App gegen Mietwucher: Die Linke findet fast 50.000 Fälle von überhöhter Miete
Die Ergebnisse aus der „Mietwucherapp“ der Linken fallen drastischer aus, als die Partei es selbst erwartet habe. Berlin sticht heraus.
Laut Wirtschaftsstrafgesetz kann es eine Ordnungswidrigkeit sein, wenn Mieten für Wohnräume um mehr als 20 Prozent über üblichen Vergleichswerten liegen und der Vermieter es ausnutzt, dass es kaum Angebote auf dem Markt gibt. Bei um mehr als 50 Prozent überhöhten Werten kann es sich laut Rechtssprechung unter bestimmten Bedingungen um eine Straftat handeln.
Tausende Fälle allein in Berlin
Allein in Berlin verzeichnete die sogenannte Mietwucherapp der Linken knapp 32.000 Nutzer und gut 22.700 Mal zu hohe Mieten, davon in rund 13.500 Fällen um mehr als 50 Prozent. Die App wird auch in Hamburg, Leipzig, Freiburg, München, Dortmund, Erfurt und Hannover angeboten. Überall fanden Nutzer überhöhte Mieten, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
In Hamburg trugen gut 13.000 Menschen freiwillig ihre Daten ein; sie stellten nach Angaben der Linken im Schnitt um 39 Prozent zu hohe Mieten fest. In München gingen nur knapp 6.400 Meldungen bei der App ein. Diese kamen im Schnitt auf eine um 63 Prozent zu hohe Miete.
Wohnen als Wahlkampfthema
Die Linke hat bezahlbares Wohnen als zentrales Thema für den Bundestagswahlkampf gewählt. Ihre Mietexpertin Caren Lay sagte, die Zahlen aus der App seien drastischer als erwartet. „Das hat ein Ausmaß, das ich nicht für möglich gehalten hätte.“ Zu hohe Mieten treffen nach ihren Worten nicht nur Privatleute, sondern auch die Kommunen, die für Bürgergeldempfänger Wohnkosten tragen.
Allerdings gebe es ein Durchsetzungsproblem, sagte Lay. Bei Mietwucher seien die Kommunen am Zuge, Bußgelder zu verhängen. Von den rund 68.000 Nutzern der App haben nach Angaben der Linken etwa 2.400 ihren Verdacht von Mietwucher an ihre zuständigen Wohnungsämter verschickt. Bei diesen Fällen lag die Miete den Angaben zufolge um 67 Prozent über dem Mietspiegel.
Was Mieter*innen tun können
Während viele Menschen ihre Miete zu hoch finden, trauen sich die wenigsten, sich individuell bei ihrem Vermieter zu wehren. Wer das Formular auf der Website der Linken ausfülle und ans zuständige Wohnungsamt schicke, brauche sich davor nicht zu fürchten, heißt es auf der Seite der Partei.
„Im Gegensatz zu einer Auseinandersetzung zur Absenkung deiner Miete mit der Mietpreisbremse oder der Abwehr einer Mieterhöhung musst Du Deinen Vermieter nicht kontaktieren und gehst auch nicht selbst rechtlich gegen ihn vor“, versprechen die Linken. Das übernehme das Wohnungsamt und vertrete dabei öffentliche Interessen, es handele rechtlich nicht im Namen einzelner Mieter*innen.
Direktkandidat Meiser fordert mehr Personal für die Ämter
Damit die Beschwerden tatsächlich bearbeitet werden, was bisher in den wenigsten Städten der Fall ist, brauche es „mehr Personal in den Wohnungsämtern und eine Vereinfachung des Mietwucher-Paragrafen im Wirtschaftsstrafrecht“, fordert Pascal Meiser, Direktkandidat der Linken für die Bundestagswahl im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg.
„Noch besser wäre allerdings eine echte Mietendeckel-Regelung durch den Bund. Damit könnten die maximal zulässigen Miethöhen klar festgelegt werden“, sagt er der taz. Wer wie die Grünen oder die SPD glaube, ohne Mietendeckel auszukommen, der verkenne die Tragweite des Problems, so Meiser. Die Ergebnisse der App gegen Mietwucher zeigen für ihn einmal mehr, dass es „dringend notwendig ist, die Mieterinnen und Mieter wirksam vor den Wildwest-Methoden auf dem Wohnungsmarkt zu schützen.“
Die Linke hatte schon einmal im Wahlkampf auf dieses Thema gesetzt, als sie sich 2021 in Berlin für die Enteignung des Wohnungsgiganten „Deutsche Wohnen“ starkgemacht hat. Einem entsprechenden Volksentscheid hatten damals 59,1 Prozent der Wahlberechtigten zugestimmt. Doch nachdem die Berliner Linke dann eine Koalition mit der SPD unter Franziska Giffey sowie den Grünen eingegangen war, wurde die rechtsverbindliche Entscheidung der Berliner*innen nicht umgesetzt, ebenso wenig unter der aktuellen schwarz-roten Regierung. (mit dpa)
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