: Wählen geht, wer Geld hat
Je ärmer das Viertel, desto geringer die Wahlbeteiligung, das ist eine Lehre aus der Hamburg-Wahl. Und das könnte ein Grund für das schwache Abschneiden der AfD sein

Von Amira Klute
Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl haben die Menschen anders gewählt als bei der Bundestagswahl eine Woche zuvor. Eins aber ist gleich geblieben: Die Wahlbeteiligung war in den Stadtteilen sehr unterschiedlich – aber nicht analog zur Bundestagswahl. Dazu hat das Statistikamt Nord am Dienstag erste Auswertungen vorgestellt.
Die Hamburg-Karte ist nach der Bürgerschaftswahl röter, weniger schwarz und weniger grün als nach der Bundestagswahl. Außerdem fehlen zwei blaue Flecken. Während die AfD bei der Bundestagswahl erstmals in Hausbruch im Westen der Stadt und in Neuallermöhe im Osten stärkste Kraft wurde, gingen diese Viertel bei der Bürgerschaftswahl an die SPD. Könnte das vielleicht mit der Wahlbeteiligung zusammenhängen?
Eigentlich kann man Bundestags- und Landtagswahlen gar nicht so richtig vergleichen, sagt der Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp. Auf Bundesebene ist zum Beispiel die Wahlbeteiligung immer höher als auf Landesebene. Politikwissenschaftler:innen sprechen deshalb von „Wahlen zweiter Ordnung“. Sie gehen davon aus, dass Menschen Landtagswahlen als weniger wichtig wahrnehmen als nationale Wahlen.
Anders als erwartet lag die Wahlbeteiligung bei der Hamburg-Wahl mit 68 Prozent über den 63 Prozent der vergangenen Wahl 2020. Expert:innen hatten vorher vermutet, dass die zeitliche Nähe zur Bundestagswahl dazu führen könnte, dass weniger Menschen wählen gehen als sonst.
Wie bei allen Wahlen war die Wahlbeteiligung auch bei der Bürgerschaftswahl aber von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich. Am meisten wählen gingen die Menschen in Groß Flottbek in Altona (83,3 Prozent), und in Lemsahl–Mellingstedt (83,1 Prozent) und Woldorf-Ohlstedt (82,9 Prozent), die beide ganz im Norden an der Grenze zu Schleswig-Holstein liegen. Am niedrigsten war die Wahlbeteiligung in Jenfeld (46,7) und Billstedt (47,9) ganz im Osten, und dem hafennahen Industriegebiet Billbrook-Rothenburgsort (47,1).
Wenn man die Hamburg-Karte mit den Zahlen zur Wahlbeteiligung neben eine mit dem durchschnittlichen Jahreseinkommen in den Stadtvierteln legt, wird klar: Die sehen sich ähnlich. Die drei Stadtviertel mit der niedrigsten Wahlbeteiligung gehören zu denen mit den geringsten mittleren Einkommen, nämlich weniger als rund 32.000 Euro im Jahr. Und die drei Stadtteile, in denen die meisten Menschen wählen gegangen sind, gehören zu denen mit den höchsten mittleren Einkommen, von mehr als rund 89.000 Euro im Jahr.
Kein Wunder, denn die Forschung zeigt: Reiche gehen tendenziell mehr wählen, sogenannte Hocheinkommensgruppen zu weit über 90 Prozent. Ganz im Gegensatz zu ärmeren Bevölkerungsgruppen. Expert:innen wie Kai-Uwe Schnapp vermuten, dass ärmere Gruppen das Gefühl haben, dass die Politik sich nicht für ihre Probleme interessiert – und dass vielen schlicht die Energie und die Zeit fehlt, um wählen zu gehen.
Neuallermöhe fällt da nicht aus dem Rahmen: Es gehört zu den Stadtvierteln mit den geringsten mittleren Einkommen in Hamburg. Bei der Bürgerschaftswahl ist die AfD dort zwar nur zweitstärkste Kraft nach der SPD geworden, trotzdem ist Neuallermöhe der Stadtteil, in dem die extremen Rechten auch bei der Bürgerschaftswahl die meisten Stimmen holten. Sie kamen auf rund 22 Prozent. Am schwächsten war die AfD im linksgeprägten Kiez Sternschanze.
Vergleicht man die Wahlbeteiligung in Neuallermöhe bei der Bundestagswahl (73,9 Prozent) mit der Bürgerschaftswahl in Neuallermöhe (51,7), fällt auf, dass sich das Verhältnis zur stadtweiten Wahlbeteiligung verändert hat. Zwar lag die Wahlbeteiligung bei beiden Wahlen unter dem Hamburger Mittel (rund 80 Prozent bei der Bundestags- und rund 68 Prozent bei der Bürgerschaftswahl). Bei der Bundestagswahl waren die Neuallermöher:innen aber relativ gesehen weniger weit vom Hamburger Durchschnitt entfernt als bei der Bürgerschaftswahl.
Ob sich damit das schwächere AfD-Ergebnis erklären lässt, ist aber fraglich, sagt Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp. Normalerweise nütze eine geringe Beteiligung eher der AfD. „Die Wahlbeteiligung lag bei der Hamburg-Wahl zwar unter der Bundestagswahl, war aber eben für eine Landtagswahl nicht gering und höher als das letzte Mal“.
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