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Abgesackter U-Bahn-Tunnel in BerlinDenn sie wissen nicht, was sie tun

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Die Befürchtungen über einen Totalschaden des Bahnhofs der U2 am Alexanderplatz zeigen: Nicht jedes Hochhaus sollte in Berlin gebaut werden.

Vor dem Desaster fuhr sie hier noch zweigleisig: die U2 im März 2022 Foto: dpa

D as Leben in einer Großstadt wie Berlin wäre undenkbar ohne ein gewisses Grundvertrauen in die Leistung der zahllosen Ingenieur:innen, die ihre gebaute Umwelt geschaffen haben. Alltägliche Dinge wie eine U-Bahn-Fahrt könnten schnell in einer Panikattacke enden, wenn wir ständig Angst hätten, dass der Tunnel über uns jeden Moment zusammenkrachen könnte. Wir sind uns aber sicher, dass das nicht passiert, weil die Leute, auf die es ankommt, schon wissen werden, was sie tun.

Dass dieses Vertrauen im Alltag praktisch, in Politik und Verwaltung aber umso fahrlässiger ist, zeigt die am Montag durch Medienberichte ausgelöste Debatte über den Zustand des abgesackten Tunnels der U2. Unter Berufung auf einen Insider berichtete das Neue Deutschland zunächst, die Schäden am abgesackten Tunnel der U2 unter dem Alexanderplatz könnten größer sein als bisher gedacht. Grundlage für die Einschätzung: ein Wasserschaden mit bislang ungeklärter Ursache im darunterliegenden Bahnhof der U5. Womöglich müsse der gesamte U-Bahnhof abgerissen und neugebaut werden, so der Kenner.

Wie es um den Zustand des Tunnels tatsächlich bestellt ist, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Die BVG verweist auf laufende Untersuchungen, die mit der Reparatur beauftragte Covivio behauptet, alles sei in Ordnung, bleibt den Nachweis gegenüber der Senatsverwaltung aber noch schuldig. Ob der ursprüngliche Plan gelingt, den Tunnel mit Betoninjektionen wieder anzuheben, ist unklar.

Dabei scheinen im Vorfeld weder Covivio noch der Bezirk Mitte ernsthaft mit der Möglichkeit einer Absenkung gerechnet zu haben. Lediglich die BVG drängte in weiser Voraussicht auf den Abschluss einer sogenannten „nachbarschaftlichen Vereinbarung“, die Covivio nun auch zur Übernahme der Kosten verpflichtet.

Unkalkulierbare Risiken

Zuverlässig vorhersagen oder ausschließen lassen sich solche Setzungen des Erdreichs nicht. Die Ursache dafür ist nicht fachliches Versagen, sondern die Tatsache, dass nicht alle relevanten Faktoren bekannt sind. Dazu gehört, dass die Baupläne der Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten U-Bahn-Tunnel nur noch selten vollständig oder korrekt sind. Zwar lässt sich die Gefahr von Setzungen durch technische Maßnahmen wie Pfahlgründungen oder vorsorgliche Betoninjektionen minimieren, doch ein Restrisiko bleibt immer.

Die Aufgabe der Politik ist, in einem solchen Fall abzuwägen, ob der Nutzen eines Bauprojekts dieses Risiko rechtfertigt. Im Gegensatz zu komplexen statischen Berechnungen ist diese Abwägung auch für Laien einfach durchzuführen.

Auf der Risiko-Seite steht ein verkehrspolitisches Desaster, das jahrelange Bauarbeiten an einem zentralen U-Bahn-Knotenpunkt mit sich bringen würden. Auf der Nutzenseite steht dagegen nur ein weiterer austauschbarer Büroklotz, auf den die Stadtgesellschaft auch mit intakter U-Bahn gut verzichten könnte. Eine klassische Lose-Lose-Situation also.

Der eigentliche Skandal ist also, dass der Senat weiter an den Hochhausplänen für den Alexanderplatz und andere, U-Bahn-Linien gefährdende Standorte festhält. Die U2 sollte ein Weckruf sein, solche Projekte in der Nähe von U-Bahn-Tunneln nicht mehr zu genehmigen. Doch um die Interessen privater In­ves­to­r:in­nen zu wahren, nimmt der Senat willentlich die Gefährdung öffentlicher Infrastruktur in Kauf.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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34 Kommentare

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  • Der Bau an sich sollte nicht das Problem sein.



    Der Investor/Bauherr muss jedoch zu einer umfassenden Überwachung und zur Planänderung mit Stillegung auf Basis klarer Kriterien sowie einer Kostenübernahme zur Behebung jeglicher Änderungen verpflichtet werden. Eine angemessene Sicherungssumme ist vorab zu hinterlegen.

    • @J_CGN:

      der investor sollte auch den nutzer_innen der bvg eine entschädigung für die verlängerte fahrzeit auf den entsprechenden strecken zahlen müssen

    • @J_CGN:

      Klingt gut. Nur kann kaum jemand den tatsächlichen Schaden eines Ausfalls dieses Verkehrsknotens bezahlen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Deshalb eben ein kontinuierliches Monitoring, das Schäden früh erkennen lässt. Dann können frühzeitig der Bau unterbrochen und Problemen entgegen gewirkt werden.

        • @J_CGN:

          So sollte es sein. Aber wer macht das schon? Alle stehen unter Kostendruck.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Darum solte das aber in die Genehmigung aufgenommen werden.



            Ohne diese Maßnahmen kein Bau an kritischen Orten.

            • @J_CGN:

              Sollte. Und es müsste auch kontrolliert werden. Schwierig bei chronisch überlasteten Bauämtern.

              Die Wirklichkeit ist eben oft nicht so, wie sie sein sollt.

  • Wes' Brot ich ess....



    Und dann jetz auch noch Cee dee uhh. Die RGR-Radwegpläne sind auch schon weg. Und die Sozen hießen mal, deutschlandweit schreckliche Rathäuser, Stadtautobahnen, Fußgängerunterführungen und Hochhausviertel bauenderweise zu recht: Betonpartei. Zu Unrecht wird das heutzutag manchmal vergessen.

    • @lesnmachtdumm:

      Sehen Sie, so ändern sich die Zeiten.

      Heute gelten Hochhausviertel als wertvoll aus umweltschutz- und klimapolitischer Sicht.

      Relativ geringe Flächenversiegelung.

      Die SPD war also aus heutiger Sicht ihrer Zeit weit voraus - zumindest in diesem Punkt.

      • @rero:

        ...aber das WIE der Hochhausviertel - möchten Sie aus einem sich gentrifizierenden Altbauviertel nach Neuperlach abgeschoben worden sein ?

  • Wer Klimawandelleugnern erlaubt, in Berlin Politik zu machen, wird sich in nicht allzu ferner Zukunft über kollabierte Hochhäuser freuen können.

    Die Stadt hat langfristig eine Zukunft wie Miami vor sich, nur mit Sand statt Meerwasser. In 200 Jahren sind da nur noch Ruinen. Dumm gelaufen, aber wir mussten ja unbedingt Wahnsinnige und Phantasten, die Thermodynamik und Hydrogeographie für böswillige Erfindungen der sogenannten "Grünen Pest" halten, in den diSKuRs hineinlassen (...).

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation.

    • @Ajuga:

      Klimawandelleugner lieben die Thermodynamik. Sie ist unter anderem die physikalische Grundlage für Verbrennungsmotoren.

      "...einmal in ihren Hundeleben..."

      Bei aller Abneigung gegen die Typen. Wir reden immer noch über Menschen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Seit Friedrich des Zwoten Zote ´Hunde wollt ihr ewig leben?´eine legitime Bezeichnung des gemeinen Preussen, wenn er nicht pariert.

        • @Euromeyer:

          Seit wann richten wir uns nach größenwahnsinnigen Kriegsverbrechern?

    • @Ajuga:

      Jetzt müssten Sie noch erklären, warum Rot-grün-rot für Sie eine Klimawandelleugnerkoalition war.

      Die CDU war nun wirklich lange Opposition, der kann man diuese Fehlplanung nun nicht anlasten.

      • @rero:

        Ich bin davon ausgegangen, dass AJUGA die aktuelle Regierung meint. Die wurde ja erst kürzlich gewählt.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Der Gedanke kam mir auch.

          Aber das wäre Quatsch.

          Vielleicht irren wir uns und AJUGA hat jemanden im Auge, an den wir beide nicht gedacht haben.

          In Berlin leugnet auch die aktuelle Regierungskoalition den Klimawandel nicht.

          • @rero:

            Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation.

  • Wäre ja auch mal was Neues, wenn es in Berlin bei Bauprojekten keine Probleme gäbe.

  • Ja, sind wir denn im tiefsten Mittelalter? Dort gab es Pfählung. Heute gibt es Pfahlgründung

  • Die Moderation: Der Kommentar wurde auf Wunsch des*der Kommentator*in entfernt.

    • @Friderike Graebert:

      Na, dafür haben sie jetzt die richtigen Regierungsparteien in Berlin ...

  • wenn ich diesen Begriff "Investor" schon höre krümmen sich mir die Fussnägel.

    Investor imaginiert in den Köpfen von Verwaltungsleuten jemanden, der (und fast nie die!!) Gewerbesteuern generiert, oder der neue Einwohner und damit Einkommensteuern in die Kommune bringt.



    Dann schalten die meisten ihr Hirn ab und ordnen alles andere diesem vermeintlichen Glücksstrang für die Stadtfinanzen unter.

    Es wird Zeit, dass öffentliche Finanzen anders generiert werden.



    Jedenfalls nicht so direkt aus Projekten die ortsgebunden sind.



    Die jetzigen Systeme führen nur zu immer neuen Flächenversiegelungen und Umweltvernichtungen.

    Jede Kommune versucht ihre direkten un d weiter enfernten Nachbarn zu überbieten, sie auszutricksen und so Vorteile für sich zu erhalten, zu sichern so oder so ähnlich wird es immer begründet.

    Es ist ein grossses Thema das gesamtgesellschaftlich leider noch immer nicht im Mittelpunkt steht

    • @Friderike Graebert:

      Fortsetzung:

      Die eigentliche Absicht von Investoren ist lediglich die Gewinnmaximierung ihres Kapitals.

      • @Friderike Graebert:

        Ja, so ist es. Hier auf dem Land ist kein Acker, keine Wiese wertvoll genug, sofort planiert und geteert zu werden, wenn "DER INVESTIOR" ruft. Dabei gäbe es oft schon früher ähnlich genutzte Flächen, aber die liegen dann 200 m weiter entfernt von der Autobahn... Diesen Natur-vernichtenden Irrsinn kann man sich hier konstant anschauen. CDU-Deppen sind es hier seit Jahrzehnten.

  • Mein andauernder Kommentar KORRUPTION, VORTEILNAHME, DAUERKORRUPTION.........



    Das gefährlichste Gift jeder Demokratie!



    Der Nr.1 Haupt-Hintergrund f die Zerstörung von Mutter Natur.

  • "Alltägliche Dinge wie eine U-Bahn-Fahrt könnten schnell in einer Panikattacke enden, wenn wir ständig Angst hätten, dass der Tunnel über uns jeden Moment zusammenkrachen könnte. Wir sind uns aber sicher, dass das nicht passiert, weil die Leute, auf die es ankommt, schon wissen werden, was sie tun."

    Sie machen mir ein bisschen Angst"

  • Diese Art Denke ist ein Sinnbild für die stockende Entwicklung in Deutschland und auch einer Metrolpole wie Berlin nicht würdig.



    Wurde hier ein Fehler begangen, ja, aber aus Fehlern lernt man für kommende Projekte.



    Würde man alles und jedes immer zu 100% perfekt absichern und noch so jeden kleinen Faktor berücksichtigen, gäbe es nie einen Fortschritt, sondern die Art Stillstand, die uns in Deutschland in sehr vielen Bereichen aktuell ausbremst.

    • @alohomora:

      "einer Metrolpole wie Berlin nicht würdig" - Ich finde das passt alles sehr gut zu Berlin.

    • @alohomora:

      Welche Art Fortschritt stellt denn ein Bürohochhaus am Alex dar?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Zumal Berlin beim Bau von modernen Gebäuden im internationalen Vergleich unterirdisch ist. Die meisten sind eine ästhetische Zumutung.

        • @Jim Hawkins:

          Im Disney Stil wiederhergestellte Schlösser sind auch nicht besser 😁

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Absolut richtig, es ist alles in allem ein Trauerspiel.