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Messerattacke in MannheimAngriff auf Anti-Islam-Aktivisten

Ein Mann greift eine Kundgebung des Rechtsextremisten Michael Stürzenberger auf dem Marktplatz in Mannheim an. Er verletzt dabei mehrere Personen.

Krankenwagen und Polizeiautos auf dem Marktplatz von Mannheim nach der Tat Foto: Rene Priebe, dpa

Mannheim/Berlin taz | Am Freitag ist es bei einer Kundgebung des bayrischen Rechtsextremisten und Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger in Mannheim zu einem schweren Messerangriff gekommen. Auf einem Video aus einem Livestream sieht man, wie ein Mann mit einem Messer auf eine Person einsticht – auch, als diese schon zu Boden gestürzt ist. Als weitere Personen und ein Polizist dazwischengehen, sticht der Angreifer auch auf den Beamten und weitere Personen ein. Anschließend wird der Täter von anderen Polizisten niedergeschossen und verletzt.

Die Polizei sprach zunächst nur von einem größeren Einsatz auf dem Marktplatz. Eine Sprecherin bestätigte der taz, dass es mehrere Verletzte gab, ein Rettungshubschrauber sei im Einsatz. Die Gruppe von Stürzenberger, „Pax Europa“, erklärte, dass Stürzenberger selbst und weitere Helfer niedergestochen worden seien. Es sei zu „schwersten Verletzungen“ gekommen. Am Nachmittag berichtete die dpa unter Verweis auf Sicherheitskreise, dass ein niedergestochener Polizeibeamter in Lebensgefahr schwebe.

Stürzenberger tritt seit vielen Jahren öffentlich mit islamfeindlichen Thesen auf und reist mit seiner „Bürgerbewegung Pax Europa“ durchs Land. Er gehörte auch zu den Mitorganisatoren des Münchner Pegida-Ablegers. Mit seinen Kundgebungen will er angeblich über den „politischen Islam“ aufklären. Nach eigener Auskunft hat seine Gruppe seit 2018 bundesweit rund 130 Kundgebungen abgehalten – zuletzt etwa in Dresden, Leipzig oder Wuppertal. Immer wieder kam es zu Gegenprotesten.

Mögliches islamistisches Motiv

Der bayrische Verfassungsschutz attestiert Stürzenberger eine „verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ und beobachtet auch „Pax Europa“. Das Amt wirft ihnen vor, eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime anzustreben. Muslime seien für sie „Menschen zweiter Klasse“. Stürzenberger ist auch auf Social Media sehr aktiv und Autor der rechtsextremen Webseite „PI News“.

Über den Angreifer war zunächst nichts bekannt. AfD-Politiker*innen wie Beatrix von Storch machten umgehend Islamisten verantwortlich, die „gestoppt“ werden müssten.

Zurückhaltender äußerte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): „Die Ermittlungen werden die Hintergründe dieser Tat aufklären, insbesondere den Hintergrund und die Motive des Täters“, sagte sie. „Wenn die Ermittlungen ein islamistisches Motiv ergeben, dann wäre das eine erneute Bestätigung der großen Gefahr durch islamistische Gewalttaten, vor der wir gewarnt haben.“

In einer Botschaft auf der Plattform X äußerte sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD). „Meine Gedanken sind bei den Opfern. Gewalt ist absolut inakzeptabel in unserer Demokratie. Der Täter muss streng bestraft werden“, schrieb er.

Die Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, verurteilte die Tat ebenfalls, verwies aber auch auf Stürzenbergers Hintergrund. „Unsere Demokratie lebt von Rede und Gegenrede. Stürzenberger ist ein bekannter ‚Islamkritiker‘, der durchaus Abwertendes und Hasserfülltes zum Islam kundtut. Die Antwort auf Hass darf nicht noch größerer Hass sein. Und schon gar nicht Gewaltanwendung“, schrieb sie auf der Plattform Bluesky.

In der Vergangenheit hatten Islamisten immer wieder gegen Personen agitiert, die etwa Koranverbrennung verübten. In Deutschland wurden 2013 in Nordrhein-Westfalen vier Islamisten festgenommen, die einen Anschlag auf den Rechtsextremen Markus Beisicht geplant haben sollen. Sie wurden später zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

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28 Kommentare

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  • Gideon , Moderator*in

    Wir haben die Kommentarfunktion zu diesem Artikel geschlossen. Vielen Dank für die zahlreichen Beiträge.

  • @PUKY

    Das wird wohl auch so sein -- als Rechtfertigung dafür wird er aber an keiner Stelle genannt.

  • Bleibt zu hoffen, dass alle das Attentat überleben und keine Schäden zurückbleiben. Ansonsten sind Fragen zu beantworten. Auch die, warum die Polizei zuerst die Security angreift. Wenn Polizei dafür abgestellt wurde, wäre es doch normal, dass man sich vorher mal unterhält und vorstellt.

    • @Ernie:

      Ich habe Stürzenberger des öfteren live erlitten. Seine "Security" ist nicht von der Sorte mit der man sich gerne unterhält oder vorstellt.

  • Genau, selbst wenn das Opfer vorher hetzte, rechtfertigt das kein Messer oder auch nur physische Gewalt. Für die Verfolgung von so etwas haben wir rechtsstaatliche Institutionen.



    Auch ohne Sympathie Genesungswünsche.

  • Ob Michael Stürzenberger nun rechts oder sonstwss ist, spielte bei dem islamistischen Mordanschlag auf ihn und weitere Personen keine entscheidende Rolle. Tatsache ist, dass derjenige, der Islam, Mohammed und Koran öffentlich kritisiert, in konkrete Lebensgefahr gerät. Dies ist eine Besonderheit, die es nur im Bereich der Islamkritik gibt. Siehe auch Salman Rushdie, Charlie Hebdo, Theo van Gogh, Prof. Korchide u.v.m.

    • @Klaus Kuckuck:

      "nur" ist bekanntlich fast immer falsch.



      Denken Sie kurz an ausländische Geheimdienste im Berliner Tiergarten, an die NSU, an Lübcke, denken Sie an die Bomben in Kinos, die die "Letzte Versuchung Christi" wagten zu zeigen.

      Einigen wir uns doch eher auf einen universalen Ansatz, wo Religion wie Nicht-Religion wie Meinung innerhalb der Strafgesetze frei sind und diese Freiheit auch staatlich jeweils gestützt wird.



      Man kann immer auch beides: Gewalttäter verurteilen und bestrafen und Hetzer ebenso.

  • @FLY

    Ich weiss nicht, woran Sie das "victim blaming" festmachen. Etwa am Zitat von Lamya Kaddor "Die Antwort auf Hass darf nicht noch größerer Hass sein."?

    Natürlich ist die Tat furchtbar und falsch. Darin dürften wir uns alle einig sein.

    • @tomás zerolo:

      Der Eindruck entsteht, da im Artikel penetrant bei jeder Nennung des Opfers wiederholt wird, es handele sich hier um einen hassverbreitenden Rechtsextremisten. Wenn in einem Bericht über eine Vergewaltigung beispielsweise immer wieder das minirocktragende Opfer erwähnt werden würde, kämen Sie wahrscheinlich zu einem ähnlichen Schluss. Mir suggeriert der Artikel auch das Opfer sei ja schon irgendwie selbst Schuld.

    • @tomás zerolo:

      Natürlich ist das Zitat von Lamya Kaddor gemeint: „verwies aber auch auf Stürzenbergers Hintergrund“.



      Bedeutet nichts anderes, dass dieser „Hintergrund“ die Tat zumindest begünstigt hat.

  • Selbst wenn Stürzenbergef rechtspopulitisch und islsmkritisch ist rechtfertigt das nicht Mordversuche. Und wie dieser Angreifer zum Rechtsstaat sieht sieht man an dem Angriff auf einen Polizisten der sehr schwer sogar lebensgefährlich verletzt wurde,

  • Dasselbe was für jeden anderen in diesem Wahlkampf verletzten Politiker gilt, muß auch für diesen Politiker gelten.



    Gewalt, gar versuchter Mord hat in unserer Demokratie nichts zu suchen. Da ist es entsprechend zweitrangig, wie sehr man Aussagen nicht mag.







    Entsprechend erwarte ich Genesungswünsche von unserer Innenministerin nicht nur für den schwer verletzten Polizisten sondern ebenso für Stürzenberger.

    Auch von meiner Seite wünsche ich baldmöglichste Gesundung für alle Opfer, insbesondere für den schwerverletzten Polizisten.

    • @Werner2:

      "Mehrere AfD-Politiker wünschten Stürzenberger eine rasche Genesung."



      www.faz.net/aktuel...ngen-19755918.html

      • @Günter Picart:

        ich erwarte von denjenigen, die bei dem Anschlag auf Matthias Ecke vollkommen gerechtfertigt von einem Anschlag auf die Demokratie gesprochen haben, um Konsequenzen zu fordern, aber auch um Herrn Ecke selbst schnelle Genesung zu wünschen, diesselbe Reaktion, wenn das Opfer der politische Gegner ist. Ansonsten haben wir es nämlich mit Doppelmoral zu tun, und dies bei einem sehr wichtigen Thema, nämlich dem Erhalt unserer Demokratie.

  • Ich würde behaupten, daß Anti-Islam-Aktivist und Rechtsextemist NICHT dasselbe sind. War Theo van Gogh auch Rechstextremist? Oder die Mitarbeiter von Charlie Hebdo? Oder ist Salman Rushdie ein Rechstextemist? Ich dachte, daß scharfe Religionskritik eigentlich in das linke Spektrum gehört, oder gilt das nur für das Christentum?

    • @bvbfan:

      Nein, Religionskritik müssen alle Religionen aushalten.

      Das, was Stürzenberger, Höcke & co. machen, ist aber keine Religionskritik, genau so wenig wie Antisemitismus Religionskritik ist.

      Kritik (am Denken, am Verhalten) ist Kritik, Hetze (ad hominems) ist Hetze. Das muss man streng unterscheiden.

  • Der Bericht geht - aus politischen Gründen - schon so ein wenig in Richtung victim blaming. Das man auch Leute mit kruden Meinungen nicht körperlich angereift und niedersticht, spielt anscheinend kaum eine Rolle. Schade.

    • @fly:

      Man muss auf der TAZ schon ein bisschen suchen, bis man den Artikel überhaupt findet. Und dann geht es eigentlich mehr über den Veranstalter, der ja Islamkritiker ist, als um den Täter und die Tat.

      Erinnert mich an die Veröffentlichung der Kriminalitätsstatistik letztlich, die überall hohe Wellen geschlagen hat - außer bei der TAZ.

    • @fly:

      Ich finde die zitierte Aussage von Lamya Kaddor gut.

      Die Antwort auf Hass darf nicht Gewaltanwendung sein.

    • @fly:

      Danke, sehe ich auch so.

    • @fly:

      Victim blaming betreibt der Artikel m.E. nicht. Relativ nüchterner Bericht wie ich finde.

      • @Oliver Tiegel:

        Ein "nüchterner Bericht", der explizit den politischen Background des Opfers in der Vordergrund stellt und nur kurz darauf eingeht, dass da mehrere Menschen verletzt wurden und davon noch mindestens einer um sein Leben ringt.



        Man muss keinen Millimeter Verständnis für die Positionen Stürzenberges und seines Gleichen haben, aber diese hier so betont hervorzuheben ist tendenziös und wird der grundsätzlichen Schwere dieser Tat nicht gerecht.

  • Ein Gegner des Islams ist Michael Stürzenberger definitiv, aber als Rechtsextremist würde ich ihn nicht bezeichnen, dazu hat er immer zu deutlich auch den Nationalsozialismus verurteilt. Ich hoffe sehr dass er und alle weiteren Verletzten diesen Angriff ohne bleibende Schäden überleben!

    • @Saile:

      Dazu muss gesagt werden, dass Stürzenberger den Faschismus als "links" darstellt und sich selbst mit der Weißen Rose vergleicht, während er tatsächliche Antifaschist*innen als Nazis bezeichnet.

      Bei einer Begebenheit rief er den Gegendemonstrant*innen "Nazis raus" entgegen. Ein Mitdemonstrant Stürzenbergers zeigte darauf den Hitlergruß. Stürzenberger ist eng mit NPD und anderen rechtsextremen Strukturen verbunden. Und, Stürzenberger ist definitiv ein Feind dieser Demokratie. So vertritt er die Position muslimische Menschen sollten, wie in China in Umerziehungslagern indoktriniert werden.

    • @Saile:

      Da haben Sie womöglich ein zu verkürztes Verständnis der Rechten. Teile der Neuen Rechten wollen mit dem Nazi-Regime nicht viel am Hut haben.

    • @Saile:

      Solche sind die schlimmsten, die immer schon den Nationalsozialismus verurteilt haben, aber sich nicht daran hindern lassen, auf alle möglichen Treffen der Rechten zu gehen und dann auch noch betonen, wie gefährlich des Islam ist.

      • @Dr.Bayer Karlheinz:

        Also für mich sind "die Schlimmsten " doch eher jene, die andere Menschen attackieren oder gar töten. Wie z.B. der Angreifer in diesem Fall in Mannheim mit einem Messer, oder der Mörder von Walter Lübke, oder der Attentäter von Hanau, oder der Attentäter von Halle oder die Attentäter des NSU, oder die Attentäter auf Charlie Hebdo, oder die Mörder der aufklärerischen Lehrer in Frankreich, oder, oder, oder...