Berliner Clubbetrieb: Persönlich gegen Juden
Ein Berliner Veranstaltungsort lehnte eine jüdische Partyreihe ab. Nun rudern die Verantwortlichen zurück. Nicht der erste Fall in der Szene.
„Es ist im Moment weder vernünftig noch klug, eine jüdische Karnevalsparty zu veranstalten“, antwortet der Produktionsmanager des Zenner auf Englisch in einer knappen Korrespondenz vom 7. Dezember, die E-Mails liegen der taz vor. „Ich finde es ziemlich unglaublich, dass du bei der aktuellen Lage bereit bist, einen jüdischen Karneval zu feiern. Nichts Persönliches, aber nicht im Zenner“, heißt es in einer weiteren Mail vom 12. Dezember.
„Es war ein Schock“, sagt Siny über die Absage gegenüber der taz. Als er in Tel Aviv aufwuchs, stand Purim für eine leichtere, offenere Welt. Das Fest erinnert an die Rettung der Juden in der persischen Diaspora. Es sollen laut dem Buch Esther „Tage des Trinkens und der Freude“ sein, nicht selten mit Kostümpartys. Als Siny 2011 nach Berlin zog, wollte er den Purim-Geist mitbringen. „Ich will ein anderes Bild von jüdischer Folklore zeigen, das wenig mit religiösem Judentum zu tun hat“, so der 45-Jährige. Der „Karnval de Purim“ will außerdem inklusiv sein, im Event-Team und hinter dem DJ-Pult arbeiten auch Araber*innen.
Dass das Zenner so reagiert, kann Siny nicht verstehen. Was er hinter der Absage vermutet: „Ihr dürft eure Tradition gerade nicht feiern, ihr dürft keine fröhlichen Veranstaltungen haben – auch nicht Ende März.“ Siny ist empört: „Sollen wir Juden einfach zu Hause bleiben und nichts mehr machen?“ Er leitet die E-Mails an den Geschäftsführer weiter, bekommt aber keine Rückmeldung.
Gasthaus Zenner entschuldigt sich
Nachdem die taz das Zenner mit einer Presseanfrage konfrontiert hat, schickt der Produktionsmanager am 15. Dezember eine weitere E-Mail an Siny. Er entschuldigt sich, seine Antwort sei „irreführend und äußerst unüberlegt“. Das Zenner sei „nicht gegen jüdische Veranstaltungen per se“, sondern ein Event, das „exklusiv eine Glaubensgemeinschaft repräsentiert“. „Das passt nicht zu unserem kulturellen Konzept der Inklusivität.“
Siny macht eine der ursprünglichen E-Mails vom Zenner danach öffentlich, sie geht in den sozialen Medien viral. Das Zenner reagiert darauf mit einem öffentlichen Statement, in dem es sich entschuldigt und die E-Mail des Produktionsmanagers als „antisemitisch“ bewertet. Das Zenner verspricht einen internen Aufarbeitungsprozess zur Sensibilisierung des Teams. Und bietet an, den „Karneval de Purim“ bei sich stattfinden zu lassen und den Gewinn zu spenden.
Die fehlende Sensibilität im Fall Zenner ist kein Einzelfall: Genau eine Woche zuvor, am 30. November, veröffentlicht Dima Bilyarchyk ein Statement auf seinem privaten Instagramprofil mit dem Titel „Kein Platz für Jüd*innen in queeren Spaces“. Er ist Mitglied bei Keshet Deutschland, einem queer-jüdischen Verein. Ein halbes Jahr lang organisierte er eine große Hanukkah-Party mit DJs, Deko und Drag-Queens.
Preis für die eigene Sicherheit
Doch dann kam der 7. Oktober. Und der Veranstaltungsort – der queere Südblock am Berliner Kottbusser Tor – sagte am Ende ab. Sie hätten sich „unwohl“ gefühlt, wenn Polizei vor der Tür stünde und fragten die Organisator*innen, ob sie in dieser „angespannten“ Lage wirklich eine Hanukkah-Party machen wollten, so beschreibt Bilyarchyk das Gespräch mit dem Südblock auf Instagram.
„Natürlich hatten wir die Sorge, dass etwas bei unserer Party passieren könnte“, erzählt Bilyarchyk der taz. „Und bei einer queer-jüdischen Party am Kotti ist das eine berechtigte Sorge.“ Die Hanukkah-Party trotzdem zu feiern, sei dem Verein aber wichtig gewesen: „Der 7. Oktober war das größte Massaker an Jüdinnen*Juden seit der Shoah, jede jüdische Person, die ich kenne, kennt mittelbar oder unmittelbar jemanden, der oder die ermordet wurde“, so Bilyarchyk. Hinzu komme der Judenhass auf deutschen Straßen. „Es ist unerträglich. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen.“
Der Preis dafür ist hoch: 1500 Euro kostet das Security-Team, auch Polizeischutz musste angefragt werden. Doch der Südblock zeigte laut Bilyarchyk wenig Verständnis für das Sicherheitskonzept. „Polizeischutz ist leider eine Notwendigkeit, mit der jeder Jude, jede Jüdin aufgewachsen ist. Aber nicht, weil wir uns das wünschen, sondern einfach, weil es anders nicht geht.“
Südblock wünscht weitere Zusammenarbeit
Der Südblock schildert die Situation in einem eigenen Statement anders: Dass die Party geplatzt sei, liege vor allem an Kommunikationsproblemen mit Keshet. „Die uns mitgeteilten Sicherheitsmaßnahmen griffen unseres Erachtens zu kurz“, heißt es sogar. Der Laden betont auch: „Für uns ist die Sichtbarkeit jüdischer Queers in der Szene wichtig“. Und: Sie seien nach wie vor sehr daran interessiert, mit Keshet zusammenzuarbeiten. Auf die konkreten Vorwürfe zum Polizeischutz geht der Südblock nicht ein. Eine taz-Anfrage ließ der Südblock unbeantwortet.
„Das ist fadenscheinig“, erwidert Bilyarchyk gegenüber der taz. „Wir haben regelmäßig kommuniziert, seit Monaten stand diese Party fest.“ Dass der Südblock nun selbst unzureichende Sicherheitsmaßnahmen bemängelt, kann er nicht nachvollziehen: „Die Sorge war eher, dass es zu viel Sicherheit gebe, hinzu kam eine negative Haltung zur Polizeipräsenz.“
Spontan konnte Keshet eine neue Location finden: im Sage Beach. Den Kontakt vermittelte Roy Siny, der dort als Booker arbeitet. Rund 350 Gäste kamen, der Berliner Kultursenator Joe Chialo hielt eine Rede. Für den „Karneval de Purim“ gibt es mittlerweile auch eine Ersatzlocation. Ob Roy Siny in dem aktuellen politischen Klima das Risiko – emotional sowie finanziell – eingehen möchte, eine Purim-Party zu veranstalten, wisse er jedoch nicht.
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