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Alkoholkonsum bei JugendlichenDie Verharmlosung hat ein Ende

Kommentar von Amelie Sittenauer

Exzessiver Alkoholkonsum ist bei jungen Menschen weniger angesagt denn je. Das sollte gerade die Älteren ihre Konsumgewohnheiten überdenken lassen.

Voll ist nicht mehr angesagt Foto: Jürgen Held/imago

D er 14-jährigen Freundin stundenlang die Haare aus dem Gesicht halten, während sie sich die Seele aus dem Leib kotzt; dem bewusstlosen Mitschüler einen Krankenwagen rufen, damit man ihm im Krankenhaus den Magen auspumpen kann: Klingt hart, doch vor 10 Jahren war es allwöchentliche Realität vieler Jugendlicher – auch meine. Diese halbverborgene, teilweise traumatische Welt der Adoleszenz wurde von Jugendlichen wie Erwachsenen in fast nostalgischer Verklärung als „Kulturgut“ oder „Charakterbildung“ verharmlost. Das scheint sich langsam zu ändern – endlich.

Im Jahr 2022 ist der exzessive Alkoholkonsum bei jungen Menschen auf einen neuen Tiefstand gesunken. Laut einer Studie der Kaufmännischen Krankenkasse – KKH wurden deutschlandweit 10.680 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren wegen einer akuten Alkoholvergiftung in einer Klinik behandelt. Das sind 5 Prozent weniger als 2021 und ganze 13 Prozent weniger als 2020. Im Vergleich mit den Zahlen von 2019 ist es ein Rückgang von 40,5 Prozentpunkte. Angesichts von Homeschooling und Ausgangs- und Kontaktverboten ist die Coronapandemie als Erklärung naheliegend. Doch scheint die Pandemie vor allem einen bereits bestehenden Trend beschleunigt zu haben.

Denn seit Jahren geht der Konsum von Alkohol und Zigaretten bei Jugendlichen laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zurück. Das mag daran liegen, dass Drogen gesamtgesellschaftlich stärker problematisiert werden. Durch Suchtprävention und das Internet können junge Menschen heute viel mehr über die Risiken wissen als noch vor einigen Jahren. Alkohol zum Beispiel ist ein Nervengift. Es wirkt direkt auf das Gehirn und schädigt Hirnfunktionen langfristig.

Einen ähnlich rückläufigen Trend gibt es beim Rauchen, auch dort steigen die Zahlen der Nie- und Nichtrauchenden seit den 2000er Jahren beständig an. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für Gesundheit und Fitness. Seit mehreren Jahren verzichten Menschen beispielsweise unter der Initiative #dryjanuary für einen Monat auf Alkohol. Das bedeutet dennoch nicht, dass Jugendliche gar nicht konsumieren. Der Konsum von Cannabis zum Beispiel hat laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den 2010er Jahren zugenommen.

Einfach nicht trinken

Gleichzeitig haben Jugendliche heute vielfältigeres Wissen über die Welt. Durch digitale Medien sind sie nicht nur aufgeklärter über die Risiken von Alkohol und Drogen allgemein, sie begegnen auch diverseren Lebensentwürfen, setzen ihre Prioritäten anders. Die eigenen Grenzen zu ziehen und einfach nicht zu trinken, ist heute viel akzeptierter als in den Generationen zuvor. Ist die Jugendkultur deshalb weniger exzessiv? Nicht unbedingt. Sie ist womöglich nur weniger gesundheitsgefährdend. Statt Alkoholexzessen gibt es heute andere Formen des Drucks dazuzugehören. Schönheits- und Gesundheitsnormen stehen dem exzessiven Alkoholkonsum da oft entgegen.

Mögliche Erklärungen für den Rückgang des „Komasaufens“ sind komplex, die Fakten aber sind eindeutig. Die Studie der KKH lässt einmal mehr hoffen, dass die gesellschaftliche Normalisierung von Alkohol in jüngeren Generationen endlich zu Ende geht. Die aktuelle Cannabisdebatte hat jüngst gezeigt, mit welchen Doppelstandards in der deutschen Drogendebatte hantiert wird. Cannabis sei eine Einstiegsdroge, Alkohol Genuss. Mit dieser Verharmlosung muss endlich Schluss sein. Es gibt keinen gesunden Alkoholkonsum, und die jungen Menschen von heute wissen das besser als jede Generation vor ihnen.

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24 Kommentare

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  • Das deckt sich mit den Erfahrungen von Psychologen, die nach Entzug der Lenkerberechtigung verpflichtende Nachschulungen anbieten.

    Jedoch hat die Sache einen Haken und Freude ist nicht angebracht! Denn waren früher 9 von 10 Klienten Alkoholiker, sind jetzt 9 von 10 Klienten wegen Drogenmissbrauch in der Nachschulung.

    Die Jungen haben ihr High nur eingetauscht.

    • @Angelika70:

      Haben Sie für die Behauptungen einen Beleg, oder ist das nur eine Vermutung oder Hörensagen?

  • Alkohol ist DIE Einstiegsdroge Nummer 1. Weiterhin ist Alkohol in Form von Bier die einzige Droge die freiverkäuflich an minderjährige Jugendliche angegebene werden kann. Auf Schützenfesten, Feuerwehrfesten und anderen gleichartigen Drogenparties beginnen so sehr früh Alkoholiker-Karrieren. Wir verstehen hier die Zukunft vieler Jugendlicher Alkoholiker zu Gunsten des Umsatzes einer Industrie mit großen politischen Einfluss.

  • Der Bericht deckt sich nicht ganz mit meiner Praxiserfahrung in der Jugendarbeit. Gerade die Anzahl jugendlicher Raucher hat seit Corona stark zugenommen. Alkohol wird zwar weniger konsumiert, besonders Bier ist out, dafür sind die sogenannten Party Drogen und Cannabis auf dem Vormarsch. Von einer "nüchternen" Jugend zu sprechen ist in sofern verfehlt, da das neue Gesundheitsbewusstsein überwiegend im Milieu des höheren Bildungstums zu finden ist. Dort ist es auch kein neuer Trend, sondern wird schon seit den 90er Jahren von Teilen der jüngeren Generation in vielfältiger Weise praktiziert.

    • @Sam Spade:

      Das ist auch meine Erfahrung.



      Suchtmittelmissbrauch gegen Alkoholmissbrauch eingetauscht.

      Kein Grund zur Freude.

      • @Angelika70:

        Suchtmittelmissbrauch? Alkohol macht deutlich süchtiger und ist deutlich schädlicher als manch andere Droge ...

    • @Sam Spade:

      Die DEBRA-Studie bestätigt Ihre Praxiserfahrung im Punkt Rauchen. Aber wenigstens bekämpft man weltweit erfolgreich den Ansatz der Tobacco Harm Reduction, das ist doch auch schon mal was. 😁

      • @Wurstfinger Joe:

        Und dann kommt die Ampel und legalisiert Drogen - das ist Politik vom feinsten

        • @Thomas Zwarkat:

          Drogen waren immer schon ein Begleiter der Menschheit. Prohibition hat auch nie einen wirklichen Erfolg, die dadurch entstehenden Nachteile sind erhöhte Kriminalität, unkontrollierter Konsum etc. Das, was ich bei der Legalisierung von Cannabis als unschön empfinde, ist die Tatsache, daß die einfachste Konsumform die Verbrennung ist, wie eben bei Nikotin auch, mit eben den gleichen Auswirkungen. THC und Nikotin sind in gebräuchlichen Dosierungen nicht wirklich schädlich, haben teilweise positive Auswirkungen, aber die Konsumform verursacht Schäden.

    • @Sam Spade:

      Ich würde ihre Skepsis diesbezüglich teilen.

  • Sorry, ich leiste es mir mal, in Teilen dem Artikel und insbesondere der Unter-Überschrift deutlich zu widersprechen.

    Dass Jugendliche heute weniger Alkohol trinken, liegt mit Sicherheit nicht am besseren Wissen um die Gefährlichkeit.







    Ich bin Anfang der 70er geboren und gehöre noch einer Generation an, die erlebte, dass es normal war, dass auf Geburtstagsfeiern – auch Kindergeburtstagen – oder auch an Weihnachten Leute betrunken waren.

    Im Familien- und Bekanntenkreis meiner nichtakademischen Eltern oder in der Nachbarschaft waren mehrere Alkoholiker_innen, Leute, die sich „den Verstand weggesoffen“ hatten, und Personen mit einer Trinkerpsychose.

    Als Kind – nicht erst als Jugendlicher - kannte ich die Symptome von Alkoholismus und wusste, woran man Alkoholkonsum erkennt. (Ich hatte keine Alkoholikereltern, möchte ich betonen.)

    Anderen meiner Generation ging es genauso.

    Zur Jugendweihe bzw. zur Konfirmation waren viele das erste Mal betrunken, zum Trinken animiert von den Verwandten.

    Unser Wissen damals war aus dem persönlichen Erleben mit Sicherheit besser als das, was heute im Internet zu lesen ist.

    Die Zeiten haben sich geändert.

    Heute ist es nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert, dass auf einem Kindergeburtstag Alkohol konsumiert wird oder ein betrunkener Elternteil mit seinem Kind nach Hause läuft.

    Der geringere Alkoholkonsum ist eine sukzessive Entwicklung.

    Die Eltern sind bessere Vorbilder geworden und sind – z. B. an Geburtstagen - mehr an den Kindern orientiert.

    „Das sollte gerade die Älteren ihre Konsumgewohnheiten überdenken lassen.“ ist deshalb nicht zutreffend.

    Sie haben den Konsum bereits überdacht.

    Ich persönlich tippe darauf, dass die Entwicklung auch Teil der Klassenfrage ist.

    Obwohl es Alkoholkranke in allen Schichten gibt, ist der öffentlich wahrnehmbare Alkoholismus vor allem in der Unterschicht zu finden.

    Obdachlose Trinker sind einfach nicht cool.

    Cannabisrauchende Studenten dagegen schon.

    • @rero:

      "Cannabisrauchende Studenten dagegen schon."



      Kurz überlegt...; Neee@cool ;) .



      Das Äquivalent zum Trinker in der Öfentlichkeit, der ned so gut riecht, ist der Firmenpatriarch mit Kognac vorm Mittag und danach immer einen Grund, seinen Spiegel ordentlich hochzuhalten. Mit allen negativen Folgen für Familie und Firma...



      "Unser Wissen damals war aus dem persönlichen Erleben mit Sicherheit besser als das, was heute im Internet zu lesen ist."



      Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß auch das analoge "Wissen" ein ziemlich stumpfes "Abschreckungsschwert" ist.

  • Erfreuliche Entwicklung. Alkohol ist eine - wenn auch nicht die einzige - scheiß Droge und hat in vielen Gesellschaften massenhaft Elend erzeugt. 80 % aller Gewalttaten werden unter Alkoholeinfluss begangen. Die Native Americans nennen ihn liquid genocide.

  • Da sitzen 6 ältere am Stammtisch, haben schon 4 Bier intus, und ziehen über die Jugend her und dass die jetzt auch legal die Droge Cannabis nehmen dürfen, wie furchtbar. Dabei merken sie selbst gar nicht, wie sehr sie schon von der Droge Alkohol abhängig sind.

  • Ich vermute, dass es damit zu tun hat, dass die Sachen einfach viel schwieriger zu bekommen sind.



    in meiner Jugend war Schnaps kaufen genauso selbstverständlich wie das Haare zurück halten ein paar Stunden später.



    Heute wird da viel genauer hingeschaut an den Supermarktkassen und auch in den Kiosken.

    Was ja prinzipiell auch gut ist.

  • Interessant wäre zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang mit der Migrationsdynamik gibt. Bei den unter 18 Jährigen liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei 34%. Davon dürfte ein großer Teil muslimischen Glaubens sein. Dementsprechend wird dann auch weniger getrunken. Ob das auch für nicht-muslimische Jugendliche zutrifft wäre interessant zu wissen.

    • @Sybille Bergi:

      Kein Alkohol, aber Shisha und Cannabis.

      • @Emsch:

        und genau das geben die Zahlen ja auch her!

  • Das Komasaufen der Jugendlichen von vor ca. 10 Jahren war schon exzessiv und zum Glück nur eine Phase. Man sollte sich mal überlegen weshalb das damals so war und welche Fehler die Eltern vorher wohl gemacht haben. Dass mit Alkohol nicht zu spaßen ist, sollte jedem Menschen geläufig sein. Zwischen Genuß (der Wein zum Essen, das Bier nach Feierabend etc.) und Komasaufen ist noch reichlich Platz. Aber so zu tun, als ob das die schlimmste aller verfügbarer Drogen wäre ist einfach nur hysterisch. Aufklärung und weniger gehype um irgendwelche Mode-Spirituosen wäre ja schon mal ein Anfang.

  • Alles gut!



    Der starke Alkoholkonsum war eine "Mode", solche gehen immer mal vorüber.



    Aber manche Arten von "Gesundheitswahn", wie Schönheitswahn oder Optimierungswahn sind auch nicht ungefährlich.



    Menschen geraten dadurch in enormen Stress.



    Dieser kann krank machen.



    "Leben gefährdet Ihre Gesundheit" stand mal auf einer Postkarte!

  • "Einen ähnlichen Trend gibt es beim Rauchen, auch dort gehen die Zahlen der Nie- und Nichtrauchenden seit den 2000er Jahren beständig zurück."

    Sie meinen wohl eher, daß die Zahlen beständig steigen?

  • Gute Nachrichten. Besonders wenn es eine unverhofft positive Folge der Pandemie sein sollte.



    Jedoch:



    "Einen ähnlichen Trend gibt es beim Rauchen, auch dort gehen die Zahlen der Nie- und Nichtrauchenden seit den 2000er Jahren beständig zurück."

    Sicher? Da habe ich aber sehr viel Gegenteiliges gelesen. Dass seit der Pandemie die Raucherquote unter Jugendlichen/jungen Erwachsenen leider signifikant gestiegen sei. Sogar Lauterbach hat dies bedauert.

  • Alkohol ist eine legale Droge, die - auch und vorallem bestimmt durch konsumierte Menge und Häufigkeit - gesundheitsschädlich ist.

    Wie z.B. auch bei Schokolade und anderem Zuckrigen. Zuviel davon ist gar nicht gut.

    Der Umgang damit ist zunächst Privatsache.

    Wie sollten keine Drogen propagieren - ich habe aber auch kein Interesse an moralischem Rigorismus.

    Keine Macht den Drogen! Und keine Macht den Drögen ;-)

    • @petross:

      Eigentlich ist tatsächlich jedes bisschen davon nicht gut. Es macht aber manchmal großen Spaß; das sollte man semantisch trennen.