Abschluss der Fußball-WM 2022: Made in Katar
Die Magie des Fußballs schien beim WM-Finale die politischen Debatten zu überdecken. Kurz vor der Krönung riss der Gastgeber alle aus ihrer Traumwelt.
Wer dieses WM-Finale gesehen hat, der konnte sich der Magie, Schönheit und Unmittelbarkeit dieses Spiels nicht entziehen. Bevor es überhaupt zum dramaturgischen Höhepunkt der Partie kam, durchforsteten weltweit vermutlich Unzählige ihre Erinnerungen, ob sie jemals so etwas schon einmal gesehen hatten. Vergeblich. Vergessen war die Vereinnahmung dieses Turniers durch die solventen katarischen Machthaber, die das Fußballspektakel zu einem Bestandteil ihrer außenpolitischen Strategie machten.
Vergessen in diesen intensiven Momenten war auch die nicht genauer zu beziffernde Zahl der Menschen, die ihr Leben für den Bau der glitzernden Fassaden dieses Spiels gelassen hatten und die Opfer von Menschenrechtsverletzungen in diesem Land wurden. Der Fußball schien seine Unschuld zurückerobert zu haben, weil er es vermag, den Moment so stark werden zu lassen, dass Vergangenes und Zukünftiges dahinter ganz klein werden.
Doch dann, kurz vor der Krönung des neuen Weltmeisters und seines unvergleichlichen Anführers Lionel Messi, riss der Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani höchstpersönlich alle aus ihrer Traumwelt und drückte allen Fotos, die da gerade von dem historischen Augenblick geknipst wurden, seinen „Made in Katar“-Stempel auf. Er hängte Messi das schwarze arabische Übergewand „Bischt“ um, das traditionell zu besonderen Anlässen getragen wird, und reklamierte den Moment somit auch für sich.
Stimmt, da war doch was, haben sich gewiss nicht wenige Menschen da gedacht. Zu gern hätten sie wenigstens jetzt vergessen, dass dieses Turnier auch politischen Interessen diente. So betrachtet, war dieser Akt der Ernüchterung aus Perspektive des Emirs höchst ungeschickt. Hätte er doch lieber still genossen. Ungebrochen schöne Erinnerungen von diesem großen Finale wären zumindest zurückgeblieben.
Staatenlenker auf dem Rasen
Dieses missglückte Abschlussbild dieser Weltmeisterschaft steht freilich nicht für sich allein. In der Empörung über die Schändung des argentinischen Erfolgs geht ganz unter, dass auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron wusste, wie er möglichst viel vom Glanz dieses Abends abbekommen konnte. Kurz nach dem Abpfiff tröstete er vor allem Ausnahmespieler Kylian Mbappé, der sich an diesem Abend gewiss die wenigsten Vorwürfe machen konnte. Bei den großen WM-Sternstunden haben es die Staatenlenker mittlerweile von der Tribüne über die Kabine auch auf den Rasen geschafft, um sich in Szene zu setzen. Fifa-Chef Gianni Infantino darf dafür zum G20-Gipfel.
Missglückt war ebenso das Bild, mit dem das deutsche Team zu Beginn der Weltmeisterschaft ein Zeichen setzen wollte. Mit der vorgehaltenen Hand vor dem Mund protestierten sie beim Teamfoto dagegen, dass die Fifa ihren Protest nicht erlaubt hatte. Das eigentliche Thema, die Diversität, zu der man sich auch nicht mit der klassischen Regenbogenbinde bekennen wollte, geriet in den Hintergrund.
Was der Sieg eines marokkanischen Fußballteams über Spanien oder Portugal mit der Lösung der Palästinafrage zu tun hat, erschloss sich beim Jubel der nordafrikanischen Fußballer mit der palästinensischen Flagge vielen nicht.
All dies waren Bekenntnisse, die nach außen spaltend wirkten. Die Magie des Fußballs schien all das am Sonntag im entscheidenden Moment wie immer überdecken zu können. Zu einer Romantisierung des Fußballs taugt dieses Turnier allerdings nicht mehr. Sogar am Ende dieses außergewöhnlichen Finales steht dieses Bild mit Messi und dem unvergesslichen Stempel drauf: Made in Katar.
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