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Ampel spart bei Ukraine-UnterstützungFreiwilliges Händebinden

Gastkommentar von Julia Friedrich

Weil Deutschland an der Schuldenbremse festhält, wird die Ukraine-Hilfe auf ein wackliges Konstrukt gestützt – und gegen soziale Projekte ausgespielt.

Im Bundeshaushalt hat Christian Lindner die Ukraine-Hilfen nicht eindeutig definiert Foto: Christian Ender/pic one/imago

S eit Monaten steht er auf der deutschen innenpolitischen Agenda auf Platz eins: der Haushalt. Es war klar, es würde schwierig werden. Aufgrund der Weigerung der FDP, an der Schuldenbremse zu rütteln, war ebenfalls schon im Vorfeld klar, dass priorisiert werden muss – dass es unverrückbare Posten gibt und Dinge, bei denen man sich darauf verlässt, dass sich vielleicht noch etwas Kleingeld in der Sofaritze findet.

Vor dem Hintergrund, dass die Spitzen der deutschen Politik seit zweieinhalb Jahren ihren Wählern immer wieder erklären, dass die Unterstützung der Ukraine im ureigenen deutschen Sicherheitsinteresse ist, der beste Schutz vor Russland und obendrein noch moralisch richtig und völkerrechtlich eindeutig, würde man denken, die Ukraine stünde im Haushalt auf der Liste der festen Prioritäten.

Nun hat die Bundesregierung einen Haushalt im Kabinett beschlossen und es stellt sich bei näherer Betrachtung heraus: Ausgerechnet die Finanzierung der angeblich obersten außenpolitischen Priorität haben die Spitzen von FDP, SPD und Grünen auf besonders wacklige Beine gestellt. Dort ist zu lesen: Die Bundesregierung gehe davon aus, dass „die Ukraine mit Hilfe der von den G7 beschlossenen und sich in der Umsetzung befindlichen zusätzlichen Finanzhilfe im Umfang von circa 50 Milliarden US-Dollar einen wesentlichen Teil ihres militärischen Bedarfs decken wird.“

Das spiegelt sich im Rest des Haushalts wider, denn die Waffenhilfen für Kyjiw wurden fast um die Hälfte gekürzt. Die Mittel für humanitäre Hilfe werden ebenfalls halbiert – was Kyjiw als einen der größten Empfänger humanitärer Hilfe wiederum besonders trifft. Ähnliches gilt für die Kürzungen im Entwicklungsministerium, welche auch die Ukraine betreffen.

Julia Friedrich

forscht am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin zu sicherheitspolitischen Fragen mit Bezug auf Russland und die Ukraine. 2022 bis 2023 war sie für die EU-Beratungsmission in der Ukraine in Kyjiw tätig.

Die im G7-Kreis beschlossenen 50 Milliarden Dollar (ungefähr 46 Milliarden Euro) an Hilfe für die Ukraine sollen durch die sogenannten „windfall profits“ aus eingefrorenem russischem Vermögen abgesichert und zurückgezahlt werden. So solle Russland selbst für den Wiederaufbau der Ukraine zahlen. So weit, so gut.

De facto macht Deutschland mit diesem Haushalt die Ukraine-Unterstützung von Orbáns Zustimmung abhängig

Allerdings: Diese Pläne existieren derzeit nur auf dem Papier. Wie genau die Erträge genutzt werden können, muss erst einmal rechtlich geprüft werden. Es ist beispielsweise noch zu klären, was passiert, wenn aufgrund einer ausbleibenden Verlängerung der Russland-Sanktionen auf EU-Ebene – beispielsweise durch ein ungarisches Veto – eingefrorenes Vermögen aufgetaut wird und die erwarteten Profite ausbleiben. De facto macht Deutschland hiermit die gesicherte Unterstützung für die Ukraine von Orbáns Zustimmung abhängig.

Die Hilfen für die Ukraine wurden nicht ersatzlos gestrichen. Das allein ist beachtlich, gerade in Anbetracht der weiteren haushaltspolitischen Entscheidungen bei den Themen Außenpolitik und Verteidigung, die stark reduziert oder, im Fall des Verteidigungsministeriums, nicht wie gefordert aufgestockt wurden. Doch solange unklar ist, wann und wie die G7-Staaten das Geld tatsächlich mobilisieren, wäre der verantwortungsvolle Umgang mit den erwarteten Mitteln gewesen, diese als eventuellen „Bonus“ zu betrachten.

Reform der Ukraine-Hilfe verpasst

Weitere nötige Ukraine-Hilfen sind damit nicht garantiert. Und dies zu einem Zeitpunkt, an dem eine zweite Amtszeit von Donald Trump nach dem kürzlichen Attentat auf ihn so wahrscheinlich wie nie erscheint. Sein vor kurzem ernannter Kandidat zum Vizepräsidenten, J. D. Vance, vertritt prominent, dass Europa für seine eigene Verteidigung aufkommen muss und wirbt offen dafür, die Ukraine nicht länger militärisch zu unterstützen. Durch Joe Bidens Rückzug werden die Karten zwar neu gemischt – doch seit Monaten herrscht Konsens darüber, dass sich Europa auch unter einer erneuten demokratischen Präsidentschaft stärker an der eigenen Verteidigung und der Unterstützung der Ukraine beteiligen muss.

In einer solchen Situation die eigene Handlungsfähigkeit und Flexibilität zur Unterstützung der Ukraine auf unsicheren Boden zu stellen, ist grob fahrlässig. Natürlich kann man sagen: erst mal abwarten. Sollte Trump gewählt werden, wird über den Haushalt neu nachgedacht und möglicherweise weitere Unterstützung für die Ukraine freigegeben. Sollte das der Fall sein, setzte sich wieder einmal die Politik des letzten Drückers durch – obwohl es nach zweieinhalb Jahren an der Zeit wäre, die „Pakete“-Logik der Ukraine-Unterstützung in einen ständigen Fluss an Geldern und Militärmitteln umzuwandeln.

Berlin verspielt neu gewonnenes Vertrauen

Somit sendet Berlin mit diesem Haushalt ein fatales Signal in die EU und darüber hinaus: Auch die Bundesregierung stellt am Ende, wenn es Spitz auf Knopf kommt, andere Prioritäten über die Ukraine-Unterstützung. Damit verspielt Deutschland wieder Vertrauen, das in Kyjiw, im Baltikum und in Polen nach Jahren völlig fehlgeleiteter Russlandpolitik erst langsam wieder entstanden ist.

Und auch im Kreml lehnt man sich wieder entspannt zurück, bestätigt in der Annahme, dass die Entschlossenheit der westlichen Unterstützung der Ukraine ein Verfallsdatum hat. Auch von Berlin hängt ab, wie der russische Angriffskrieg weitergeht; nun bindet sich die Bundesregierung freiwillig die Hände.

Es war klar: Dieser Haushalt wird niemanden zufriedenstellen und komplizierte Abwägungen erfordern. Aber dieser Befund führt zur Frage zurück, warum in einer Zeit, in der die Schienen marode und Krankenhäuser unterfinanziert sind, während die Klimakrise fortschreitet, sich die Bundesregierung eines der kreditwürdigsten Länder der Welt solche Fesseln anlegt.

Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form führt so zu einer an Zynismus kaum zu überbietenden Debatte, in der suggeriert wird, man müsse sich eben entscheiden zwischen stabilen Renten und dem Schutz ukrainischer Kinderkrankenhäuser. Wer sowohl in Sicherheit leben möchte, als auch Rente beziehen, zieht den Kürzeren. Das ist einfach nur verantwortungslos.

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21 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Vielleicht sollte man auch Schulden nicht aufs monetäre/fiskalische beschränken. Es gibt auch "Technical Debt", "Social Debt", "Ecological Debt", etc.

  • Toll! Auf den Punkt gebracht.

  • Das Narrativ der immer bösen FDP



    Die FDP hat ihren Wählern versprochen, dass es keine Neuverschuldungen geben wird. Sie hat es in den Koalitionsvertrag geschrieben, SPD und Grüne haben es mit ihrer Unterschrift akzeptiert.



    Nun die FDP als Schuldige für alles wo Geld fehlt darzustellen ist billige Polemik.



    Wenn SPD und Grüne damit nicht leben können, dann sollen sie halt diese grottenschlechte Ampel (FDP auch gemeint) endlich platzen lassen.

    • @Rudi Hamm:

      Die FDP hat noch jede Menge anderen Kram in den Koalitionsvertrag geschrieben auf den sie selbst pfeift. Es wird Zeit, dass man aufhört diese renitente Klientelpartei immer mit Samthandschuhen anzufassen.

  • Die Rolle der "Schwarzen Null" ist leider zur Zeit besetzt von der egozentrischen One-Man-Show Lindner.

    Er ist weder Kanzler noch Vizekanzler, also definiert er kurzerhand seine Rolle des Finanzministers um zu der des Schatzkanzlers, um sich mehr Geltung zu verschaffen.

    Olaf Scholz, sein Vorgänger in der Rolle der "Schwarzen Null" hat das noch nicht begriffen, sympathisiert zu sehr reflexartig mit dem Schwarznullziel. Er müsste wenigstens deutlich machen, "dass das Notwendige auch 2025 getan wird", und dazu gehört per Definition ja auch die Hilfe für die Ukraine. Stichwort "Nachtragshaushalt". Dann wäre die One-Man-Show nicht ganz so beängstigend! Die Ampel muss Richtung Ukraine ein einmütiges "You will never walk alone" anstimmen.

    99 Länder in der UNO stimmten der Saporischia-Resolution zu - Ukraine nicht alleine auf dieser Ebene. Jetzt gehört nur noch richtlinienkompetent festgelegt, dass Deutschland in der praktischen Ukraine-Hilfe nicht "freiwillig versagen" will.

  • Also, verkürzt,



    D soll die Schuldenbremse aufheben, um die Ukraine zu unterstützen.



    Nicht für seine eigene Infrastruktur oder eigenes Militär. Für ein Land, das weder in der EU noch in der Nato ist, würde den kommenden Generationen Schuldendienste aufgebunden, die sich auch nicht, wie bei der Infrastruktur, auszahlen.



    Die Unterstützung muss weitergehen, überhaupt keine Frage. Aber eigentlich spielt der Kommentar mit dem Narrativ des gegenseitigen Ausspielens, befeuert mit dem Bild des Kinderkrankenhauses.

    • @fly:

      Ich stimme Ihnen zu. Auch ich plädiere für eine weitere Unterstützung für die Urkaine, gerade was Abwehrsysteme angeht. Eine Ausspielung sollte es nicht geben. Und wenn wir gerade schon einmal dabei sind, sollte vielleicht nicht auch etwas mehr Hilfe für die Hunderte von Millionenen hungernden Menschen in der Welt bereit gestellt werden anstatt ernsthaft den Aushalt des Entwicklungsministerium zu kürzeren?



      Für alle die denken, dass das ein schlechter Scherz ist:

      www.tagesschau.de/...en-kritik-100.html

      Bei einer Regierung, die teilweise Moral bei der Außenpolitik propagiert, würde ich mir mehr davon wünschen. Es "ist doch paradox , dass CDU geführte Regierungen hier außenpolitisch (absehen von der Ukraine Politik) weit moralischere Außenpolitik in der Vergangenheit betrieben haben.

  • Danke für den überaus zutreffenden Kommentar. Leider sieht es so aus, als hätten wir das Problem mit der Schuldenbremse auch nach der nächsten Wahl noch an der Backe. Gleichzeitig macht die FDP Werbung mit Ihrer Steuerentlastung für "hart arbeitende Bürger". Zu letzteren zähle ich mich auch - würde aber dennoch gerne zu Gunsten eines halbwegs funktionierenden Staates (und meine Ansprüche sind da nicht besonders groß) auf Entlastung verzichten.

  • Fett erben, alles für selbstverstänDlich erklären und Menschen die Hilfe brauchen schikanieren: F D P

    • @Klaus Witzmann:

      ... wenn religiöse Ansichten wichtiger sind als Weitsicht. Das krampfhafte Festhalten an der Schuldenbremse hat für mich was von Religiosität. Da zieht die Vernunft den Kürzeren. Das gleiche gilt für das Mantra. bloß keine Steuererhöhung, vor allem wenn's um hohe Einkommen und hohe Vermögen geht.

      • @Minion68:

        eher Ideologie und weltfremde Orientierung.

      • @Minion68:

        Ob man nun an der Schuldenbremse festhält, oder sie reformiert, vorher muss man überlegen, wie man vorhandenes Geld sinnvoll einsetzt.

        Der Staat hat in 2023 den Bürgern und Firmen mehr Geld angeknöpft als jemals zuvor. Und trotzdem schaft es die Ampel nicht, dieses Geld priorisiert und sinnvoll einzusetzen. Und dabei sind die Sonderschulden und das Verlagern von Staatsschulden in die DB und die Autobahn-AG - noch nicht einmal berücksichtigt (meiner Meinung nach nicht verfassungskonform).

        Es macht also Sinn, zuerst mal zu schauen, ob es Möglichkeiten zum Sparen und Priorisieren gibt, bevor man andere Maßnahmen ergreift.

        Wir haben heute angeblich zu wenig Geld, und müssen deshalb bis 67 arbeiten; mit der Aufgabe der Schuldenbremse würde das für die Folgegeneration dann wohl mit der gleichen Begründung bedeuten, bis 70 und mehr arbeiten zu müssen. Generationengerechtigkeit ist das nicht. Dass es auch anders geht, sieht man an vielen europäischen Ländern, die höhere Rentenniveaus haben, in denen man früher in Rente kann, und die die Schuldengrenzen trotzdem einhalten.

        • @Torben2018:

          Frankreich hält also die Schuldengrenzen ein? Das ist ja ganz was neues.

  • Drei Kerzen für den Tag an dem die FDP nicht mehr in der Regierung sitzt. Eine vierte dazu wenn sie die 5% Hürde reisst.

  • Laut Statista hat Deutschland bis jetzt etwa 41 Milliarden € für die Ukraine ausgegeben, wenn man den deutschen Anteil an den europäischen Beihilfen mitrechnet. Der ganz überwiegende Teil davon waren Militärhilfen. Das ist z.B. mehr als doppelt soviel, wie der Bund im doppelt so langen Zeitraum (bis 2027) für sozialen Wohnungsbau ausgibt.

    Es sollte doch klar sein, dass das so nicht weitergehen kann. Man kann keinen annähernd ausgeglichenen Haushalt haben wollen und gleichzeitig einen jahrelangen Stellvertreterkrieg führen.

    Es wird allgemein angenommen, dass der Schlüssel zur Beendigung des Krieges in Washington liegt. Da ist sicher was dran. In der Endphase des Wahlkampfes wird von dort aber nicht viel kommen. Also wäre es doch nun wirklich mal Zeit für eine deutsch-französische Initiative zur Beendigung des Krieges. Vielleicht mögen auch Frau Meloni und Herr Sanchez mittun. Und Herr Scholz wird doch noch zum Friedenskanzler. Besser spät als nie.

    Und natürlich haben die Finanziers was dabei mitzureden, zu welchen Bedingungen der Krieg beendet wird.

  • Sehr clever ist das tatsächlich nicht, das eine Elend gegen das andere Elend auszuspielen. So etwas ist in der Geschichte noch nie gut ausgegangen und hat schwere politische Verwerfungen letztendlich zur Folge! Die Jahre 1933-45 sind da nur das extremste Beispiel, welches sich jedoch immer mal wieder als Farce andeutet zu wiederholen.

  • Es ist ja nicht nur die schuldenbremse!



    Weit wichtiger ist ja die umverteilung die nicht stattfindet!



    Und da ist leider die spd auch ein tragender faktor!

    Weiterhin werden die falschen subventioniert und weiterhin werden neoliberale strukturen am leben gehalten sowie massive profite nicht angetastet, geschweige denn fair verteilt. ebenso die verluste.



    und so ist die selbstreflektion und selbstkontrolle der neoliberalen leider nicht stark genug, um entscheidende dinge zu leisten - au0ßer eben die soziale umverteilung weiterhin zu gunsten der reichen minderheit zu betreiben.

    das war zu erwarten, ist wie ein ideologischer Biden ... leider wird der hier nicht zurücktreten. Sondern viele werden zaudern ob der fachkräfte- und ideologiemangel in der politik weiter dafür sorge trägt, da sie weiter an der macht bleiben.

  • Auf die Dauer kann Geld nur einmal ausgegeben werden. Was passiert, wenn dauerhaft die Schuldenbremse gerissen wird, sieht man jetzt in Frankreich. Die französischen Staatsanleihen müssen deutlich höher verzinst werden als deutsche Staatsanleihen, wobei letztere inzwischen auch wieder über 2 Prozent Rendite liegen.

  • Alter noeliberaler Trick, den Staat aussaugen und austrocknen zugleich, damit auch bloß nicht die 95 % noch etwas bekämen. Und immer schon ausspielen: "die" sind es schuld, dass Du nix bekommst.



    In der Realität sind es neben falschen Subventionen die Streicheleinheiten für obszön hohe Vermögen und Einkommen, die am meisten schuld sein dürften.

  • Die FDP ist der Totengräber Deutschlands.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Vollste Zustimmung. So langsam kann man sich das Elend wirklich nicht mehr ansehen.