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„Stammbaumforschung“ in StuttgartMutter des Verdachts

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Die Stuttgarter Polizei befragt offenbar Standesämter zu Familiengeschichten von randalierenden Jugendlichen. Was genau soll das bringen?

Polizeipräsenz auf dem Schlossplatz in Stuttgart am 26. Juni Foto: Christoph Schmidt/dpa

H at Stuttgarts Polizeipräsident Franz Lutz in Bezug auf die Tatverdächtigen der „Krawallnacht“ Ende Juni nun von „Stammbaumforschung“ gesprochen oder nicht? Mit Blick auf die deutsche Geschichte wäre das skandalös. Doch offenbar handelte es sich um eine Zuspitzung des Grünen-Stadtrats Marcel Roth. Der Skandal ist damit aber noch lange nicht vom Tisch.

Denn was die Polizei in ihren Dementis völlig offen erklärt, ist dies: Bundesweit werden Standesämter angefragt, um einen eventuellen Migrationshintergrund der tatverdächtigen Deutschen zutage zu fördern. Das ist hochproblematisch – und es stellen sich viele Fragen. Was soll diese Information bringen? Kriminologisch ist erwiesen, dass soziale Umstände einen Einfluss auf kriminelle Taten haben können, nicht aber Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund.

Genau dieses Narrativ aber verbreiten Rechte und Rassist*innen seit Jahren. Eine solch zugleich ungenaue wie suggestive Kommunikation wie die der Stuttgarter Polizei trägt nur dazu bei, diesen rassistischen Irrglauben noch tiefer im breiten gesellschaftlichen Diskurs zu verankern – vor allem, wenn eine der Begründungen „öffentliches Interesse“ lautet.

Welche Konsequenzen soll eine solche Abfrage überhaupt haben? Ist eine eingeworfene Scheibe ein schwereres Delikt, wenn der Werfende eine türkische oder schwedische Mutter hat? Und: Wenn die Polizei davon spricht, in „einzelnen Fällen“ frage man dieses Kriterium ab – welche Fälle sind das? Wird der Verdächtige mit dem schwedischen Vornamen Ole ebenso überprüft wie sein Kumpel Bilal? Wird die Nationalität der Eltern eines blonden Verdächtigen ebenso erhoben wie bei einem schwarzhaarigen? Und wie war das nochmal mit dem Racial Profiling und der Stigmatisierung?

Letztlich offenbart die ganze Debatte eins: Zu viele Menschen in Deutschland haben nicht begriffen, dass sie in einem Einwanderungsland leben – oder sie wollen es nicht begreifen. Ein Viertel der Menschen hier hat einen Migrationshintergrund. Diese Menschen gehören dazu. Und ihre Familiengeschichten bieten keine Legitimation für Ausgrenzung.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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24 Kommentare

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  • Ich Frage mich seit ich das erste Mal las"so und so viele der Festgenommenen hatten Migrationshintergrund"



    Ob man daraus überhaupt ableiten kann, wie viele der Ausastenden einen hatten.



    Ich bezweifle das.

    Wenn Heinz und Ali zusammen Mist bauen und die Polizei aufgrund von zuwenig Personal nur einen schafft festzunehmen, wird es nämlich fast immer - no sirprise - Ali treffen.

  • Wer suchet, der findet immer: Warum geht man nicht bei (insbesondere hier verantwortlichen) Politiker*innen und Polizist*innen ein paar Generationen zurück und sucht dort nach den Ursachen für die gegenwärtigen Haltungen und Praktiken ihrer Nachkommen? Ich glaube, man wird mehr als fündig  - Sodele…..ich würde mich auf die Schar von bisher unentdeckten Widerstandskämpfer*innen freuen….

  • "Die Stuttgarter Polizei befragt offenbar Standesämter zu Familiengeschichten ..."

    Familiengeschichte? Woher hat die taz die Information, das gleich die ganze "Familiengeschichte" ermittelt werden soll?

    Im Protokoll der fraglichen Sitzung steht: "Bei weiteren 11 deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund steht dieser Migrationshintergrund noch nicht gesichert fest. Ich habe Ihnen gerade die Definition genannt. Und das bedeutet letztendlich Recherchen bundesweit bei den Standesämtern, um letztendlich diese Frage festzustellen." ppstuttgart.polize...Rede-Herr-Lutz.pdf

    Woher haben Sie die Informationen, Frau Riese?

  • Ich versuchs mal vorsichtig wohlwollend. Falls durch so eine durchaus fragwürdige Überprüfung herausgefunden wird, dass bestimmten Zuwanderergruppen zu wenig soziale Beachtung geschenkt wird, dass zu wenig für ihre Integration getan wird, dass ihr Randgruppendasein eine Folge verfehlter Politik ist, dass solche Krawallnachten AUCH aufgrund dieser gesellschaftlichen Nachlässigkeiten entstehen und man daraus Konsequenzen zieht, dann kann ich der Argumentation, ein "Gesamtbild" zeichnen zu wollen vielleicht folgen.

    Ansonsten liefert man mitten in der Diskussion um Rassismus in der Polizei ein Paradebeispiel dafür ab, was da falsch läuft.

  • "Eine solch zugleich ungenaue wie suggestive Kommunikation..."

    Wer im Glashaus sitzt...

    Wenn man schon diesen Vorwurf erhebt, sollte man die Aussagen der Polizei genau zitieren und sich mit ihnen auseinandersetzen und nicht nur mit einem Zitat arbeiten, das "offenbar" eine Zuspitzung ist, sondern erwiesener Maßen eine Zuspitzung war, da der Zitierende es bereits selbst eingeräumt hat, dass es diese Worte nicht gab.

    • @Strolch:

      Sie argumentieren unter das Motto ' tue was ich sage, nicht was ich tue'.



      Nennen Sie es X oder Y, oder Stammbaum oder wie Sie möchten. Entscheidend ist das Nachforschungen nach Herkunft der Personen beim Standesämter gemacht werden.



      Nicht entscheidend ist, ob das Wort gefallen ist oder nicht, sondern die Tatsache das es getan wird.

      • @yurumi:

        "...sondern die Tatsache das es getan wird."

        Das entscheiden Wort ist "es". Was soll das sein? Schön unbestimmt. Es gibt weder Stammbaumforschung, noch Erforschung der Familiengeschichte. Es wird die Herkunft der Eltern abgefragt. Das war es. Die taz hat es netterweise hier zusammengefasst.taz.de/Ermittlunge...tuttgart/!5700776/

        Angeblich macht das auch bzgl. bestimmter Fragen Sinn: taz.de/Polizei-Erh...785&s=kriminologe/

        [Interessanterweise führte das Interview die Autorin dieses Artikels.]

        Die Fokussierung auf diesen Umstand, kam durch die Fragen der Politiker, auf die die Polizei geantwortet hat (steht in dem ersten der verlinkten Artikel). Die Polizei hat das also nicht zum großen Thema gemacht, sondern die Politik.

        • @Strolch:

          Natürlich macht die Polizei ihr Fehlverhalten nicht zum Thema. Das liegt nicht in ihrer Natur. Polizei ist dem Selbstbild nach nicht zu kritisieren.

  • "Kriminologisch ist erwiesen, dass soziale Umstände einen Einfluss auf kriminelle Taten haben können, nicht aber Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund."

    Ähh - nein. So pauschal ist das falsch. Das mag etwa bei Eigentums- oder Drogendelikten so sein, aber es gibt sehr wohl Delikte, bei denen die Motivation eine sozio-kulturelle Komponente hat.

    Als einfachstes Beispiel wäre zu nennen § 226a - Verstümmelung weiblicher Genitalien.

    Aber auch sowas wie eine Massenklopperei zwischen Großfamilien mit 100 Beteiligten wegen der mit einem Jungferhäutchen verloren gegangen Familienehre ist ein Delikt, das der eingeborene Westler schon aus praktischen sozio-kulturellen Gründen kaum begehen kann, weil er solche großfaliären Strukturen gar nicht hat. Und auf theoretischer Ebene fehlt ihm das mit der Jungfräulichkeit der Frau verbundene Konzept der Familienehre - sprich: Das Motiv.

    Ein andere Punkt, den ich nicht verstehe: Seit George Floyds Tod lese ich überall, die Randale und Plünderungen durch Black Lives Matter in den USA hätten den Hintergrund einer ewigen rassistischen Diskriminierung und so manch einer fordert daher gar Verständnis dafür. Da spielen Migration, seis auch eine vor Jahrhunderten stattgefundene, und Hautfarbe also eine Rolle. Aber bei Stuttgart ist allein schon der Gedanke verwerflich. Warum?

    Warum ist es so abwegig, dass wie in den USA auch in Stuttgart Rassismuserfahrung ein Motiv der Täter war? Dies würde dann auch erklären, warum es hauptsächlich Täter mit Migrationshintergrund waren.

    Bei einer Reportage von "Report Mainz" nennt ein beteiligter Syrer genau das als Motiv.

    www.youtube.com/wa...3xmT5iCbwgtK19kpOg

    • 0G
      04750 (Profil gelöscht)
      @Gustavo Cortes:

      >> Kriminologisch ist erwiesen, dass soziale Umstände einen Einfluss auf kriminelle Taten haben können, nicht aber Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund.

    • @Gustavo Cortes:

      Genitalverstümmelung passt eher in die Kategorie sozialer Hintergrund (fehlende Bildung) als Staatsangehörigkeit. Das gilt auch für sich kloppende Familien.

      • @Gärtnerin:

        Nein. Genitalverstümmliung und andere anachronistische Sitten lassen sich zwar mit Bildung bekämpfen, mangelnde Bildung ist aber im Umkehrschluss nicht deren Ursache. Wäre mangelnde Bildung die Ursche für Genitalverstümmlung, dann wäre sie unter ungebildeten Schichten auf der ganzen Welt verbreitet. Ist sie aber nicht. Ihre Verbreitung lässt sich geografisch ganz klar auf Teile Afrikas, des Nahen Ostens und Indonesien eingrenzen und hat eben kulturelle (eher in Afrika) und religiöse (Indonesien) Gründe.

    • @Gustavo Cortes:

      @Cortez:



      So pauschal wie Sie schreiben, ist es wiederum nicht.



      Es ist ein bisschen zu kurz gedacht.



      Kriminalität hat sehr unterschiedliche Komponenten. Und nicht vordergründig mit HERKUNFT.



      Beispiele: Uli Hoeneß ist ein Krimineller. Dafür wurde er verurteilt und seine Haftdtrafe bekommen. Seine Herkunft spielt dabei keine Rolle, es sei die Bayuvaren haben ihn in so einem schlechten Milieu Leben lassen, dass er kriminell wurde.



      z. B der Polizeibeamte, der eine Frau vergewaltigt hatte und vor ein paar Tage deswegen verurteilt wurde, hatte von seinen Eltern andere Werte vermittelt bekommen. Trotzdem ist er ein krimineller geworden.



      Und auch wenn es weh tut. Die Verbrechen in der 2.WW in Deutschland wurden nicht von Personen mit Migrationshintergrund verübt. Damit müssen wir leben. Und nicht deswegen versuchen wir den Hintergrund von den Nachfahren zu beleuchten... oder?

      Kriminalität sollte nicht Vordergründig auf Herkunft reduziert werden. Es ist aber was diese ganze Geschichte suggeriert.



      Diese Art von Denken gab es schon mal in Deutschland. und dorthin wollen wir nicht mehr zurück oder?

    • @Gustavo Cortes:

      Der Link ist privat; das Video nicht auffindbar. Nach Ihrer Beschreibung könnte es dieses sein: www.swr.de/report/...1srilm7/index.html

      Es empfiehlt sich, das Video bis zum Ende anzuschauen und auch die Aussage der Politikerin zu beachten (ab Min. 5:00), die selbst einen Migrationshintergrund hat.

      • @Wolfgang Schäfer:

        Ja, das ist das Video. Danke für die Korrektur.

        @Yumri

        Ja, natürlich gibt es auch Kriminalität ohne ein kulturell bedingtes Motiv. Das habe ich selbst geschrieben.

  • Warum so kleinlich.

    Gemäß dem Staatsziel - Täter/Opferausgleich. Gellewelle.



    Könnten doch die Ariernachweise der ermittelnden.



    Polizeibeamten veröffentlicht werden.



    (Die werden die sparsamen Schwaben gemäß:



    “Die Akte kann vernichtet werden. Wenn eine Abschrift gefertigt ist!“;)



    Sorgfältig für die Altvorderen archiviert haben. Newahr.



    Normal. Alles fein - Gekehrwocht.

    unterm—— Vorschlag zur Güte —



    Frauman kann auch ein wenig weiter zurückgehen - Gell.



    Im Zuge bzw Anschluß der Entstehung des Ackerbaus in Mesopotamien.



    Im Zweistromland kam es zum gut 90%gen Genaustausch.



    In Mitteleuropa.



    Däh! Alles Immies - diese Spätzlefresser. Gellewelle&Wollnichwoll.



    Normal.

    kurz - Gute Verrichtung - 👻 - & erschtemal a Viertele - Gell.

    • @Lowandorder:

      Sie haben mal wieder mein volles: Daumen hoch!

  • Das ist in §43 JGG geregelt:



    (1)Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte.

    Die erhobenen Daten werden dann an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Diese sagt, die Daten seien für Präventivmaßnahmen wichtig.



    Das ist ganz einfach der gesetzliche Auftrag der Polizei. Diesem muss die Polizei nunmal nachkommen, auch wenn sie am Ende der Bumann ist.



    Der Tagesspiegel hat einen guten Artikel dazu geschrieben, leider nur im Print oder in T+.



    Dieser stellt nicht nur Fragen, sondern beantwortet sogar welche. Und schürt nicht nur Ressentiments gegenüber Teilen der Bevölkerung, sondern klärt auf und liefert Antworten.



    Schade, dass das hier fehlt.

    • @kame.leon:

      JGG heißt Jugendgerichtsgesetz. Nicht Landespolizeigesetz. Und deswegen bezieht es sich darauf, was das Gericht im Zuge eines eingeleitetetn Verfahrens zu beachten hat. Kein Ahnung was die Polizei da zu suchen hätte

    • @kame.leon:

      +1

    • @kame.leon:

      Sorry, aber ich interpretiere scheinbar "Lebens-und Familienverhältnisse" anders als Sie. Vordergründig ist dabei zu ermitteln, ob der Beschuldigte regulär den Schulbesuch nachgeht, wie läuft es überhaupt in der Schule oder Ausbildungsplatz? Sind die Eltern noch zusammen oder getrennt? Was machen die Eltern beruflich? Wo wohnt die Familie?Wie ist das Verhältnis des Beschuldigten zu seinen Eltern oder Geschwistern? Hat er eine bestimmte Bezugsperson, die einen Zugang zu ihm hat, usw. Da spielt die NATIONALITÄT der Eltern nur eine geringere Rolle! Ein marokkanisches Ärztepaar wird sicherlich sein Kind anders erziehen als ein marokkanisches analphabetisches Paar! Das soziale Umfeld ist viel prägender.



      Die Polizei hatte damals bei den NSU-Morden die HERKUNFT DER OPFER so sehr in den Fokus gerückt, dass sie komplett vergaß in eine andere Richtung zu ermitteln. Die Opfer wurden kriminalisiert, weil sie einfach Türken waren!!! Und ich dachte, dass die Polizei etwas daraus gelernt hätte..

    • @kame.leon:

      Und ja: Ich finde es ebenfalls schade, dass die Verfasserin verpasst hat, ihren Artikel durch einen Blick ins JGG entsprechend informativ zu ergänzen...

    • @kame.leon:

      TipTop Kommentar & keine weiteren Fragen!



      Vielen Dank für diese rechtliche Ergänzung :)