweist er den Mut, eine historische Fehlentscheidung zu korrigieren.

US-Präsident Joe Biden salutiert nach seiner Presseerklärung zur Situation in Afghanistan Foto: Manuel Balce Ceneta/ap

D as Imperium hinterlässt erneut einen Trümmerhaufen. 46 Jahre nach der chaotischen Flucht aus Saigon sieht es in Kabul aus, als hätten die USA nichts dazugelernt. Sie sind wieder in ein Land einmarschiert, das sie nicht angegriffen und das sie nicht um Hilfe gerufen hat. Sie behaupteten wieder, sie würden den Terrorismus bekämpfen und eine Nation und eine Demokratie aufbauen.

Stattdessen unterstützten sie ein Marionettenregime, das sich nur so lange an der Macht hielt, wie US-Soldaten im Land waren. Sie gaben ihrer eigenen Rüstungsindustrie gigantische Expansionshilfen und Zigtausenden Afghanen und Tausenden US-Amerikanern den Tod. Am Ende schaffen sie es nicht einmal, jene, die vor Ort für sie gearbeitet haben, vor Verfolgungen zu schützen.

Diese Bilanz ist katastrophal. Generationen von Afghanen sowie Zigtausende von verletzten und traumatisierten US-Soldaten werden lebenslang dafür büßen. Für die Verantwortlichen in Washington hingegen ist dieser Ausgang – auch das eine Parallele zu Vietnam – keine Überraschung. Für sie war seit Langem klar, dass auch der Afghanistankrieg nicht militärisch zu gewinnen war. Auch wenn sie gegenüber der kriegsmüden eigenen Öffentlichkeit immer neue Argumente fanden, ihn zu verlängern.

Joe Biden hat beim Beginn des Kriegs in Afghanistan keine zentrale Rolle gespielt. Er hat zwar im Herbst 2001 als Senator die Invasion Afghanistans bewilligt. Aber in der nationalistisch aufgepeitschten und nach Rache schreienden Atmosphäre nach den Attentaten vom 11. September 2001 gab es im kompletten US-Kongress nur eine einzige Abgeordnete – die kalifornische Demokratin Barbara Lee – die genügend Verstand und Mut hatte, dagegen zu halten.

Zum Kriegsende hingegen hat Biden die Führungsrolle übernommen, vor der sich seine drei Amtsvorgänger – zwei Republikaner und ein Demokrat – gedrückt haben. Biden hat den Truppenabzug umgesetzt, von dem Bush, Obama und Trump nur in Wahlkämpfen geredet haben.

Ein historischer Fehler

Der Afghanistankrieg der USA war ein parteiübergreifender, historischer Fehler von Generationen von Politikern und Militärs. Und auch von Alliierten, darunter Deutschland, die dem Imperium bis zum bitteren Ende gefolgt sind.

Man kann darüber streiten, ob ein „friedlicherer“ Truppenabzug möglich gewesen wäre. Aber es wäre absurd, den Mann, der den Schlussstrich gezogen hat, für die Konsequenzen von jahrzehntelangem Krieg, Zerstörung und Brutalisierung verantwortlich zu machen. Ganz abgesehen davon widerspricht es auch dem, was in den Anfängen der unabhängigen US-Geschichte passiert ist. Ähnlich wie jetzt in Afghanistan haben dort im späten 18. Jahrhundert schlecht ausgerüstete und zahlenmäßig unterlegene Rebellen bewiesen, dass sie die Armee der kolonialen Supermacht in die Flucht treiben können.

Statt für durchsichtige politische Manöver und wahltaktische Schuldzuweisungen könnten die USA ihre Niederlage in Afghanistan nutzen, um endlich zu lernen, sich aus den inneren Angelegenheiten anderer Nationen herauszuhalten.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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38 Kommentare

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  • Biden handelt nicht "konsequent" sondern aus der Not heraus. Das sollte man ehrlich eingestehen - was er letztlich auch selbst tut.

    Die Militärpräsenz der USA in Afghanistan reichte auch vor dem endgültigen Abzug schon lange nicht mehr aus, um entscheidend zugunsten einer zusammenbrechenden afghanischen Armee in den Bürgerkrieg einzugreifen. Sie jetzt noch so zu verstärken, dass es militärisch einen positiven Effekt hätte, dürfte unmöglich sein.

    Von daher ist der Abzug jetzt nur die Verhinderung weiteren unnötigen Blutvergießens im Angesicht einer sicheren Niederlage. Man könnte genauso gut Churchills Entscheidung, 1940 das britische Expeditionscorps aus Dünkirchen zu evakuieren, auf seine ideologische oder geopolitische "Richtigkeit" abklopfen.

  • "Biden ist nur konsequent" Stimmt- wenn schon die Sache in die Sch* reiten, dann richtig. Am Anfang hat man viel von Nationbuilding, Demokratie etc geredet, seit einigen Jahren nicht mehr, hin und wieder gabs noch mal ein paar Projekte mit Frauen, als Feigenblatt. Nun behauptet Biden, man hätte nie vorgehabt, Nationbuilding, Demokratieaufbau etc in Afghanistan zu betreiben. Den Eindruck hatte ich allerdings auch, neben den Worten mangelte es an wirklichem zielgerichteten Engagement, mit Investitionen, die über ein paar Alibiprojekte hinausgehen. Daran kranken aber grundsätzlich alle Interventionen des Westens der letzten 20 Jahre ob im Irak oder in Libyen. Und am Ende überlässt man es wieder Chaos, Bürgerkrieg und Steinzeitkriegern und behauptet auch noch, mehr hatte man nicht vorgehabt. Ernsthaft? Und nun sind wieder die Afghanen selber Schuld. Nun heißt es, in Afghanistan wie anderswo, wären die Muslime, konservative Gesellschaften eben, noch nicht reif und unempfänglich für Freiheit und Demokratie. Das sagen Sie mal all den AfghanInnen, die da jetzt rauswollen. Der Wunsch selbstbestimmt zu leben, mit Rechten ausgestattet, geschützt vor einem Willkürstaat zu sein, möchte ich behaupten, ist universal, das ist an sich nicht "westlich". Wenn man sich schon entschließt 20 Jahre in einem solchen Land zu bleiben, sollte man auch was ordentliches daraus machen. Aber die Rechnung dafür wollte man nie zahlen, deshalb musste es scheitern. Man hat sich NICHT in die Politik des Landes eingemischt, nur Soldaten abgestellt. Sollte sich Afghanistan und das Talibanregime, wie manche befürchten, wieder zu einem Gewaltregime für seine Bürger und gar wieder zu einem internationalen Sicherheitsrisiko entwickeln, trägt dafür ganz allein der Westen die Schuld. Das könnte dann auch noch teurer werden wenn neuerlich Kriege "notwendig" werden, einhergehend mit Flüchtlingswellen etc. Das Resultat hat viel mit unserer Ignoranz ggü diesem Land (u Irak, Libyen etc) zu tun.

  • RS
    Ria Sauter

    Frau Hahn, danke für diesem mutigen Artikel!



    ich kann Ihnen nur zustimmen, vor allen dingen zu dem letzten Satz. Dieser ist auch auf die Gefolgschaft anwendbar.

  • Es war kategorisch zeitlos richtig die Taliban zu stürzen - 2002.



    Die Kriegführung der antimodernen und terroristischen Taliban ist kein Naturrecht und keine natürliche Reaktion.



    Ich möchte Sie mal sehen, wie Sie um Ihr Leben rennen werden, wenn Sie in einer solchen Situation sind.



    Ich bin entsetzt über diesen Abbruch der Bemühungen die zivilen, demokratischen und pluralen aber unbewaffneten Kräfte Afghanistans weiter zu unterstützen.



    Es wird der Welt signalisiert, dass alle Jahre umsonst waren. Der Westen meldet sich ab - ein Verbrechen der Entsolidarisierung.



    Im Gegenteil: die Lage gilt es auch dort zu verbessern, wo sie durch Korruption und Patronage schlecht ist unter Karsai und Ghani.



    Dafür muss ein bewaffneter Ordnungsrahmen aufrechterhalten werden. Eine Schutzmacht, die die Nation Israel sich selbst selbstverständlich organisiert und die in anderen Regionen wie Mali ebenfalls notwendig sind.

    Der Truppenabzug und die Zustimmung wie in diesen unsäglichen Leserkommentaren und in den USA rein innenpolitisch motiviert. Aus der kognitiven Innenwelt - das hat nichts mit der Notwendigkeit in Afghanistan zu tun.



    Zivilisation hat keine Grenze, sondern umfasst die ganze Welt.



    Sie werden es merken. Als wäre es gerecht oder legitim, dass ein Regime wie in Teheran oder Damaskus herrscht.



    Haben Sie schon mal was von Kampf gehört?

    • @nzuli sana:

      Wieviel Menschenleben von Soldaten, Milliarden an Rüstungsgütern und Jahre der Intervention sollen denn Ihrer Auffassung nach dafür bereit gestellt werden?



      Und ab welchem Zeitpunkt des Misserfolgs ist ein Strategiewechsel angebracht?

  • Terror in der Welt entsteht immer dann, wenn Armut, Ungleichheit und Mangel an Bildung mit Ideologie und Waffen einhergehen. Die Ursachen von Terror lassen sich grundsätzlich militärisch gar nicht bekämpfen - im Gegenteil. Biden weiß das und seine Vorgänger wussten das auch, wollten es aber trotzdem nie wahr haben. Man kann nicht Waffen ohne Ende exportieren und gleichzeitig gegen den Terror in der Welt sein.



    Die USA haben insgesamt 83 Milliarden Dollar in die afghanische Armee und Polizei investiert. Die BRD zuletzt 72 Millionen Euro. Profitieren tun davon jetzt ausschließlich die Taliban. Wirklich überraschend ist das allerdings nicht. Warum hat man denn nicht einfach allen Frauen, die für ihre Rechte und Freiheit eintreten wollten, eine Waffe gegeben? Vermutlich nur deshalb nicht, weil die dann damit den ganzen Taliban-Spuk auch tatsächlich beendet hätten.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Weil diese Frauen dann von ihren Familien verstoßen worden wären, es für die Armee noch weniger Akzeptanz in der Gesellschaft gegeben hätte. Und viele Frauen auch einfach keinen Bock hatten für wenig Geld ihr Leben für ein Land zu geben das sie wie Dreck behandelt bzw. die Frauen von ihren eigenen konservativen Wertvorstellungen gar nicht auf die Idee gekommen wären sich zur Armee zu melden.



      Es gab einige tausend Frauen in Armee und Polizei die sollte man dringendst herholen, aber als Lösung taugte das nicht.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Steile These! Also - wenn ich die Wahl hätte, mich gegen anstürmende Taliban wirksam verteidigen zu können, oder von der Familie verstoßen zu werden, würde ich mich immer sofort für ersteres entscheiden.

  • Biden macht hier Außenpolitik auf Trump-Niveau und der (westliche) Rest macht fleißig mit, besonders die (hofentlich) glatten Lügen, wie überrascht man von der Entwicklung in Afghanistan ist.



    Man kann nur hoffen, dass die mäßigenden Einflüsse des IS auf die Taliban von Dauer sind.

  • Selbst die Dems kritisieren Biden heftigst und die taz singt ein Loblied auf ihm. Lol........

    1.) Weder Biden noch VP Harris noch Psaki, Pressesprecherin des WH, aka "Miss Information", waren am Wochenende irgendwie auffindbar. Führungsstärke sieht defenitiv anders aus.

    2.) 1975 war Biden bereits 2 Jahre Senator. Damit hat er also als Senator (Saigon) als VP (Benghazi, 2012) und nun als WH Okkupant (Kabul) insgesamt 3 (!!!) Botschaften verloren. Muss irgendwie ein Rekord sein.........

    3.) 1975 sprach er sich strikt gegen die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge aus.

    4.) Noch im Juli schloss er ein Debakel wie Saigon 1975 kategorisch aus. S.M.n. sind die Taliban schließlich nicht die nordvietnamesische Armee..............

    Das ist richtig. Nur: die NVA war für die USA nie das Problem. Das Problem waren die Vietcong Truppen. Schlecht bewaffnet; hielten sich aber an keine Konventionen, die Genfer eingeschlossen, agierten aus dem Hinterhalt, nahmen keine Rücksicht auf Zivilisten usw. usf.

    Kurz: Wenn man schon Parallelen ziehen will muss man die Taliban mit dem Vietcong vergleichen. Biden, als politischer "Rookie", weiß so was leider noch nicht..........

    5.) Wer kam auf die "glorreiche" Idee die Soldaten vor den Zivilisten ab zu ziehen? Und wieso hat Biden diesen Wahnsinn abgesegnet?

    6.) 300000 afghanische Soldaten gegen ca. 30000 Taliban - die Soldaten ergaben sich kampflos. Erinnert fatal an den US Truppenabzug aus dem Irak 2011 und dem Entstehen des IS.

    Aber alles egal; wenigstens ist Biden nicht der "bad orange man"......

  • "Statt für durchsichtige politische Manöver und wahltaktische Schuldzuweisungen könnten die USA ihre Niederlage in Afghanistan nutzen, um endlich zu lernen, sich aus den inneren Angelegenheiten anderer Nationen herauszuhalten."

    Warum soll nur die USA Administration daraus lernen? Auch die Vasallen sollten sehr stark darüber nachdenken, ob es richtig ist, sich ständig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. So viel ich weiß, haben die meisten Abgeordneten von Union, SPD und Grüne stets die Militarisierung der Außenpolitik befürwortet.



    Sie tragen die Verantwortung für das Desaster. Eine AKK oder ein Maas sind der Beleg dafür, dass intelligente Konfliktlösung auf diplomatischer Ebene nicht ansatzweise möglich ist mit diesem Personal.

  • Also, wenn man sich ganz konsequent aus den inneren Angelegenheiten anderer Nationen raushalten soll dann muß man jetzt auch den Flughafen in Kabul räumen und darf auch keine afghanischen Flüchtlinge mitnehmen.



    Und dann darf es auch keine Sanktionen gegen Ungarn oder Polen geben wegen LGBT-Diskriminierung.

    • @Suchender:

      Es wäre mir nicht bekannt, dass deutsche, französische oder US-Truppen in Polen oder Ungarn einmarschiert wären, um Menschenrechte, die Freiheit von Medien und Berichterstattung oder die Unabhängigkeit der Justiz zu verteidigen.

      Polen und Ungarn haben sich im Rahmen ihrer EU-Mitgliedschaft vertraglich an umfangreiche Auflagen gebunden, von denen sie einige missachten. Gleichzeitig bezogen sie im letzten Jahr 12,4 Mrd. Euro (Polen) bzw. 4,7 Mrd. Euro (Ungarn) aus dem EU-Haushalt.

      Dies festzustellen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten ist keine Einmischung von außen, sondern ein rein interner Vorgang innerhalb der Gemeinschaft.

      Gehört das für Sie auch zu jener Art von Differenzierung, die nur auf das abzielt, was einem "politisch in den Kram paßt"?

      • @mats:

        Selbstverständlich spielen die eigenen politischen Vorstellungen eine große Rolle beim Beurteilen von Sanktionen oder gar Militäraktionen.Linke kritisieren tendenziell im Besonderen amerikanische Militäraktionen und Rechte reden lieber über russische und chinesische Militäraktionen, wobei das Verhältnis der AfD zu Russland meiner Meinung nach eine Ausnahme darstellt.



        Und bei der Beurteilung von Sanktionen ist es doch auch so. Selbstverständlich sind Ungarn und Polen für ihre demokratiefeindlichen Beschlüsse zu krtisieren aber diese werden aber auch von der großen Mehrheit der Bevölkerung in beiden Ländern getragen und ich glaube nicht, daß die transgenderfeindlichen Beschlüsse Ungarns ausreichen Sanktionen zu begründen wegen des Verstoßes gegen Auflagen. Meiner Meinung nach wären diese Sanktionen eine Einmischung in innere Angelegenheiten. Ob gut oder schlecht sei mal dahingestellt.

        • @Suchender:

          Tja, so ist das, wenn Nachbars ihr Kinder misshandeln. Ist das wirklich deren innere Angelegenheit? Ich sage: Nein. Es gibt Regeln, an man sich in einer Gemeinschaft zu halten hat.



          Bei "innere Angelegenheit" denken Sie eben nur an die Mächtigen. Die Schutzbedürftigen haben Sie vergessen.



          Übrigens zeigen jüngste Umfragen aus Ungarn, dass die Mehrheit der Bevölkerung ggü. LGBT Menschen aufgeschlossen ist. Kein Wunder, denn viele haben selbst Kinder - ein bisschen Einfühlungsvermögen und Perspektivenübernahme aus dieser Erfahrung im Umgang mit Schutzbedürftigen genügt schon.

          • @mats:

            Sie sagen es, es gibt Regeln an die man sich in einer Gemeinschaft zu halten hat und für mich ist die ganze Welt eine Gemeinschaft. Die Taliban haben so massiv gegen diese Regeln verstoßen, daß eine militärische Intervention gerechtfertigt war. Und ich denke dabei nicht an die Mächtigen sondern vor allem an die Frauen.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @mats:

        Nun ist die Aufnahme von Flüchtlingen schon auch eine massive Form der Intervention, genauso wie wirtschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten oder nicht. Hätte Assad nicht Millionen Syrer in die Nachbarländer und nach Europa vertreiben können hätte er den Krieg verloren oder deutliche Kompromisse eingehen müssen. Weil Millionen weiterer Menschen versorgen und überwachen hätte seine spärlichen Ressourcen über-dehnt. Nimmt man Flüchtlinge auf stabilisiert man zu einem gewissen Grad autoritäre Herrschaft.



        Eine absolute Nicht-Intervention ist nicht möglich und würde nur Sinn machen, wenn sich alle daran halten.

        Wichtiger wäre jetzt eine Fehleranalyse warum ist der militärische Einsatz gescheitert, und wie müsst ein Einsatz ausgestaltet werden um erfolgreich zu sein bspw. muss man viel mehr zivile Beamte einsetzen um den Staat aufzubauen, man braucht deutlich mehr Soldaten im Feld, viel mehr Geld muss in lokale Aufbauprojekte auf dem Land gesteckt werden etc. etc.

        Den um die Aufgabe Fluchtursachen bekämpfen kommen wir nicht rum, außer wir wollen in Europa noch viele viele Millionen Menschen aufnehmen. Nur muss man es in Zukunft richtig machen.

    • @Suchender:

      Differenzierung ist Ihre Stärke ganz offensichtlich nicht!

      • @Frederik Nyborg:

        Ich mag es nur nicht wenn man dann an andere Stelle solange differenziert bis es einem politisch in den Kram paßt.



        Und meiner Meinung nach gibt es keine inneren Angelegenheiten eines Staates, was innerhalb eines Staates passiert geht auch jeden Menschen außerhalb etwas an.



        Wer grundsätzlich jede Einmischung ausschließt differenziert nicht.

        • @Suchender:

          Dann differenzieren wir aber trotzdem mal, denn Ihr Totschlagargument akzeptiere ich nicht, ansonsten würden wir uns hier auf dem intellektuellen Niveau von Pegida bewegen. Ausgeschlossen wird nach meiner Interpretation doch nur eine gewisse Form der Einmischung, nämlich die kriegerische, die nach 20 Jahren immer noch keinen Erfolg hat! Die USA haben aus dem Vietnamkrieg überhaupt nichts gelernt! Oder die Einmischung, dass demokratisch gewählte Präsidenten in Chile, Irak und im Kongo gestürzt werden, um dann Diktaturen zu ermöglichen!

          • @Frederik Nyborg:

            Die Autorin spricht nicht expliziert nur von militärischer Einmischung, sondern allgemein von Einmischung.



            Selbstverständlich haben die Amerikaner auch viele Fehler gemacht, ich bin aber froh daß sie sich in den zweiten Weltkrieg eingemischt haben und die Südkoreaner sind zweifellos froh nicht im Norden zu leben. Die Amerikaner wären auch die einzigen gewesen, die den Völkermord in Ruanda hätten verhindern können.



            Nein, militärische Interventionen sind leider manchmal unumgänglich.

            • @Suchender:

              Manchmal aber halt auch nicht und das Leid bzw. der Schaden wird durch militärische Interventionen unnötig vergrößert. 20 Jahre um einzusehen, dass die bisherige Strategie ein Misserfolg ist, ist einfach desaströs! Ergo: Um das Differenzieren kommen wir also nicht herum...

              • @Frederik Nyborg:

                Ich denke speziell in Afghanistan ist der kulturelle Unterschied wohl einfach zu groß, hätte man vielleicht wissen können.

  • Nun, man kann tatsächlich die Frage stellen, ob der Einmarsch der USA und der NATO in Afghanistan sinnvoll, gerechtfertigt oder sonst was war. Wenn man sich allerdings dafür entschieden hat ist es etwa so, wie bei einer medizinische Operatin, die man besser hätte bleiben lassen. Wenn man sie dennoch begonnen hat, trägt man zumindest Verantwortung, dass der Patient überlebt und lässt ihn nicht einfach auf dem OP-Tisch liegen und rennt weg.

  • Es ist derselbe Irrtum und derselbe Fehler, den jede Generation immer wieder aufs Neue macht. Es gibt keinen einfachen und erst recht keinen gerechten Krieg. Allenfalls die schiere Notwehr rechtfertigt tödliche Gewalt. Nach 9/11 kam in Amerika diese Notwehr-Rhetorik auf, aber sie war von Anfang an falsch. Es waren einzelne Terroristen, die Amerika angriffen, nicht ganze Nationen wie Irak oder Afghanistan. Die Antwort Amerikas überstieg alle Proportionen und konnte nur ins Verderben führen. Bis heute hat die amerikanische Reaktion auf 9/11 Millionen von Menschen nur noch weiter radikalisiert: eine neue Generation der Taliban in Afghanistan, den IS in Syrien und im Irak, eine weitere Generation im Iran, in Pakistan und viele weitere in der ganzen arabischen Welt und sogar in der Türkei - bis hin zu radikalen Erdogan-Anhängern in Deutschland, die ebenfalls vom Sieg eines politischen Islam träumen, wie ihn die Taliban nun mit der Errichtung eines "Islamischen Emirat Afghanistan" errungen haben.

    • @Winnetaz:

      Dass die Reaktion der USA auf 9/11 überproportional und großenteils schlecht "gezielt" ausfiel (dabei insbesondere von Teilen der Bush-Regierung genutzt wurde, um alte Rechnungen im mittleren Osten zu begleichen), sei hier nicht bestritten. Aber dass das damalige Taliban-Regime in Afghanistan nichts mit der terroristischen Bedrohung zu tun hatte, die sich in den Anschlägen verwirklicht hatte, ist aus meiner Sicht nicht zu halten. Die Terroristen waren in Afghanistan mit Billigung der Taliban gesammelt, indoktriniert und ausgebildet worden, und dieser Prozess dauerte auch nach 9/11 noch an. Dem dort basierten internationalen Terrorismus im wahrsten Sinne des Wortes den Boden zu entziehen, ging nicht ohne Machtwechsel.

      Es ist auch blauäugig, die Selbstverteidigungsrhetorik der Islamisten für bare Münze zu nehmen. Ihre Feindbilder entstammen einem Alleinvertretungsanspruch des göttlichen Willens, der an den Grenzen der eigenen weltlichen Domäne nicht Halt macht. Er wird nicht aufhören, wenn man sich in Ländern wie Afghanistan, Irak oder Sytrien "aus den inneren Angelegenheiten raushält". Dass auch vom - durch die Interventionismus-Tendenzen der USA weitgehend unbehelligten - Saudi-Arabien ein gehöriges Maß an islamistisch motivierter geopolitischer Unruhe ausgeht, bestätigt diese These.

      Die historische Frage ist, wie man Afghanistan nachhaltiger und vor allem den lokalen Gebenheiten angepasster hätte behandeln können. Dabei ist zu beachten, dass bei aller aktuellen Panik die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass die Taliban von heute nicht mehr die Taliban von damals sind und es im Zweifel den Sturz und die Zeit abseits der Macht brauchte, um hier eine gewisse Mäßigung in Gang zu setzen. Vielleicht hätte der Westen gut daran getan, früher anzuerkennen, dass am Ende der Besetzung in jedem Fall Afghanistan wieder an die Taliban fallen würde, und diesen Prozess aktiv - aber friedlicher - zu betreiben. Wie das hätte gehen sollen, ist freilich eine andere Frage...

    • @Winnetaz:

      Beneidenswert wer so ein klares Weltbild hat: die USA und der Westen sind immer Schuld. Die Anderen sind Opfer und können nur reagieren.

      • @TazTiz:

        Auch ich lese das nicht aus dem Kommentar des GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTEN heraus. Aber um es verkürzt zu sagen, den IS verdanken wir George W. Bush.

      • @TazTiz:

        Das lese ich nicht daraus, sondern nur die Notwendigkeit eines Strategiewechsels, da die bisherigen Maßnahmen letztendlich ein Misserfolg waren bzw. sind!

  • Für die Vereinte Front unter der Führung der USA gab es nie einen schlüssigen strategischen Plan - weder beim Einmarsch, noch jetzt beim Abzug. Unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 nutzten notorisch militäraffine Kräfte jenseits des Atlantiks und hier die Emotionen der Leute, um mit dem Vorwand, den Terror bekämpfen zu wollen, Afghanistan zu ihrem exclusiven Truppenübungsgelände zu machen.



    Die zivilen Opfer waren hoch und in der afghanischen Bevölkerung musste der Eindruck entstehen, hier würde der Westen mit allen Mitteln gegen Kinder, Frauen und Bauern kämpfen. Gleichzeitig wurde von diesen Leuten eine durch und durch korrupte Clique als legitime Regierung in Kabul hofiert. Kein Wunder, dass die sich jetzt so schnell aus dem Staub gemacht hat und niemand in der afghanischen Armee auch nur im Traum daran gedacht hat, für diese Leute zu kämpfen. An militärischer Ausrüstung fehlte es gewiss nicht, aber an der täglichen Mahlzeit schon. Die Taliban werden sich über die überaus üppigen Waffengeschenke aus dem Westen sicher wieder sehr gefreut haben.



    Jetzt könnte eigentlich auch der letzte mal deutlich erkennen, was herauskommt, wenn „die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt wird“ (Verteidigungsminister Struck, SPD, 2002). Nämlich genau das: Mopedbanden aus bewaffneten fanatischen Islamisten bringen ganz Afghanistan innerhalb von zwei Wochen unter ihre Kontrolle.

  • Mein Gedächtnis kann mich täuschen, aber im Gegensatz zu Bush und Obama hat sich Trump immer für einen Abzug ausgesprochen.



    Als er im Wahlkampf die Pläne konkretisierte und sogar mit den Taliban das Gespräch suchte, wurde er von Biden und Co. massiv kritisiert. Aber mit dem Doha-Abkommen hätte man einen geordneten Abzug organisieren können.



    Stattdessen hat Biden direkt nach Amtsantritt alle Rückzugspläne von Trump (nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Deutschland) gestoppt, nur um wenige Monate später eine ungeordnete Flucht zu starten.

    Man muß kein militärstrategisches Genie sein um zu wissen:



    Zuerst evakuiert man die Zivilisten und Hilfskräfte.



    Dann die Vorräte, insbesondere Waffensysteme und Munition.



    Als nächstes dann das sonstige Militärpersonal.



    Und als letztes ziehen die Kampftruppen ab.

    Und die deutschen Regierung Merkel macht als treuer US-Vasall bei dem Desaster mit.

    • @Don Geraldo:

      Und wer zahlt die Rechnung?

      Jawohl, der Letzte, der das Licht ausmacht!

    • @Don Geraldo:

      Wieviele Zivilisten wollen Sie denn aus Afghanistan heraus geholt wissen? 100.000 oder eine oder gar 5 Millionen? Das ist genauso unsinnig wie eine jahrelange Besatzung oder die Schadensersatzansprüche von Afghanen gegen die deutsche Bundeswehr, wie sie in den Jahren immer wieder angemeldet wurden.

      Afghanistan und seine Bevölkerung hat auch eine Verantwortung für das eigene Land und die Menschen … niemand kann das von außen tun, so sehr wir es auch fordern.

      • @TazTiz:

        Einen Teil an Zivilisten/Hilfskräften müssen sie schon herausholen, also die, die konkret vor Ort dort Zusammenarbeit geleistet haben. Darüber besteht auch bei allen Parteien, außer der AfD, Einigkeit. Keine Angst, 100.000 oder mehr sind es nicht, solche Zahlen sind unseriös und nur für den AfD Parteitag brauchbar!

    • @Don Geraldo:

      Genau so ist es!

      • @StephanJK:

        Die Waffensysteme bleiben in der Regel vor Ort - die Logistik des Rücktransportes ist teurer als die GI`s wieder neu zu bewaffnen. Das schafft Arbeitsplätze in den Staaten - bei den Waffenherstellern.

  • Das ist der netteste Artikel über einen amerikanischen Präsidenten, den ich jemals in der TAZ gelesen habe.

  • "endlich zu lernen, sich aus den inneren Angelegenheiten anderer Nationen herauszuhalten."

    Das hört sich gut an, ist aber schwierig umzusetzen, wenn aus diesen Nationen 1. Terrorgruppen agieren oder 2. sich Hunderttausende Flüchtlinge zum Beispiel nach Europa aufmachen.

    Dann müsste man schon konsequent sein und sich komplett abschotten und sich nicht mehr drum kümmern, was "draußen" so passiert.