Castoren in Biblis angekommen: Unter Protesten am Ziel
Der hochradioaktive Abfall wird jetzt in dem abgeschalteten Atomkraftwerk Biblis zwischengelagert. Tausende Polizisten schützten den Transport.
Der mehrere hundert Meter lange und von mehreren Diesellokomotiven gezogene Zug war am Dienstagabend im niedersächsischen Nordenham gestartet. Dort waren die Castoren zuvor von einem Schiff auf die Waggons verladen worden. Seit dem Start des Frachters im englischen Hafen Barrow-in-Furness war der Transport damit länger als eine Woche unterwegs.
Auf einer eingleisigen Bahnstrecke fuhr der Transport von Nordenham zunächst bis Hude bei Oldenburg und bog dann nach Südosten ab. Über Bremen, Hannover und Göttingen ging es weiter nach Hessen. An vielen Orten entlang der Route demonstrierten Atomkraftgegner gegen den Transport. Mahnwachen und Kundgebungen gab es nach Angaben des Protestbündnisses „Castor stoppen“ unter anderem in Oldenburg, Bremen, Hannover, Göttingen sowie im hessischen Groß Gerau.
Im Bahnhof Hannover-Linden protestierten Aktivisten während der Durchfahrt des Zuges mit Fahnen und Transparenten auf dem Bahnsteig, auf dem Bahnhofsvorplatz in Göttingen demonstrierte die örtliche Anti-Atom-Initiative in der Nacht mit einer Feuertonne und einem gelben Blechfass, auf das ein Radioaktivitätszeichen aufgemalt war. In Biblis besetzten Atomgegner am Mittwochmorgen das Gleis zum Zwischenlager, am Bahnhof begann zeitgleich eine Demonstration.
Transport in Coronazeiten
Bürgerinitiativen und Umweltgruppen kritisierten den Transport erneut als gefährlich und unnötig, solange es in Deutschland noch kein Endlager gibt. Zusätzliche Risiken bestünden für die Bevölkerung und die Polizei durch die aktuelle Corona-Pandemie.
So bemängelte der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), dass wieder einmal „hochgefährlicher Atommüll von A nach B transportiert“ werde. „Ein Endlager für Atommüll ist weit und breit nicht in Sicht, dennoch wird auch noch weiterhin Atommüll in Atomkraftwerken und Uranfabriken produziert“, so BBU-Vorstandsmitglied Udo Buchholz. „Demonstrationen gegen Atommüllverschiebereien sind und bleiben zwingend notwendig.“
Robin Wood nannte den Transport eine „planlose Atommüll-Verschieberei“, die das Atommüll-Problem nicht löse, aber Umwelt und Bevölkerung einem beträchtlichen Risiko aussetze. Die niedersächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Miriam Staudte bezeichnete es als „unverantwortlich, dass der Bund diesen Castor-Transport trotz erhöhtem Corona-Risiko durchdrückt“. Das Gebot der Stunde sei es, unnötige Menschenansammlungen zu vermeiden. „Der Transport hätte ins nächste Jahr verschoben werden müssen, wenn auch Proteste und der Einsatz der Polizei wieder ohne gesundheitliches Risiko möglich sind“, sagte Staudte.
Auch die Polizeigewerkschaft GdP und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatten sich mit Blick auf die Corona-Pandemie gegen den Castor-Transport zum jetzigen Zeitpunkt gewandt. Die Polizei zog am Mittwoch gleichwohl eine positive Bilanz ihres Einsatzes. „Es gab keine Störungen während der Schiffsankunft, der Verladephase und während des Transportes“, sagte Gesamteinsatzleiter Andreas Sagehorn in Oldenburg. Ein polizeilicher Einsatz in dieser Größenordnung unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie sei eine ganz besondere Herausforderung gewesen. Die Polizei hatte mehrere tausend Beamte zum Schutz des Castortransportes aufgeboten.
Der ursprünglich bereits für Anfang April geplante Transport war am 12. März durch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zunächst abgesagt worden. Der Einsatz von alleine 6000 zum Schutz des Transportes eingesetzten Bundespolizisten sei wegen der Ausbreitung des Coronavirus nicht zu verantworten, hatte Seehofer erklärt.
Nach Sellafield sowie in die französische Wiederaufarbeitungsfabrik La Hague wurden bis 2005 abgebrannte Spaltelemente aus deutschen Atomkraftwerken gebracht. Die Bundesrepublik ist grundsätzlich zur Rücknahme des in den Fabriken verpflichtet.
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