VdK-Präsidentin über Mobilität: „Manche sind aufs Auto angewiesen“
Autoverkehr zu reduzieren geht nicht ohne Alternativen, sagt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Barrierefreiheit sollte Ziel sein.
taz: Frau Bentele, wie wichtig ist das Auto, um am sozialen, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben?
Verena Bentele: Gerade in ländlichen Bereichen ist Mobilität ohne Auto oft nicht möglich, wenn der ÖPNV nicht entsprechend ausgebaut ist. Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, Kinder und Jugendliche haben dann wenig Chancen, sich zu bewegen, wenn Sie nicht Autofahren können oder niemanden haben, der sie fährt. Derzeit ist das Auto also noch ein wichtiges Fortbewegungsmittel.
ist Präsidentin des größten deutschen Sozialverbands VdK und Sprecherin des Bündnisses Kindergrundsicherung. Von 2014 bis 2018 war sie Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Höhere Benzinpreise mögen gut fürs Klima sein, aber sind sie sozial gerecht?
Mit höheren Benzinpreisen wird zwar etwas für den Klimaschutz, aber nichts für die soziale Gerechtigkeit getan. Alle Menschen müssen mobil sein können. Jeder muss seinen Arbeitsplatz, seine Verwandten, seine Freunde, ärztliche Versorgung, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten erreichen können. Manche Menschen sind leider auf das Auto angewiesen.
Wer zum Beispiel?
Nicht nur Menschen auf dem Land und dort, wo der ÖPNV schlecht ausgebaut ist, sondern beispielsweise auch ältere Leute oder Menschen mit Behinderung, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind. Auch für Personen, die nicht die finanziellen Ressourcen haben und ältere Autos fahren, ist es ein Problem, wenn der Benzinpreis steigt oder Innenstädte autofrei werden sollen. Diesen Menschen müssen Angebote gemacht werden und sie müssen stärker in der Debatte um Mobilität und Klima berücksichtigt werden.
Der Klimawandel fordert eine enorme und schnelle Transformation. Kann es überhaupt gelingen, allen gerecht zu werden?
Allen gerecht zu werden ist eine Herausforderung. Hier kommen wir zur Verpflichtung des Sozialstaats: Er schafft einen Ausgleich vor allem für die, die einen besonderen Schutz benötigen und investiert in die Infrastruktur. Die Reduzierung des Autoverkehrs wird zwingend nötig sein, wenn wir etwas für das Klima tun wollen. Dafür müssen aber viele Menschen gewonnen werden. Niemand darf außen vor gelassen werden. Wir fordern deshalb, dass Klimaschutz stärker mit Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit zusammengedacht wird.
Die Bundestagswahl ist eine Klimawahl. Ab dem 28. Juni stellen wir deswegen eine Woche unsere Berichterstattung unter den Fokus Mobilitätswende: Straßenkampf – Warum es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wie wir mobil sind. Alle Texte: taz.de/klima
Wie kann das funktionieren?
Wenn wir Verkehr reduzieren wollen, brauchen wir Alternativen. Wir brauchen einen ökologischen, gut ausgebauten und hoch frequentierten ÖPNV, der für alle Menschen nutzbar ist, insbesondere auf dem Land. Das heißt, es muss für Barrierefreiheit gesorgt werden und der ÖPNV muss bezahlbar sein. Auch für Kinder, Jugendliche, alte Menschen oder Menschen, die keine Arbeit haben, muss Mobilität erschwinglich sein. Am Ende muss der ÖPNV auch günstiger sein als das Auto, dann ist er eine attraktive Alternative. Diejenigen, die mit dicken Autos lange Strecken fahren und ein höheres Einkommen haben, müssen einen größeren Beitrag leisten, um das zu finanzieren. Sie dürfen nicht – wie es momentan der Fall ist – sogar noch von der Pendlerpauschale profitieren.
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