Schweigen der Club-Szene zu Hamas-Terror: Iron Dome gegen Kritik
Nach den barbarischen Morden an mindestens 260 Raver*innen in Israel schweigen große Teile der Club-Szene. Denn die hat ein Antisemitismusproblem.
D as Gelände des Psytrance-Festivals „Supernova“ neben dem Kibbuz Re’im im Süden Israels glich einem Schlachtfeld: Mindestens 260 Raver*innen wurden dort von der Hamas ermordet. Die radikalen Islamisten stürmten in den frühen Morgenstunden am Samstag schwerbewaffnet das Areal, vergewaltigten laut Augenzeug*innen Frauen, entführten manche nach Gaza. Ihre Leichen werden dort geschändet, halbnackt durch den Küstenstreifen paradiert. Es ist pure Barbarei.
Und in der progressiven Partywelt, die sich sonst so gerne und lautstark zum Nahostkonflikt äußert, um den einzigen jüdischen Staat der Welt zu dämonisieren? Die BDS-Hashtags teilt, Tel Aviv boykottiert, Israel „Pinkwashing“ vorwirft und israelische Künstler*innen wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht buchen will? Die deutsche Technoclubs ins Visier nimmt, wenn diese als zu „proisraelisch“ empfunden werden? Ohrenbetäubendes Schweigen.
In den vergangenen Jahren haben sich Teile der Clubkultur sehr bemüht, Israelhass oben auf die Agenda der Szene zu setzen – von #DJsForPalestine bis hin zu den „Berlin Nightlife Workers Against Apartheid“. Eine Kultur, die aus emanzipatorischen Kämpfen von schwarzen und queeren Communitys geboren wurde, die aber über die Jahrzehnte immer kommerzialisierter, weißer und heteronormativer wurde. Und die deshalb eindeutig Partei für „die gute Sache“ ergreifen will, um das eigene politische Selbstverständnis zu stabilisieren.
Aus einem komplexen Konflikt wird eine einfache Erzählung: Israel wird zum Inbegriff des Bösen. Aus einem Schutzort für Jüdinnen*Juden weltweit, gegründet von Schoah-Überlebenden, wird ein „Apartheidstaat“, den es zu „dekolonialisieren“ gelte. Die Buzzwords der BDS-Bewegung finden auf der Tanzfläche Resonanz. Antisemitismusvorwürfe werden abgeschmettert: ein Iron Dome gegen Kritik. Denn sie kollidieren mit dem Selbstbild einer aufgeklärten Clubblase.
Stille – oder Unterstützung für den „Widerstand“
Von den allermeisten dieser Stimmen ist nach dem brutalen Angriff auf Zivilist*innen in Israel am Samstag kein Dezibel zu hören. Klare Worte der Solidarität, der Anteilnahme, der Verurteilung dieser abscheulichen Verbrechen passen offenbar nicht zu einem Weltbild, das Israel nur als Täter kennt – und nie als Opfer. Ganz egal, wie viele Hamas-Raketen die queere Partymetropole Tel Aviv treffen, ganz egal wie viele lebensfrohe Festivalbesucher*innen kaltblütig ermordet werden.
Einige wenige aus der Szene haben sich doch zur Situation geäußert. Und schnell wünscht man sich, sie hätten es lieber gelassen. Die dänische Techno-DJ Mama Snake, die BDS unterstützt, teilte in einer Instagram-Story einen Beitrag, der das Massaker an israelischen Zivilist*innen als „Kampf für Leben, Würde und Freiheit“, für „die Vorstellung, dass andere Welten möglich sind“, verharmlost. Dazu postet sie nicht mal die richtige Flagge, und teilt die jordanische. In einer zweiten Story, offenbar nach Kritik, verurteilt sie doch noch die Gewalt gegen Zivilist*innen.
DJs wie Juliana Huxtable und Dina fällt nichts anderes ein, als den „palästinensischen Widerstand“ mit Social-Media-Beiträgen zu unterstützen. Und in den Kommentaren unter Posts zum Festival „Supernova“ reagieren viele User*innen hämisch. Der Tenor: Die ermordeten Psytrance-Fans hätten es verdient, weil sie gewagt haben, in Israel zu feiern.
Für jüdische und israelische DJs, viele von ihnen links und keine Fans von „Bibis“ rechtsradikaler Regierung, ist das verheerend. Dr. Rubinstein schreibt auf Instagram: „Ich bin schockiert, dass Leute diese Art von Gewalt befürworten. Zeigt ein wenig Mitgefühl für Menschenleben.“ Ori Raz sagt, er habe lange zum Konflikt geschwiegen, aus Angst, dass er selbst zur Zielscheibe wird. Aber da Kolleg*innen den Terror der Hamas zelebrieren, will er Tacheles reden: „Es erinnert mich an die Geschichte einer Welt, die immer geschwiegen hat, wenn es um die Juden ging.“
Eine Clubkultur, die wirklich progressiv sein will, muss laut sein gegen jede Form von Hass. Und gegen jeden Antisemitismus.
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