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AfD im BundestagKeine Schlüsselposition für die Feinde der Demokratie

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die AfD hat mehr Sitze und setzt weiter auf Hetze und Chaos. Der Bundestag und auch Julia Klöckner müssen entschlossen dagegenhalten.

AfD-Chefin Alice Weidel gratuliert Julia Klöckner nach ihrer Wahl zur neuen Bundestagspräsidentin Foto: Liesa Johannssen/reuters

D ie AfD hat in der konstituierenden Sitzung des Bundestags gezeigt, dass sie so weiterzumachen gedenkt wie bisher: mit Anträgen, die den Parlamentarismus chaotisieren sollen, mit aggressiven Zwischenrufen und hetzerischen Reden. Überraschend ist das nicht, schließlich ist das Ziel der extrem Rechten, den demokratischen Parlamentarismus von innen heraus zu zerstören.

Weil in der Bevölkerung der Zweifel an der Demokratie gewachsen und die AfD-Fraktion noch radikaler und zudem deutlich größer geworden ist, muss der Bundestag jetzt besonders überlegt auf diese Herausforderung reagieren, um das Parlament und dessen Würde zu schützen. Dabei kommt der Bundestagspräsidentin eine zentrale Rolle zu.

Ob die ehemalige CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Integrität und das Format dafür hat, kann man aus guten Gründen bezweifeln. Klöckner gilt als anfällig für Lobbyismus und Populismus, auch war ihr Umgang mit der AfD bislang nicht ganz klar. Im Wahlkampf postete sie einen Spruch, den viele als Anbiederung an AfD-Positionen verstanden. Als die Union in Sachen Migration mit den ex­trem Rechten im Bundestag eine Mehrheit suchte, war Klöckner dabei.

Und bei ihrer Nominierung bot sie an, vor der Wahl alle Fraktionen aufzusuchen, auch wenn es letztlich bei der AfD aus angeblichen Termingründen nicht dazu kam. Doch Klöckner ist eben auch bodenständig, robust und schlagfertig. In ihrer Rede versprach sie, das neue Amt „unaufgeregt und unverzagt“ auszuüben, das klingt nach einem sinnvollen Ansatz.

Und wer die Christdemokratin vor gut zwei Jahren auf dem CDU-Parteitag erlebt hat, wie sie gleichermaßen junge Frauen und alte Männer leidenschaftlich und gezielt zerlegte, die die Einführung der parteiinternen Frauen-Quote verhindern wollten, der kann zumindest die Hoffnung haben, dass sie es mit der AfD aufnehmen kann.

Auch Klöckner muss Kante zeigen

Die klare Abgrenzung zu den extrem Rechten muss sie, wie die Union überhaupt, jetzt aber erneut unter Beweis stellen. Dass Gerold Otten, der AfD-Kandidat für den Vizeposten, in drei Wahlgängen jeweils nur gut 30 Stimmen jenseits der eigenen Fraktion bekam und damit drei Mal klar durchfiel, ist zumindest ein gutes Zeichen. Aber kann man der zweitstärksten Fraktion im Bundestag diesen und andere Posten wirklich verweigern?

Man kann nicht nur, man muss sogar. Dass es rechtlich zulässig ist, hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt: Es gibt kein Recht, gewählt zu werden, die Abgeordneten sind frei in ihrer Entscheidung. Bleibt die Frage, ob eine Verweigerung der Posten politisch wirklich sinnvoll ist. Und da gilt eben ganz grundsätzlich: Wer die Demokratie zersetzen will, den darf man nicht an deren Schlüsselpositionen lassen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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28 Kommentare

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  • Die Feinde der Demokratie waren und sind jene, die eine Alternative deshalb ermöglichten, weil sie immer mehr Menschen vernachlässigten und stigmatisierten.

  • ach kommt. Dass die Weinkönigin eine völlige Fehlbesetzung auf jedem Posten ist, muss man ja nun wirklich nicht mehr diskutieren. Ihre "Leistung" als Landwirtschaftsministerin ist unvergessen.

    Aber als "Feinde der Demokratie" brauchen wir die braunen Säcke nicht. Hat sich die taz mal durchgelesen, welche schicken, neuen Überwachungsbefugnisse sich unsere neue, total demokratische, die Grundrechte verteidigende und der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" verpflichtete Regierung gönnen möchte?

  • Ich würde keine Hoffnung in Klöckner setzen. Die winkt alles durch solange das Geld stimmt. Korrupte Politiker:innen und Faschisten; es ist eine Schande für Deutschland was da alles so in den Bundestag darf.

  • Frau am Orde, Sie argumentieren an der sichtbaren Oberfläche. Dagegenhalten mit Integrität. Richtig.



    Wie bekommen wir die AfD aus dem Bundestag? Denn nur das kann das Ziel sein. So wie es derzeit läuft jedenfalls nicht.

  • Wenn die AfD verboten wird, wen wählen ihre Wähler dann? Das für sie kleinere Übel, nämlich CDU/CSU. Also könnte die Union allein regieren. Linke, Grüne und SPD wären in der Opposition. Ohne das Wohlwollen der CDU/CSU könnten sie keinen Ausschussvorsitzenden stellen und wären nicht im Bundestagspräsidium vertreten. Alle Gelder an NGOs würden gestrichen. Dann viel Spaß!

  • AfD im Landesparlament Sachsen:

    - Vorsitz Ausschuss für Verfassung, Recht und Europa



    - Vorsitz Ausschuss für Schule und Bildung



    - Vorsitz Haushalts- und Finanzausschuss



    - Vorsitz Ausschuss für Inneres, Kommunales und Sport

    und noch eine Reihe stellvertretender Vorsitze.

    Da darf das Fernhalten im Bund durchaus als Folklore verbucht werden. Widerstand auf Landesebene ist in den bestehenden Regeln nicht mehr praktikabel, die AfD sitzt längst in Schlüsselpositionen.

  • Wenn ich die Berichte heute richtig gelesen habe, steht demnächst eine Wahl für neue Verfassungsrichter an, die mit 2/3-Mehrheit gewählt werden müssen.



    Spätestens dann wird die AFD den Bundestagsvizepräsidentsitz bekommen.



    Wozu also diese Show?

  • Lächerlich zu glauben dies wäre das Kraut gegen die AfD.



    Quatsch. Humbug.



    Gegen die AfD helfen nur Wähler und Wählerinnen!

    Und das erfordert zu allererst das Rückgewinnen des Wählervertrauens.



    Durch Taten - nicht durch Worte.

    Und es ist nötig dass Politiker Abbitte leisten.



    Abbitte für geplatze Träume, für enttäuschte Zukunftspläne, für unsichere Lebensplanung.



    Und dass sie ihre Fehler eingestehen!



    Und Konsequenzen ziehen !

    Es bleibt nicht mehr viel Zeit !

    Aber wenn ich ehrlich bin: Ich habe wenig Hoffnung.

  • Die AfD macht weiter wie bisher - und die restlichen Parteien auch.



    Ergebnis: mittlerweile steht die AfD in Umfragen bei 23% bundesweit...



    Heißt: das Ausgrenzen der AfD zahlt stetig bei ihr ein.



    Emotional kann ich den Aufruf "Der Bundestag und auch Julia Klöckner müssen entschlossen dagegenhalten" komplett nachempfinden, nüchtern betrachtet stelle ich einmal mehr fest: die ideenlose Ausgrenzung der AfD läuft komplett ins Leere.



    Hier kündigt sich seit Jahren ein Frontalunfall mit katastrophalen Folgen an, weil etablierte Parteien und Medien es nicht einsehen wollen, dass die Idee der Brandmauer nicht funktioniert.



    Peu a peu gewinnt die AfD an Stärke, auf kommunaler Ebene teils längst akzeptiert, im Osten mit Abstand stärkste Partei und bundesweit wie gesagt in neuesten Umfragen bei 23%...



    In jedem Krieg, in jedem Unternehmen, in jeder Mannschaft ändert man die Strategie wenn man offensichtlich mit der aktuellen Gangart ein ums andere Mal wirkungslos am Gegner scheitert, während er sukzessive hinzugewinnt - aber nicht so unsere Politiker und Medien, da wird stur und blind das Lied weitergesungen bis die AfD absolute Mehrheiten holt - 2026 in Sachsen-Anhalt könnte die Bombe platzen...

  • Die AFD muss einfach verboten werden. Die Deutschen haben doch erlebt, wohin solche Leute führen können.

    • @Ward Ed:

      Volle Zustimmung, aus Weimar sollte gelernt worden sein, Nazis nutzen die Demokratie als Steigbügel zur Macht, danach wird sie abgeschafft oder nur noch als Scheindemokratie weiterführt wie in Ungarn, Rußland usw.

    • @Ward Ed:

      Genau, wir verbieten AfD. Danach den Trump, Putin und Erdogan.



      Ihr Ansatz in Ehren. Die Zeit haben wir nicht. Das Verfahren kann komplett erfolglos sein. Wir brauchen eine programmatische Politik der Machbarkeit, bei der >90% der Wähler zufrieden sind und nicht AfD wählen.

    • @Ward Ed:

      Können Sie auch einen realen Grund angeben; die AfD ist genauso demokratisch gewählt, wie andere Parteien auch. Ich mag sie auch nicht, aber das reicht nicht für ein Verbot. Genauso könnte ich ein Verbot für mir nicht passenden Parteien fordern.

    • @Ward Ed:

      Knapp 40% im Osten. In einzelnen Dörfern teils 60 bis 70% bei der jetzigen Bundestagswahl - Werte um und über 50% teils flächendeckend in ländlichen Gebieten...



      Wie wollen sie einer solchen schieren Masse die Meinung verbieten?



      Es wählen auch Polizisten, Richter, Ärzte, Lehrer, Staatsanwälte, etc die AfD - oder meinen sie die 40% im Osten sind ausnahmslos Ungebildete, Bürgergeldempfänger oder andere sozial Schwache?



      Und bitte vergessen sie nicht, es gibt viele Stimmen aus Ost-CDU-Verbänden, die ganz offen zur Koalition mit der AfD aufrufen - das heißt die Billigung der AfD und ihrer Überzeugungen geht weit über ihre Wählerschaft hinaus.



      Ein Verbot ist völlig abwegig - der Zug ist abgefahren. Der jahrelange Prozess in Karlsruhe würde der AfD dauerhaftes Rampenlicht liefern. Was glauben sie warum sich keine Mehrheit im alten und neuen Bundestag findet für einen derartigen Antrag...?



      1. Der Ausgang ist mehr als ungewiss



      2. Der Prozess würde weiter bei der AfD einzahlen und



      3. Selbst bei einem Verbot wäre die tatsächliche Umsetzung völlig unkalkulierbar bezieht man die Anzahl ihrer Wählerschaft und Sympathisanten mit ein.

  • Die Feinde der Demokratie sind nicht die, die es öffentlich zeigen. Die Feinde der Demokratie sind die, die aus purem Eigeninteresse die Demokratie und die Glaubwürdigkeit zu Grunde richten.

    • @Hitchhiker:

      Aha, wer denn konkret z.B.?

    • @Hitchhiker:

      Mir ist nicht ganz klar wohin ein Verbot führen soll. Sie könnten genauso gut Schnupfen verbieten. Er wird trotzdem weiterhin da sein.

    • @Hitchhiker:

      Genau und ein T-Shirt ist ein Norwegerpullover.

  • Die Umfragewerte der AfD gehen derzeit durch die Decke, sie ist nur noch ca.3,5% hinter CDU/CSU. Alle anderen sind weit abgeschlagen. Ich denke die Ausgrenzung bringt der AfD nur Stimmenzuwächse und wenn die Koalitionsverhandlungen weiter so laufen, dann pakt es die wohl die zukünftige Regierung es auch nicht. Dann erleben wir ein blaues Wunder, was nicht sein darf.

    • @Filou:

      Dann aber wenigstens gut militärisch aufgerüstet. Vllt klappt es ja diesmal. Ironie off



      Die demokratischen Parteien wissen was sie tun, nur die Konsequenzen sind ihnen egal.

  • Es ist bitter, dass ausgerechnet Klöckner die zweithöchste Position im Lande inne hat.

    Da bleibt nur, ihr zu wünschen, dass sie dem Amt gerecht wird und an ihm wächst.

    • @BoLuz:

      Was soll man da bitte groß falsch machen? Es ist ja mehr ein Administratives Amt/Verwaltungsamt welcher den Bundestag verwaltet und die Sitzungen leitet.



      Als Bundestagspräsidentin hat man genau 0 politische Handlungsaufgaben, weshalb jede Fraktion ja auch einen Vizepräsidenten ernennt und eben keinen Staatssekretär nach Gusto des jeweiligen Ministers.

  • Tja,



    eine Mehrheit hat halt cDU gewählt.



    Klar ist das eine Enttäuschung .



    Wir werden mit mehr oder weniger Begabten leben müssen.



    Allerdings sind die eben noch keine Rechtsextremisten und das ist doch ein kleiner Trost...

    • @Philippo1000:

      Wirklich schade, dass die Begabten aus der Ampel alle weg sind.

    • @Philippo1000:

      Haben wir die letzten drei Jahre auch. Gur war das nicht.

    • @Philippo1000:

      Sind wir ja gewohnt durch die letzten drei Jahre und die Jahre davor.

      Die ganz rechts kommen zwar nicht von alleine, aber die demokratischen Parteien Rollen ihnen den Teppich aus.

  • Sie gehörte für mich auf jeden Fall in die Top Ten der peinlichsten Minister und Ministerinnen (8,5 auf der "Kristina-Schröder-Skala"), aber vielleicht wächst sie ja doch in dieses Amt hinein.

  • Mit Jjulia Klöckner wird das wohl nix werden - da ist zu viel Naivität im Spiel. Das konnten wir schon bei Nestle erleben. Gott schütze unser Land vor dem "blauen Grauen". Geschichte wiederholt sich scheinbar doch, zumindest in ähnlicher Weise.