Claudia Roth bei Jewrovision: Eklat um die Kulturministerin

Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth wird während einer Rede beim jüdischen Song Contest ausgebuht. Das Ereignis hat eine Vorgeschichte.

Claudia Roth im Bundestag

Seit dem Documenta-Desaster angeschlagen: Claudia Roth hier auf einem Archivbild im Bundestag Foto: Annegret Hilse/dpa

FRANKFURT taz | Von einer „Ehreneinladung“ war in dem Brief die Rede. Im April lud der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Kulturstaatsministerin Claudia Roth zu einem der wichtigsten Events der jüdischen Community nach Frankfurt am Main ein: zur Jewrovision, einem Gesangs- und Tanzwettbewerb. „Für die Jugendlichen und für den Zentralrat der Juden in Deutschland wäre es eine große Ehre und Freude, wenn Sie, sehr geehrte Frau Staatsministerin, zu Beginn der Show ein Grußwort an die Teilnehmer und Gäste der Jewrovision richten könnten“, schrieb Schuster.

Roth sagte zu – nicht ahnend, dass ihr Auftritt am vergangenen Freitag in der Frankfurter Festhalle vor mehr als 2.000 überwiegend jugendlichen Gästen und Fans zum Eklat werden würde. Denn während ihrer Eröffnungsrede wird Roth ausgebuht, immer wieder gibt es Pfiffe, nur vereinzelt Applaus. „Bunt, vielfältig, stark“ nennt Roth das jüdische Leben in Deutschland. Und dann, abweichend von ihrem Manuskript und als Reaktion auf den Protest: „Das ist Demokratie. Und ich nehme diese Kritik an.“ Ein von den Misstönen offenkundig überraschter Moderator erklärt: „Wunderschöne Worte, die für viel Begeisterung sorgen, von Claudia Roth.“

Das Verhältnis zwischen der jüdischen Gemeinschaft und der Grünen-Politikerin gilt als angespannt – obwohl sich Roth immer wieder um Reparatur bemühte. Einer der Kritikpunkte: Die Staatsministerin habe zu spät und nicht energisch genug auf den Antisemitismusskandal bei der documenta fifteen 2022 in Kassel reagiert. Roth selbst gab im Rückblick zu: „Ich hätte lauter sein müssen.“ Zwar gab es schon im Mai 2022 ein Gespräch von Roth mit der Spitze des Zentralrats, auch Schuster, aber nicht alle Meinungsverschiedenheiten konnten ausgeräumt werden.

Aber nun eine Abrechnung auf offener Bühne? Ver­tre­te­r:in­nen mehrerer Organisationen wie der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und der konservativen jüdischen Nichtregierungsorganisation „Werte­ini­tiative“ verbreiteten rasch Aufnahmen der Buhrufe gegen Roth in den sozialen Medien. Anna Staroselski, Sprecherin der Werteinitiative und eine der Vizepräsidentinnen der vom früheren Grünen-Politiker Volker Beck angeführten DIG, twittert an Roths Adresse: „Mission Reinwaschen ist gescheitert.“

Offene Fragen

Das mediale Echo ist verheerend: „Die Teilnehmer und Gäste der Musikveranstaltung wollten nicht für Roths Image-Kampagne herhalten“, urteilt die Bild-Zeitung. Über die „Wut auf Roth“ berichtet der Tagesspiegel, und dass sie es nicht für nötig erachte, ihr zerrüttetes Verhältnis zu den jüdischen Verbänden zu kitten.

Vergessen waren alle harmonischen Begegnungen Roths in Frankfurt, die Selfies mit Jugendlichen beim Eintreffen auf der Jewrovision, das Essen mit Teilnehmer:innen, der Besuch im Backstage-Bereich. Und auch der gute Austausch der Kulturstaatsministerin am Vorabend mit der Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, Mirjam Wenzel, Autor Michel Friedman und anderen aus der jüdischen Gemeinschaft.

Am Ende bleiben Fragen: Warum hat Schuster in seiner Eröffnungsrede Claudia Roth gar nicht erwähnt, war Roth dem Zentralrat doch nicht willkommen? Ein jüdischer Grünen-Kommunalpolitiker aus Berlin spricht von einer Kampagne, jüdische Kinder seien für Propaganda eingespannt worden. Einer kritisiert ein „Schmierentheater“, womöglich mitgestaltet aus dem Kreis der Gastgeber:innen.

Am Sonntag erklärte der Zentralrat der Juden, bei der Jewrovision habe sich „lange aufgestauter Frust deutlich entladen“ – als Konsequenz von Missständen im deutschen Kulturbetrieb.

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