: Die reichen Unionschefs machen Politik für Reiche
Friedrich Merz und Markus Söder gehören zu den wohlhabendsten Politikern der Republik. Und was für ein Zufall: Ihre Politik nützt besonders den Reichen und schadet den Armen
Von Jost Maurin
Die CDU- und CSU-Chefs sind millionenschwer – und fordern eine Politik, die vor allem ihresgleichen nützt. Friedrich Merz bezeichnete sich selbst mal als „Millionär“. „Heute verdiene ich rund eine Million Euro brutto“, ergänzte er 2018 in der Bild am Sonntag. Jahrelang machte der frühere Europa- und Bundestagsabgeordnete seine politischen Kontakte zu Geld: zum Beispiel als Partner einer Wirtschaftskanzlei sowie als Aufsichtsrats-, Verwaltungsrats- oder Beiratsmitglied in Konzernen wie dem Versicherer DBV-Winterthur, der Commerzbank, dem Chemiekonzern BASF, dem Eisenbahnhersteller Stadler Rail und dem US-Investmentfondsverwalter BlackRock. Die Liste seiner Jobs, die er teils auch neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter ausübte, ist zu lang, um sie hier vollständig wiederzugeben.
Interessenkonflikte sah Merz natürlich nicht zwischen seinen Nebenjobs und seiner Funktion als Politiker. Er war sogar so dreist, 2006 vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die vom Bundestag beschlossene Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte von Abgeordneten zu klagen. Immerhin gab er nach seiner Politikpause ab 2009 und seiner Rückkehr in den Bundestag 2021 alle bezahlten Nebentätigkeiten auf. Er hatte ja auch schon genug verdient. Beim Börsengang von Stadler 2019 wurde bekannt, dass er Aktien des Unternehmens im Wert von damals 5,7 Millionen Euro besaß. Wenn er zu Terminen eilt, muss er sich nicht um verspätete oder überfüllte Züge kümmern. Stattdessen fliegt Merz gern mit seinem zweimotorigen Kleinflugzeug vom Typ Diamond DA62. Heute kosten solche Modelle dem österreichischen Hersteller zufolge um die 1,6 Millionen Euro. Merz muss auch nicht verzweifelt nach einer bezahlbaren Mietwohnung suchen: Mehrmals wurde berichtet, dass er neben seinem Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen eine Villa am Tegernsee habe. Dass sich Merz trotz seiner Millionen 2018 als Teil der „gehobenen Mittelschicht“ bezeichnete, ist entweder Hohn – oder er weiß wirklich nicht, wie wenig durchschnittliche Menschen in Deutschland verdienen und besitzen. Auf jeden Fall zeigte diese Äußerung des CDU-Politikers, wie abgehoben er ist.
Denn 2021 hatte der Durchschnittshaushalt ein Nettovermögen – also Sach- und Finanzwerte abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten – von nur gut 316.500 Euro. So steht es im Sozialbericht 2024 der Bundeszentrale für politische Bildung. „Am unteren Ende der Vermögensverteilung gab es etwa 6 % Haushalte, die entweder kein oder ein negatives Nettovermögen aufwiesen, das bedeutet, die Verbindlichkeiten waren sogar höher als das Bruttovermögen“, so der Bericht. Die reichsten 5 Prozent der Haushalte besaßen demnach ein Nettovermögen von mindestens 1,1 Millionen Euro. Also: Merz und die Seinen gehören eindeutig zu den Reichen in Deutschland.
Das gilt auch für CSU-Chef Markus Söder. Der Franke hat sehr gut verdient als Abgeordneter, Minister und Ministerpräsident, aber vor allem hat er reich geheiratet: Seine Frau Karin Baumüller-Söder hat von ihrem Papa einen schönen Anteil an dessen Baumüller-Gruppe geerbt. Die Baumüller Nürnberg GmbH stellt elektrische Antriebs- und Automatisierungssysteme her und hat laut Konzernabschluss allein im Geschäftsjahr 2022/23 rund 12 Millionen Euro Gewinn verbucht.
Reich erben und reich heiraten: Ist es etwa das, was das Wahlprogramm der Union unter „Leistung muss sich wieder lohnen“ versteht?
Und so ein Zufall: Das Wahlprogramm von CDU und CSU nützt besonders den Reichen. Mehr als die Hälfte der 99 Milliarden Euro Steuern, auf die die Union verzichten will, schlüge sich auf den Konten des einkommensstärksten Zehntels der Bevölkerung nieder, hat Volkswirt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnet. Das oberste Prozent würde um 28 Milliarden Euro pro Jahr zulasten der Allgemeinheit reicher werden. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung dagegen würde nur um knapp 12 Milliarden Euro entlastet.
Das liegt zum Beispiel daran, dass Merz und Söder laut Wahlprogramm den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer abschaffen wollen. „Der verbliebene Solidaritätszuschlag belastet fast nur noch Hochverdiener“, sagt Bach. Diese Entlastung in Höhe von 12,5 Milliarden Euro gehe zu 93 Prozent an die reichsten 10 Prozent der Steuerzahler. Eine Vermögensteuer für Reiche dagegen lehnt die Union genauso wie FDP und AfD im Gegensatz zu SPD, Grünen, Linker und BSW ab.
Ein Grund dafür könnte sein, dass Merz’ und Söders Familien von so einer laufenden Abgabe auf sehr hohe Vermögen vermutlich selbst betroffen wären. Und sie müssten wahrscheinlich weniger zahlen, wenn die Union ihre Steuerpläne durchsetzt.
Vielleicht fehlt Merz und Söder einfach auch das Verständnis für Leute mit weniger „Erfolg“, die Vorstellungskraft, wie es diesen Menschen geht, und die Empathie für Arme. Jedenfalls führen die Unionschefs ein Leben, das weit von den Sorgen der meisten Menschen entfernt ist. Vielleicht äußern sie sich deshalb immer wieder abfällig über Bürgergeldempfänger und fordern, dass die Menschen in Deutschland wieder mehr arbeiten sollten.
Es gibt sicherlich Politiker, die reich sind und dennoch dafür kämpfen, dass die soziale Ungleichheit abnimmt. Aber genau das tun Merz und Söder eben nicht.
Und was sagen die beiden Unionspolitiker zu dem Vorwurf, sie könnten die Sorgen von Menschen mit mittleren und niedrigem Einkommen nicht verstehen, auch weil sie selbst so wohlhabend seien? Diese Frage der taz ließen Merz und Söder bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Dann müssen die Wähler sie wohl selbst beantworten.
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