Räumung der Liebig 34: Wenn der Markt regiert
Die Räumung der Liebig 34 zeigt: Ohne demokratische Kontrolle des Wohnungsmarkts ist es egal, welche Parteien an der Regierung sind.
M it der am Freitagvormittag vollendeten Räumung des Hausprojekts Liebig 34 verliert Berlin einen weiteren Ort, der die Stadt seit dem Fall der Mauer so interessant gemacht hat. Die Lebendigkeit Berlins ging nie von ihren Bürotürmen, Townhouses oder Mercedes-Benz-Plätzen aus, sondern von ihren Freiräumen, selbstverwalteten Strukturen, ihrer Kultur und Politik von unten. All dies wird seit Jahren zerstört, unabhängig von der jeweiligen Regierungsmehrheit.
Die Wut der Bewohner*innen und Sympathisant*innen der Liebig 34, deren Geschichte nach mehr als 30 Jahren zu Ende gegangen ist, ist daher verständlich. Dutzende Demonstrationen, spektakuläre Aktionen wie die Besteigung des Molecule-Man, Allianzen mit der etablierten Kulturszene oder ausdauernde juristische Bemühungen zeugen von einem bedingungslosen Engagement für den Erhalt ihres Projekts. All dies blieb ohne jeden Erfolg. Übrig blieb nur noch die Wut.
Mit militanten Attacken auf die Polizei, Immobilienfirmen und Parteibüros im Vorfeld ließ sich aber kein Staat gewinnen. Außer in der Form eines noch martialischeren Einsatzes, der jeden nachvollziehbaren Rahmen sprengte. Die Polizei zog ins Feld, als gelte es, einen bewaffneten Aufstand niederzuschlagen. Tatsächlich konnte sie damit das für den Räumungstag angekündigte Chaos in sehr begrenztem Rahmen halten. Das allerdings liegt auch an den Autonomen selbst, die längst nicht mehr so handlungsfähig sind wie etwa Anfang der 1990er Jahre bei der Räumung der Mainzer Straße.
Die Drohung im Vorfeld, notfalls auch das SEK einzusetzen, wirkt nun noch absurder. Aber sie war eine Grenzüberschreitung, mit der der Möglichkeitsraum eröffnet wurde, notfalls auf Demonstrant*innen zu schießen. Belarus kann näher sein, als man denkt. Für diese unangemessene staatliche Gewaltdemonstration trägt Rot-Rot-Grün die politische Verantwortung.
Fehler im System
Gleichwohl ist der Verlust der Liebig 34, wie schon zuvor der Kneipe Syndikat, nicht einem Versagen der Regierungsparteien zuzuschreiben. Dass der Räumung nichts entgegengesetzt werden konnte, ist Ausdruck der politischen und gesellschaftlichen Handlungsunfähigkeit in einem privatwirtschaftlichem Wohnungsmarkt. Wo der Zugriff auf Wohnraum privaten Spekulanten überlassen ist, kann der Staat die gesetzlich gedeckten Profitinteressen eben nur noch ausführen. Wenn der Markt herrscht, ist es egal, wer regiert. Für eine demokratische Gesellschaft ist das ein Armutszeugnis.
Die Antwort auf den Schlamassel kann nur die Stärkung staatlicher und gemeinwohlorientierter Akteure auf dem Wohnungsmarkt sein. Der größte und radikalste Ansatz dafür ist das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co enteignen. Die Vergesellschaftung hunderttausender Wohnungen wäre die demokratische Antwort auf die profitgetriebene Zerstörung der Stadt. Es ist womöglich die letzte Möglichkeit, dass Berlin auch in Zukunft noch interessant und lebendig bleibt.
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