Pilotprojekt in Berliner U-Bahn: Eine saubere Verdrängung
In einem Pilotprojekt wollen die Verkehrsbetriebe in der Linie U8 für mehr Sicherheit und Sauberkeit sorgen. Es ist eine Kampagne mit Beigeschmack.
U -Bahn-Fahren in Berlin ist nicht immer schön. Wer so noch vor ein paar Wochen an einer beliebigen Neuköllner oder Kreuzberger Station der Linie U8 ausgestiegen ist, wäre dort wahrscheinlich gleich auf einen wohnungslosen Menschen gestoßen, der sich auf einer Bank eingerichtet hat. Oder auf Junkies, die sich ihren morgendlichen Schuss setzten.
Das ist eben Großstadt, mag man meinen. Doch selbst Hauptstadt-Bewohner:innen haben die U8 gemieden, wie der Fahrgastvertreter der taz erzählte.
Doch seit einem Monat glänzt die berüchtigte Drogen-Hotspot-Bahn in Berlin. Statt nach Zigarettenrauch riecht es im Untergrund nach Reinigungsmitteln. Die Bänke auf den Bahnsteigen sind verdächtig leer. Dafür gibt es mehr Bewegung – alle sind auf dem Weg von A nach B, niemand verweilt mehr hier. Die unterirdischen Gänge atmen wieder und strotzen nur so vor Sauberkeit und Sicherheit.
Denn seit einem Monat läuft ein Pilotprojekt der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Reinigungskräfte und Sicherheitspersonal sollen rund um die Uhr für mehr Sicherheit und Sauberkeit auf den U8-Stationen sorgen.
Was schon auch anerkannt wird von Kund:innen. Dass sie sich jetzt auf den Weg zur Arbeit freue, erzählt eine U8-Nutzerin der taz, da sie keine Drogenabhängigen und Spritzen mehr herumliegen sehe.
Na endlich. Ein bisschen Sauberkeit in dieser schmutzigen Hauptstadt. Und als ob das nicht schon genügend gute Nachricht wäre: Das Projekt wurde sogar mit einem sozialen Versprechen besiegelt. „Die Reinigungsstreifen sind ein Projekt für, nicht gegen Menschen“, sagt Jannes Schwentu, BVG-Pressesprecher, der taz.
Das Spiel durchschaut
„Für die Menschen“ stiegen so auch diese Woche zwei BVG-Sicherheitsbeamte an einer Station aus der Bahn. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf eine augenscheinlich wohnungslose Frau im Rollstuhl und gingen zielstrebig auf sie zu. Die Frau hatte das Spiel bereits durchschaut und flüchtete schnell in die U-Bahn. Sie hinterließ einen sicheren und sauberen Bahnhof, der aber auf einmal üblen Nachgeschmack hatte.
„Für die Menschen“? Für die, die öffentliche Verkehrsmittel als Transportmittel nutzen, vielleicht. Für die, die U-Bahnhöfe als Zufluchtsort in einer für wohnungslose Personen unsicheren Stadt nutzen, definitiv nicht.
Die U-Bahn-Stationen sind für manche eben ein Schutzraum vor Wetter und Kälte. Und sie dienen auch als zentraler Ort für Streetwork. „Die Verlagerung und Vertreibung machen unsere Arbeit extrem schwierig“, sagt so Moritz Speiser, Straßensozialarbeiter für wohnungslose Menschen in Neukölln, der taz. Die mühsame und langfristige Beziehungsarbeit, die Sozialarbeiter:innen mit diesen Menschen aufgebaut haben, wurde aber mit den „Reinigungsstreifen“ zerstört.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Der üble Beigeschmack des Pilotprojekts wird durch die neue Drogenpolitik des Berliner Senats noch verstärkt. Während die Verkehrsbetriebe 700.000 Euro für ihr Reinigungsprojekt ausgegeben haben, erwägt der Senat gerade, 900.000 Euro für die Drogen- und Suchthilfe in der Hauptstadt zu streichen. Denn in Berlin muss mal wieder gespart werden.
Natürlich kann die BVG da nichts für. Aber man fragt sich, was die Anstalt des öffentlichen Rechts mit diesem nicht ganz billigen Pilotprojekt eigentlich bezwecken will. Denn wenn die Mittel für die Sicherheitsschichten erst aufgebraucht sind, werden die Bahnhöfe schnell wieder genauso aussehen wie vor der Reinigungswelle.
Viel sinnvoller wäre es gewesen, gleich in eine nachhaltige Drogen- und Suchtprävention zu investieren. Das wäre wirklich etwas „für die Menschen“ gewesen.
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