Studie zu Umweltmaßnahmen: Klima-Gesetze meist ineffektiv
Nur 12 Prozent der weltweiten Maßnahmen sparen Emissionen, so eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Doch es gibt Erfolge.
BERLIN taz | Die Zahl der Todesfälle durch Hitze in Europa könnte sich durch die Klimaerhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts verdreifachen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der „Gemeinsamen Forschungsstelle“ der EU, die in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet erschienen ist. Wenn die globale Temperatur um durchschnittlich 3 Grad über das vorindustrielle Niveau steigt, könnten demnach jedes Jahr zusätzlich 129.000 Menschen durch Hitze in Europa sterben.
Klimaschutz könnte also Leben retten. Ob Politik, die zum Zwecke des Klimaschutzes gemacht wird, auch tatsächlich wirkt, das hat ein Team des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK in Zusammenarbeit mit der OECD, der Universität Oxford und weiteren Spezialisten untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd: Von 1.500 untersuchten Gesetzen, Verordnungen oder anderen politischen Steuerungsinstrumenten führten lediglich 189 tatsächlich zu rückläufigen Emissionen.
„Wir haben untersucht, welche politische Aktionen messbare Reduktionen zur Folge hatten – und welche nicht“, sagt Studien-Co-Autor Moritz Schwarz der taz. Demnach hatte etwa die 2009 eingeführte Abwrackprämie in Deutschland keinerlei Einfluss auf die Emissionen aus dem Straßenverkehr. Damals hatte die Große Koalition aus Union und SPD 5 Milliarden Euro bereitgestellt, um alte Autos zu verschrotten und neue zu kaufen – was einerseits die Wirtschaft ankurbeln sollte, andererseits den Benzinverbrauch und damit Treibhausgase verringern.
Auch die milliardenteure Förderung von E-Autos hatte laut der Untersuchung keinen Rückgang der Emissionen zur Folge. „Die Einführung der LKW-Maut 2005 dagegen schon: Sie senkte die Verkehrsemissionen um 11,7 Prozent“, sagt Forscher Schwarz. Auch die Ökosteuerreform 1999 sei ein wirksames Klimaschutz-Instrument gewesen: „Dadurch gingen die Treibhausgase in Deutschland um 7,6 Prozent runter.“
CO2-Mindestpreis – aber richtig
Politikmaßnahmen aus 41 Ländern untersuchten die Forscher, neben Industriestaaten auch in Ländern wie Brasilien, Saudi-Arabien, Peru oder Indonesien. Gibt es Länder, die richtig gut abschneiden? „Es gibt Politikfelder, die herausstechen“, sagt Schwarz. Etwa habe Großbritannien 2013 einen CO2-Mindestpreis eingeführt und fossile Brennstoffe im Stromsektor verteuert. „Das hat die Kohle aus dem Markt gedrängt und den britischen Stromsektor dekarbonisiert.“ Oder neue Verbrauchsnormen in den USA: 2007 hatte die Regierung beschlossen, dass Neuwagen nur noch eine deutlich geringere Mengen an Benzin verbrauchen dürfen, was den Verkehr der USA um 8 Prozent klimafreundlicher machte. Auch in China fanden die Forscher wirksame Klimapolitik: „Dort haben neue Technologiestandards dafür gesorgt, dass die Industrie klimafreundlicher wurde“, sagt Schwarz. Das habe zwar nicht dafür gesorgt, dass die chinesischen Emissionen insgesamt zurückgegangen sind, „sie sind aber weniger stark angestiegen“.
Leitautor Nicolas Koch vom PIK urteilt: „Unsere Ergebnisse verdeutlichen: Viel hilft nicht automatisch viel, es kommt vielmehr auf den richtigen Mix der Maßnahmen an.“ Sein Co-Autor Schwarz nennt das Beispiel Strommarkt in Großbritannien: „Der CO2-Preis allein hätte wohl kaum zur Dekarbonisierung geführt.“ Mittlerweile gibt es auch in Deutschland einen solchen Preis für Kohlendioxid, trotzdem kamen im ersten Halbjahr dieses Jahres noch 23 Prozent des deutschen Stroms aus Kohle. „Erst die zusätzliche Verteuerung fossiler Brennstoffe führte in Großbritannien zu Klimaschutz“, sagt der Forscher. Er rät der Bundesregierung, dem Beispiel zu folgen – falls es Deutschland ernst meint mit dem Klimaschutz. „Klar ist, dass dafür die Dekarbonisierung des Stromsektors entscheidend ist, weil viele andere Bereiche ihren Energiebezug auf Strom umstellen werden.“
1.500 Politikmaßnahmen, von denen lediglich 189 die Emissionen tatsächlich gesenkt haben – ein ernüchterndes Ergebnis? „Natürlich hätten wir uns mehr gewünscht“, sagt Moritz Schwarz. Die Forscher:innen würden aber nicht urteilen, dass 1.311 Maßnahmen keinen Erfolg gehabt hätten. „Wir sagen: Bei 189 Maßnahmen konnten wir eine direkte Reduktion feststellen.“ Faktoren wie Wirtschaftswachstum oder Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt die Studie, als Bilanzzeitraum wurde die Politik der Jahre 1998 bis 2022 betrachtet. In den 1.500 politischen Maßnahmen sind beispielsweise energetische Bauvorschriften, Kaufprämien für klimafreundliche Produkte oder die Einführung von Grenzwerten enthalten.
„Klimaschutz kann nur gelingen, wenn die Politik die Bevölkerung mitnimmt“, sagt Moritz Schwarz. Natürlich müssten soziale Härtefälle durch eine sinnvolle Förderpolitik flankiert werden, beispielsweise beim Austausch von fossilen Heizungen. Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK erklärt: „Wir gewinnen aus unseren Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen sich gut ergänzen.“ Es wäre zu wünschen, dass die Politiker sich von den Forschenden diese Erkenntnisse mal erläutern lassen würden.
Leser*innenkommentare
nutzer
das geht schon in die richtige Richtung, leider wird die Ersparnis anderswo wieder ausgeglichen, die Fördermenge von Öl und Gas sinken nicht, sondern steigen an.
In der Gesamtschau sind die Emissionen nur anderswo entstanden, leider nicht eingespart worden.
Es braucht noch andere Hebel, um das zu ändern.
Jörg Schubert
@nutzer Es liegt doch auf der Hand: China, Indien und viele akfrikanische Länder befinden sich in einer riesigen Aufholjagd bezüglich Wohlstand. Sebstverständlich führt das jetzt noch zu mehr Verbrauch.
Wir können sehr froh sein, dass das Kohle- und Ölzeitalter dabei teilweise übersprungen wird.
China bremst den Neubau von Kohlekraft schon deutlich. In Indien verbreiten sich batteriebetrieben Zweiräder.
Und in den meisten Teilen Afrikas wäre es der helle Wahnsinn, auf die Nutzung von Solarstrom zu verzichten. Ein afrikanisches Land hat bereits die Zulassung von neuen Verbrennerfahrzeugen verboten. Aus einem einfachen Grund: Man hat dort kein eigenes Öl und will es nicht teuer beschaffen.
Jörg Schubert
@Jörg Schubert Was ich damit sagen will: Es gibt Hoffung, das "woanders" doch nicht so viel verbraucht wird, wie zu befürchten wäre.
Man stelle sich eine Welt vor, in der 8 Milliarden Menschen so wirtschaften, wie wir es 1960 getan haben. Da müssen wir gar nicht über Klima reden: Die Welt wäre schwarz vor Ruß!
nutzer
@Jörg Schubert Ihre Antwort passt irgendwie nicht.
in der Gesamtbilanz steigt der Ölverbrauch, nach wie vor. Nun kann man argumentieren, ohne die Einsparungen hierzulande wären die Emissionen noch höher, mag sein, nur leider ist das kein Trost. Es wird jährlich mehr CO2 aus fossilen Quellen in die Atmosphäre entlassen, als zuvor.
Die Einsparungen bei uns haben anscheinend nicht den Effekt, den sie haben sollen.
Es braucht noch andere Massnahmen!
Janix
Zahlen und Fakten sind Freunde.
Sie lassen einen Windbeutel-"Umweltschutz" wie von der FDP, Union, FW zerplatzen und geben Hinweise, wo man mit Energie anpacken kann.
Beschleunigen wir zielgerichtet.