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Jetzt kommen die ErneuerbarenDie Ära Atomkraft ist endlich vorbei

Deutschland sagt endgültig Tschüss zur Atomkraft. Warum ein Comeback unmöglich ist – und wie die Zukunft der Energieversorgung aussieht.

So schön abgeschaltet: das AKW Isar II Foto: Michael Bihlmayer/imago

Diesmal ist es wirklich unwiederbringlich, endgültig und ganz real vorbei mit der Atomkraft in Deutschland. Nie wieder im kalten Novemberwetter Castorzüge ins Wendland blockieren müssen! Nie wieder ermüdende Diskussionen darüber, dass Atomstrom keine saubere Energie ist, nie wieder Angst haben müssen, dass ein Terrorflieger den Reaktor von Biblis ansteuert: Diese Regierung hat endlich zu Ende gebracht, was Franz Josef Strauß (CSU) in Deutschland begann. Und Westdeutschland beinahe bitter bezahlt hätte.

Am 13. Januar 1977 gab es in Bayern so viel Raureif, dass die Stromleitungen zum Block A des AKW Gundremmingen unter der Last rissen. Weil es keine Verbindung zum Stromnetz mehr gab, floss der produzierte Strom nicht mehr ab. Der Reaktor schaltete sich selbst ab. Dann aber versagte die Kette der Sicherheitssysteme: Experten taxierten den Zeitpunkt eines schweren Reaktorunglücks auf fünf vor zwölf. Wobei die Maßeinheit der fünf „Sekunden“ ist.

Ein GAU, der technisch „größte anzunehmende Unfall“: Nie wieder ist Block A ans Netz gegangen. Auch in der DDR schrammte das AKW Greifswald nur knapp an einem solchen GAU vorbei: Weite Teile Nordeuropas wären radioaktiv verseucht worden. Atomkraft war nie sicher, die aktuelle Technologie wird es auch nie sein.

Aber damit ist ja hierzulande Schluss: Willkommen im neuen Energiezeitalter! Windparks und Solarpaneele sorgen heute dafür, dass die Rohstoffkosten für unseren Strom vor Ort für Wertschöpfung sorgen ­ und nicht in einer russischen Uranmine oder einem kolumbianischen Kohlebergwerk.

Netz wird umgebaut

55 Prozent unserer Elektrizität waren 2024 erneuerbar, dank der Ampel sind viele neue Projekte in der Pipeline. Deshalb wird das Netz umgebaut: Nicht mehr aus einem großen (Atom-)Kraftwerk muss der Strom abgeleitet werden, sondern aus vielen kleinen dezentralen hin zu den Großverbrauchern. Solange Kohle- und Atomstrom das Netz verstopfte, kam der Umbau nicht voran.

Leider gibt es ein paar Ewiggestrige, die das boykottieren. Die Union möchte nach der Wahl die Atomkraftwerke wieder anschalten. Die Idee zeigt, dass die Konservativen die Technologie nicht verstanden haben: Für einen Weiterbetrieb bräuchte es Brennstäbe, oder eine Firma, die solche bestellt.

Brennstäbe gibt es nicht von der Stange, die müssen für jedes AKW passgenau angefertigt werden, was oft mindestens anderthalb Jahre dauert. Die ehemaligen Atomkonzerne winken alle ab, PreussenElektra verweist darauf, dass im ersten Rückbaujahr „sehr viel geschehen“ sei.

Gemeint ist das AKW Isar 2 in Niederbayern, das als eines der letzten im April 2023 vom Netz getrennt wurde. Das, was die Union weiterbetreiben möchte, gibt es schon gar nicht mehr.

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26 Kommentare

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  • > dass die Rohstoffkosten für unseren Strom vor Ort für Wertschöpfung sorgen ­ und nicht in einer russischen Uranmiene



    Für die Gewinnabschöpfung mag das glatt stimmen. Gewonnen werden die nötigen Rohstoffe durch Kinderarbeit im Kongo oder Sklavenarbeit in China

  • Es ist immer wieder lustig zu lesen, wie die Atomfreunde versuchen ihre vermeintlich strahlende Zukunft an die real existierende Gegenwart anzupassen. Was da nicht schon alles an Pseudo -Argumenten gebracht wurde um ihre Grundprobleme zu verschleiern. Atomkraft rechnet sich nicht, ist extrem anfällig für externe Störungen, nicht vernünftig regelbar und hinterlässt lauter ungelöste Entsorgungsprobleme. Wenn man die dafür aufgewendete Energie direkt in nachhaltige Technik gesteckt hätte, bräuchten wir uns heute über temporäre Speicher- und Übertragungslücken schon längst keine Gedanken mehr machen.

  • Im Gegensatz zu Biblis slnd Weltweit viele Anlagen besser vor Flugzeugabstürzen geschützt , sprich sie halten Abstürze von Großraumflugzeugen stand wie unsere Anlagen welche blch nach 2011 liefen wie unsere Anlagen vom Typ SWR-72, Vor-Konvoi und Konvoi. Brennstäbe kann man auch ohne Russland beschaffen. Langfristig bei neuen Anlagen beispielsweise in einer Kombination von Mischoxid geeigneten Leichtwasserreaktoren wie der AP-1000 oder der EPR erster Generation mit schnellen Brutreaktoren wo neben den in Russland laufenden Transmutationsgeeigneten BN-800 mit dem PFBR aus Indien in nächster Zeit eine außerrussische Alternative ans Netz geht welche auch mit den alternativen Brennstoffen Uran-Plutonium-Mischoxid und Thoriumhaltige Brennstoffen betrieben werden kann. CASTOR-Behälter haben eine Materialstärke von 450mm und sie sind gegen den Absturz eines Flugzeuges überprüft worden wobei es bei der GNS dem Hersteller ein Eindrucksvolles Video gibt. Somit muss man auch davor keine reale Angst haben. Der Atomausstieg ist und bleibt sehr wackelig begründet worauf man bei mehr als 1200 Zeilen technisch sehr gut eingehen könnte.

  • Warten wir mal ab! Welche Länder in Wohlstand leben werden hängt in den nächsten Jahren von der Verfügbarkeit von KI ab. Dazu muss die Verfügbarkeit von zuverlässiger Energie um ein vielfaches gesteigert werden. SMR, Transmutation und Fusionsreaktoren werden die Zukunft in Deutschland mitbestimmen. Im Zweifel über Leitungen aus Frankreich oder Polen.

  • Gute Nachricht von Nick Reimer:



    "Union-Fantasien" im Eimer;



    Und wie die Prognosen waren:



    Schubkraft den Erneuerbaren.



    /



    taz.de/Die-Wahrhei...bb_message_4510201



    /



    Die guten Nachrichten gibt's doch noch 😊

  • Bin ganz klar gegen Kernenergie.



    Ob es jedoch Grund zur Freude gibt hier die Teile abzuschalten und dafür Strom teuer (aus dem Ausland) einzukaufen und im Gegensatz auch Übermengen ans Ausland zu verschenken?



    Eigentlich läuft es bei allen Themen gleich, in diesem Lande. Man murkst sich irgendwie in Kleinstetappen durch, anstatt mal Probleme ganzheitlich anzupacken, mit Geld know-how und entsprechendem Wille einer konsequenten Veränderung. Z.B. Vorgabe: Jedes Kernkraftwerk darf erst abgeschaltet werden wenn ein stabiler 100% Ersatz geschaffen wurde, also Solar/Wind Kapazität inkl. Stromspeicher.

  • Selbstverständlich ist nichts vorbei. Zum einen haben wir noch den Atommüll anne Hacken. Zum anderen wird im Emsland weiterhin russisches Uran verarbeitet und es gibt wiederholt Bestrebungen den Betrieb an russische Eigner zu verkaufen bzw. Teilhaberschaft zuzulassen. Die Atomnachfolgekosten müssen vollumfassend im Strompreis transparent aufgeschlüsselt werden. Den Bürgern muss stetig verdeutlicht werden, welche Ewigkeitskosten sie tragen.

  • "unmöglich" ist falsch.



    Langwierig, teuer, rückwärtsgerichtet mag alles sein aber unmöglich ist es nicht.

  • Was machen wir in Fragen der Kernenergie überlegenen Deutschen bloß mit den ewiggestrigen Nichtdeutschen, aller wirtschaftlich relevanten europäischen Nachbarn? Wie gehen wir mit den ewig gestrigen KlimaaktivistInnen außerhalb Deutschlands um, die praktisch einhellig der Lüge aufsitzen, dass Kernenergie sauber sei und im Kampf gegen den Klimawandel ein unverzichtbares Element sei? Es bleibt also noch viel Arbeit für den deutschen AKW Widerstand. Man könnte sagen, global betrachtet befinden wir uns erst am Anfang im Kampf gegen Windmühlen, ähem gegen Atomkraftwerke.

  • Etwas blauäugig, das zu feiern, vor allem unter Sicherheitsaspekten. Um uns herum gibt es dutzende Atomkraftwerke und es werden neue hinzukommen. Bei einem GAU ist eben ganz Mitteleuropa verseucht, egal ob der in Deutschland, Belgien oder Frankreich stattfindet.

    Die Welt hat gelernt, sich in energiepolitischen Fragen nicht an Deutschland zu orientieren.

  • Im Gegensatz zu Frankreich, Schweden, Schweiz kommt Deutschland mit den Erneuerbaren seinem Bedarf nicht hinterher -



    und wird es niemals kommen, außer durch massiven Wohlstandsverlust.

    Der Grund ist die Dunkelflaute. Anderswo sorgen Wasser- oder Atomstrom für eine verlässliche Grundlast.

    Für Deutschland sorgt französischer Atomstrom.



    Das ist so riskant wie eigener, nur eben teurer.

    Der deutsche Atomausstieg ist vergleichbar mit dem Brexit:



    Aus ideologischen Gründen wollte ein größerer Teil der Bevölkerung einen wesentlichen Pfeiler des eigenen Wohlstandes vernichten.

    Die Briten sind dadurch dauerhaft um 4 % ärmer geworden.



    So billig werden wir wohl nicht davon kommen.

    • @Frauke Z:

      Für die Dunkelflaute gibt es diverse Lösung - am naheliegensten sind Energiespeicher. Für diese gibt es aber aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn. Der Kapitalismus braucht Knappheit. Womit ließe sich noch Geld verdienen, wenn elektrische Energie im Überfluss (gespeichert) vorhanden ist?

      Für Atommüll und dem extrem hohen Kostenfaktor Rückbau der Kraftwerke gibt es bis dato keine Lösung ... und ohne Rücksicht auf Verluste werden die Dinger in andern Ländern weiterbetrieben und sogar neu gebaut. Nach dem Motto: Was kümmern uns die Probleme der kommenden Generationen.

    • @Frauke Z:

      Die Briten wodurch? Den Bau von Block 3 oder war es 4? Ist nun endlich angeschaltet, oder?



      Schweiz wird die Uraltmeiler dann doch auch mal abschalten. Der so billige frz Atomstrom wird demnächst teurer, bildet dann immer noch nicht die realen Kosten ab, die urgendeo im Haushlt bezahlt werden.



      Deutschland sollte die 10 Jahre Vorsprung nutzen, man ist ja dabei. Redet aber lieber über bloß nicht und zurück und allùberall Standards senken. Damit begibt man sich auf den absteigenden Ast.

    • @Frauke Z:

      Der Vorwurf "ideologisch" meint meist, dass es keine sachlichen Gründe gibt. Die gibt es hier aber, Hochrisiko und hohe Kosten (z.B. wird meist verschwiegen, dass Kosten verallgemeinert werden, weil sie der Staat übernimmt und so nicht im Strompreis enthalten sind).

    • @Frauke Z:

      Echt jetzt am Schluss waren es noch 6-8% des Stroms und an den alten Mailern soll der Wohlstand zugrunde gegangen sein?



      Klar beziehen wir Strom aus unterschiedlichen Ländern und die von uns, wenn wir mehr haben und er gerade bei uns billiger ist. So funktioniert der europäische Strommarkt nun mal. Und ggf springen Gaskraftwerke ein wenn nötig aber hier das Untergangszenario zu entwickeln ist lächerlich.

    • @Frauke Z:

      Unbelegte Behauptungen. Fragt sich wer hier ideologisch verblendet ist.

    • @Frauke Z:

      Sie sind allen Ernstes der Meinung, dass die letzten drei Atomkraftwerke, die einen Bruchteil des benötigten Stroms lieferten, "wesentlicher Bestandteil des deutschen Wohlstands" waren?

  • "und wie die Zukunft der Energieversorgung aussieht."

    Wir werden vermutlich in nicht allzu ferner Zukunft 75% unseres Stroms aus regenerativen Energien erzeugen und nutzen. Für die restlichen 25% werden wir im Winter und in windstillen Nächten in großen Mengen Atomstrom aus Frankreich importieren sowie in all den neu gebauten und noch geplanten Gaskraftwerken Gas verbrennen, welches per Tanker aus den USA angeliefert wird.



    Einen Plan für diesen Ausstieg gibt es mangels geeigneten Großspeichertechnologien nicht. Nicht einmal eine halbwegs praktikable Idee.

    Also eine nicht ganz so rosige Perspektive.

    • @Sengel:

      An kalten Wintertagen gibt es keinen Atomstrom aus Frankreich. Die brauchen den dann selbst.



      Warum werden immer wieder die gleichen falschen Geschichten erzählt?

  • Hat das schon jemand bei Union, FDP, AgD und BSW verraten, allein kommen die nicht drauf.

    • @Axel Schäfer:

      Die wissen das. Aber ihr bevorzugtes Stimmvieh nicht. Uns das soll schön so bleiben...

  • Dass die Atomära vorerst vorbei ist, darüber dürfte unter allen Verantwortlichen kein Zweifel bestehen. Das was die CDU hier von sich gibt ist schlichtweg Wahlkampfgetöse (das durchaus verfangen könnte). So wie die deutsche Politik in Zukunftsfeldern in der Vergangenheit oft gehandelt hat, traue ich uns allerdings durchaus den Neubau von Atomkraftwerken mit dem Know-how aus dem Ausland zu, damit wir bei den Erneuerbaren ja nicht Marktführer in irgendeiner Technik werden können...

  • Wenn mit dieser Wende doch nur nicht der Aufschwung so umweltschädlicher Brücke Technologien wie Braunkohle und Steinkohle verbunden wäre!



    Vergessen wir nicht: Bei einer Dunkelflaute haben wir nach wie vor grosse AKWs am Netz. Sie stehen nur nicht mehr bei uns.



    Aus CO2-Sicht ist der übereilte Ausstieg kein Grund zur Freude.

  • Leider will die Union Zurück in die Zukunft

    • @000:

      Zurück in die Zukunft wären ja noch schöne Aussichten. Die wollen vorwärts in die Vergangenheit.