Anerkennung Palästinas im Westen: Überfällig, aber ungenügend
Die Anerkennung Palästinas hat Netanjahu selbst provoziert. Doch wichtiger ist mehr Druck auf Israel, der wirklich wirksam ist.

E s ist vorerst nur eine symbolische Geste, aber sie ist überfällig. Mehrere europäische Länder sowie Kanada und Australien haben sich jetzt dafür entschieden, Palästina als Staat anzuerkennen. Damit haben inzwischen mehr als drei Viertel der UN-Mitgliedstaaten diesen Schritt vollzogen und nun auch eine Mehrheit der Länder in der EU. Deutschland zögert, sich ihr anzuschließen, und riskiert damit, in Europa bald alleine zu stehen.
Israel und die USA schäumen. Doch Trump und Netanjahu haben diese Reaktion provoziert, indem sie sich offen von einer Zweistaatenlösung abgewandt haben. Netanjahu will einen palästinensischen Staat mit aller Macht verhindern, das ist klar. Seine Regierung treibt die Vertreibungen und den Krieg im Gazastreifen sowie den Bau neuer jüdischer Siedlungen im Westjordanland mit Eifer voran. Er und seine Koalitionspartner träumen von einem Großisrael vom Jordan bis zum Mittelmeer, mindestens. Palästinenser und Palästinenserinnen haben in dieser Vision keinen Platz, zumindest keinen gleichberechtigten.
Der sogenannte Friedensprozess ist zwar schon lange tot – das letzte Mal ließ sich Israel vor über zehn Jahren zu Verhandlungen mit Palästinensern herab. Doch zumindest als Lippenbekenntnis war das Ziel einer Zweistaatenlösung bisher sakrosankt. Es gibt dazu bisher auch keine Alternative, sollen die Palästinenserinnen und Palästinenser in den besetzten Gebieten nicht auf ewig unter israelischer Herrschaft leben. Hätte sich der Westen stärker für eine Lösung dieser Frage eingesetzt, hätte es den 7. Oktober vielleicht nie gegeben: Die Hamas hätte keinen Grund gehabt, in dieser Form zur Gewalt zu greifen. Eine friedliche Zukunft mit ihr ist nunmehr kaum vorstellbar.

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Aber wie sonst? Wichtiger als die Anerkennung Palästinas ist es nun, neue Perspektiven für eine gerechte Zukunft im Nahen Osten zu entwickeln und mehr dafür zu tun als bisher. Dafür braucht es mehr Druck auf Israel, einzulenken – und eine Aussicht für die Menschen in Palästina, die ihnen Hoffnung macht. Sonst drohen weiterhin endlose Zyklen der Gewalt.
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