Europas Kampf um die Solarindustrie: Knackpunkt sind die Wafer

Dass der internationale Solarmarkt von chinesischen Unternehmen abhängt, ist ein Problem. Doch was fehlt in Europa, um mithalten zu können?

2 Männer platzieren solarmodul auf Dach

Bei den Solarmodulen könnte sich Deutschland immerhin zu 40 Prozent versorgen Foto: Jochen Tack/Imago

FREIBURG taz | Investitionen in Solar- und Windanlagen unterstützen, Projekte absichern, Innovation stärker fördern: Mit diesen Maßnahmen will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Energiewende in Deutschland beschleunigen. Auch wenn die Pläne, die er am Dienstag vorstellte, noch der konkreten Unterfütterung bedürfen, treffen sie sich doch mit den Interessen der entsprechenden Branchenverbände.

Vor allem der Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), Jörg Ebel, begrüßte die Ankündigungen. Es gebe einen „beispiellosen Kampf“ um die Solarbranche, sagte er. „Die globale Solartechniknachfrage explodiert. Und auch um die Produktionsstandorte künftiger Solarfabriken ist ein sehr harter internationaler Wettbewerb entbrannt.“

Knapp eine Woche vor Habecks Auftritt hatten zwei Dutzend Unternehmen der Branche in einem Brandbrief an das Bundeswirtschaftsministerium gefordert, den Aufbau einer neuen deutschen Solarindustrie zu fördern. Auslöser waren Vorschläge der Führung in Peking, Exportvorschriften zu verschärfen, die auch die Solarindus­trie empfindlich treffen würden.

„Am Wiederaufbau einer hinreichend skalierbaren Solarindustrie in Europa führt kein Weg vorbei“, sagt auch BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Die von China geschürte Unsicherheit könne nun dazu beitragen, dass Politik und Wirtschaft in Europa alles in Bewegung setzten, wieder eine eigene solartechnische Wertschöpfungskette aufzubauen. Dabei könne Europa „auf ein ausgeprägtes ingenieurtechnisches Know-how im Maschinen- und Anlagenbau“ zurückgreifen.

96 Prozent „made in China“

In den letzten Jahren hatte die europäische Politik dieses Thema komplett aus den Augen verloren – entsprechend sehen heute die Zahlen aus. Ralf Hofmann vom Branchenverband Solar-Cluster Baden-Württemberg rechnet vor: 96 Prozent der Solarzellen, die heute weltweit hergestellt werden, kommen aus Asien; ebenso 87 Prozent der Module.

Schon beim russischen Erdgas habe sich gezeigt, wie fatal es war, sich so sehr an ein Land zu ketten, beklagt der einstige Gründer des Wechselrichter-Herstellers Kaco Gerätetechnik im württembergischen Neckarsulm. Bei der Solartechnik begehe man den gleichen Fehler mit China. Sein Fazit: „Die Zeit ist reif für ein Comeback der PV-Industrie.“

Dabei war Europa einmal gut aufgestellt. 2008 hatte der Kontinent noch einen Anteil von mehr als 40 Prozent an der weltweiten Modulproduktion; ein Großteil der Fabriken befand sich in Deutschland. Mit dem Einbruch des deutschen Marktes wenige Jahre später war es hierzulande jedoch weitgehend vorbei mit der Modulfertigung. Was noch blieb, waren vor allem die Maschinenbauer – mit der Folge, dass die Asiaten binnen Kürzestem mit Fertigungsstraßen „made in Germany“ zur globalen Werkbank der Photovoltaikindustrie aufsteigen konnten.

Know-how ist da

Zwischenzeitlich habe China allerdings auch im Maschinenbau erheblich aufgeholt, heißt es in der deutschen Solarwirtschaft. Zwar gebe es das notwendige Know-how in Europa noch, sagt Jochen Rentsch vom Forschungsinstitut Fraunhofer ISE in Freiburg. Doch weil Europa Teile der Fertigungskette in den letzten Jahren vernachlässigt habe, werde es mühsam, ausreichende Kapazitäten neu aufzubauen.

Die einzelnen Prozessschritte sind hierzulande sehr unterschiedlich präsent. Beim Polysilizium, dem wesentlichen Rohstoff der Solarzellen, sieht es noch ganz gut aus. Hiervon erzeugte Europa zuletzt Materialmengen, die für jährlich 22 Gigawatt an Modulen reichen. Silizium aus Deutschland hat daran alleine 15 Gigawatt Anteil. Damit sei die Bundesrepublik „weiterhin ein wichtiger Lieferant“, hebt auch die Internationale Energieagentur hervor. Bei rund 7 Gigawatt Photovoltaik, die in Deutschland im Jahr 2022 zugebaut wurden, wäre man folglich gut mit eigenem Polysilizium versorgt. Die Firma Wacker im bayerischen Burghausen ist hier der große Hersteller. So wird beim Polysilizium der Weltmarkt aktuell „nur“ zu 81 Prozent aus Asien bedient.

Wenn es jedoch darum geht, aus diesem Silizium die Wafer zu produzieren, also die 0,2 Millimeter dünnen kristallinen Siliziumscheiben, aus denen anschließend die Zellen entstehen, spielt Europa schon keine nennenswerte Rolle mehr. Fertigungen in Frankreich und Norwegen erzielen nicht einmal einen Weltmarktanteil von 1 Prozent; Deutschland ist gar nicht vertreten. Inzwischen kommen 96 Prozent der Wafer weltweit aus China.

Und auch bei der Fertigung der Zellen aus den Wafern sieht es dürftig aus. Weniger als 1 Gigawatt an Zellen – wenige Promille der Weltproduktion – stammt aus Europa. Präsenter ist Deutschland bei der Produktion der Module. Mit Kapazitäten von 3 Gigawatt pro Jahr könnte Deutschland seinen aktuellen Zubau zu rund 40 Prozent aus eigenen Modulen bestreiten. Europa kommt immerhin auf gut 8 Gigawatt – 4 Prozent des Weltmarkts.

Dynamik kommt auf

Stark vertreten ist Deutschland nach wie vor bei den Wechselrichtern. Hier gehören EU-Firmen einer Analyse der EU-Kommission zufolge zu den Weltmarktführern. Das liegt nicht zuletzt an der deutschen Firma SMA aus Niestetal bei Kassel.

Aber auch in anderen Teilen der Wertschöpfungskette kommt zumindest etwas Dynamik auf. Bei den Zellen rechnet der BSW „auf Basis bekannter Ausbaupläne“ – also ohne die noch nicht mit Zahlen unterlegten Pläne von Habeck – mit einer Steigerung der inländischen Kapazitäten von aktuell rund 0,6 Gigawatt auf 5 bis 6 Gigawatt bis 2025. Die Kapazitäten zur Fertigung von Modulen würden in den kommenden drei Jahren von heute 3 auf dann 10 bis 13 Gigawatt wachsen. Damit könnte Deutschland auch einen wieder wachsenden inländischen Markt rechnerisch komplett mit eigenen Modulen bestücken.

Der Engpass aber bleibt: Die Wafer werden einstweilen komplett aus Fernost stammen.

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