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Klimaproteste in LützerathForderung nach Aufarbeitung

Nach der Räumung verschärft sich die Kritik am Einsatz der Polizei. Innenminister Herbert Reul (CDU) verspricht schnelle Aufklärung.

Bilder wie dieses sorgen für Diskussionen: Polizei geht gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen vor Foto: Christian Mang/reuters

Bochum/Berlin taz | Klimabewegung und Umweltschutzorganisationen werfen Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul vor, Polizeigewalt bei der Räumung der Siedlung Lützerath zu rechtfertigen. „Reul wird seiner Rolle als Scharfmacher gerecht“, sagt Dirk Jansen, in Nordrhein-Westfalen Geschäftsleiter des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND).

„Friedlicher Widerstand wird kriminalisiert, friedliche De­mons­tran­t:in­nen wurden in Lützerath nicht geschützt“, sagt Jansen, der bereits am Donnerstag selbst von der Polizei eingekesselt wurde und erleben musste, wie BUND-Mitglieder durch „völlig unverhältnismäßiges Vorgehen“ von Reuls Be­am­t:in­nen verletzt wurden. „Die Deeskalationsstrategie der Polizei“, bilanziert der Umweltschützer deshalb in aller Deutlichkeit, „hat nicht funktioniert.“

Ricarda Lang bewertet Polizeiarbeit kritisch

Reul selbst stellt sich seit Samstag dagegen immer wieder schützend vor seine Polizist:innen. „Hochprofessionell“ hätten die gearbeitet, erklärte der 70-Jährige nur wenige Stunden nach dem Ende der Räumung schon am Sonntagabend in der ARD-Talkshow von Anne Will – und legte am Montag in der Rheinischen Post nach: „Immer“ habe die Polizei „auf Dialog und Vernunft gesetzt“, glaubt der NRW-Innenminister. Einzelfälle unangemessener Polizeigewalt würden aber untersucht.

Kritischer bewertete am Montag in Berlin Grünen-Chefin Ricarda Lang die Arbeit der Polizei. Sie habe am Wochenende viele Telefonate geführt: mit Polizisten, Aktivistinnen und Abgeordneten, die als sogenannte Parlamentarische Beobachter vor Ort waren. Ihr Eindruck sei nach den Gesprächen zwar auch, dass „der Polizeieinsatz an vielen Stellen vor allem in der letzten Woche bei der Räumung sehr besonnen“ abgelaufen sei.

Gleichzeitig gebe es aber Videos vom Samstag, „die auch mich schockieren“. Die Frage, welche Verantwortung die Grünen für die Szenen tragen, beantwortete Lang nicht. Dafür forderte sie, den Polizeieinsatz „parlamentarisch aufzuarbeiten“. Wo es zu Polizeigewalt gekommen ist, müsse das Konsequenzen haben.

Die Initiative „Lützerath lebt“ berichtete, bei der Großdemo am Samstag habe es „zahlreiche Schwerverletzte durch Polizeigewalt“ gegeben. Mindestens eine Person sei „lebensgefährlich“ verletzt worden. Es habe „zahlreiche Knochenbrüche“ und „Verletzungen durch Pfefferspray“ gegeben. Eine Demo-Sanitäterin sagte, in einem Fall hätten Po­li­zis­t:in­nen trotz laufender Behandlung durch die Sa­ni­tä­te­r:in­nen weiter auf die verletzte Person eingeschlagen. Auch soll es am Samstag zu „zahlreichen gezielten Schlägen auf den Hals“ von De­mons­tran­t:in­nen gekommen sein. Von Seiten der Polizei hieß es dagegen, man wisse nichts von lebensgefährlich Verletzten. Der Einsatz eines Rettungswagens sei zehnmal nötig gewesen.

Wurden Unfälle in Kauf genommen?

„Leute, die sich am Samstag der Polizeikette im Vorfeld des Tagebaus angenähert haben, mussten massive Gewalt erfahren“, sagt auch Christopher Laumanns von der Initiative „Alle Dörfer bleiben“. Schlagstöcke und Pfefferspray seien wahllos eingesetzt worden, „scharfgemachte Hunde ohne Maulkorb“ hätten schon bereitgestanden. „Extrem überhastet und hochgefährlich“ sei auch die seit Mittwoch laufende Räumung Lützeraths selbst durchgeführt worden, sagte Laumanns der taz: Sicherungsseile von Baumhäusern und Tripods der Be­setz­e­r:in­nen seien durchgeschnitten, Menschen aus 2,5 Metern Höhe auf den Boden geworfen worden.

Einsatz war extrem überhastet und hochgefährlich

Christopher Laumanns von „Alle Dörfer bleiben“

Auf einem Video ist außerdem zu sehen, wie Polizeibeamte mit einer Kettensäge durch das Holz eines Heubodens sägen – obwohl sie wissen, dass sich darauf noch Ak­ti­vis­t:in­nen befinden. „Da wurde ganz bewusst Leben gefährdet“, sagt Laumanns dazu. Das sei offenbar auch Strategie gewesen: „Polizisten haben gesagt, dass es doch gut sei, wenn die Leute Todesangst haben“, sagt Laumanns. „Gerade am Mittwoch, am ersten Tag der Räumung Lützeraths, hat diese Polizeistrategie des Angstmachens, Demoralisierens, Unfälle-in-Kauf-Nehmens gut funktioniert.“

Auch Nicola Dichant, Landessprecherin der Grünen Jugend NRW, kritisierte, Bilder von Polizeieinsätzen, die Ak­ti­vis­t:in­nen massiv gefährden, Sanitäter:innen, die von der Polizei aus dem Dorf geschmissen werden, seien „das Gegenteil von einem deeskalativen Einsatz“. Eine negative Bilanz zog auch die in der Gewerkschaft Verdi organisierte Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). Wiederholt sei Me­di­en­ver­tre­te­r:in­nen der Zugang zu Lützerath von der Polizei verwehrt worden. Außerdem habe es mindestens fünf körperliche Angriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen durch die Polizei beziehungsweise durch von RWE beauftragte Security gegeben.

Im Landtag will die SPD dies im Medienausschuss zum Thema machen. Auch der Innenausschuss wird sich bei seiner Sitzung am Donnerstag mit Lützerath beschäftigen. Aber auch wenn sich Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag hinter die Aufarbeitung im Parlament stellte: Scharf kritisiert wird die Polizei in den Landtagsausschüssen wohl nicht. Die Regierungsfraktionen von Grünen und SPD dürften sich erfahrungsgemäß zurückhalten – und die innenpolitische Sprecherin der SPD, Christina Kampmann, sagt wie Innenminister Reul, „der Polizeieinsatz in Lützerath“ sei „professionell und deeskalierend verlaufen“.

„Wir haben im Landtag in dieser Frage eben keine wirkliche Opposition“, sagt Dirk Jansen vom BUND dazu. Einen Rücktritt von Innenminister Reul fordert in NRW nur die Linkspartei – doch die ist im Landtag nicht vertreten.

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45 Kommentare

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  • Sehr zu empfehlen, besonders allen Zweiflern an der geschilderten Polizeigewalt: am Ende des Podcast ein Interview mit Jörg Reichel (verdi bzw dju), der vor Ort war.



    respublicapodcast....ee.io/63-lutzerath

  • Ich bin immer wieder verwundert, wie viele Leser und Kommentatoren der Taz, Menschen die nicht vor Ort waren, die oftmals nur zusammenhangslose Videos sehen, ohne wenn und aber den Aussagen der Demonstranten und Aktivisten glauben. Man sollte meinen, Menschen, die sich für gebildet, progressiv und weltoffen halten wären nicht so anfällig für Propaganda und würden solche Nachrichten immer mit einer gesunden Portion Skepsis lesen und reflektieren.

    Stattdessen scheinen sie mindesten genauso oder sogar noch mehr in ihren Vorurteilen verstrickt, wie die Menschen, die sie so verachten. Polizei sehen sie einfach als das rein Böse an, welche quasi immer lügt. Polizisten werden entmenschlicht und Angriffe auf sie sind scheinbar immer gerechtfertigt.

    Es ist für mich immer wieder frustrierend hier zu lesen, dass eine ganze Berufsgruppe vorverurteilt wird.



    Ich weiß um die Geschichte und das Verhalten vergangener Generationen von Schutzmännern. Aber seit dem ist viel Zeit Vergangen. Es hat sich viel getan. Andere Polizisten mit moderner Weltsicht sind nachgerückt. In Deutschland ist die Polizei weit bürgernäher als früher.



    Natürlich gibt es auch diejenigen die ihre Macht missbrauchen, Demonstranten, in einem gefühlt unbeobachteten Moment, treten und schlagen. Aber ist das wirklich der Großteil? Ich bin überzeugt, dass der überwältigende Anteil der dt. Polizisten und Polizistinnen ihr Gelöbnis ernst nehmen und Sicherheit der Menschen ihre oberste Priorität ist, ungeachtet jeglicher Herkunft.

    Diesen Hass, das uneingeschränkte Misstrauen, diese Respektlosigkeit den man unter solchen Artikeln hier liest, trifft zu 99% Menschen, die ihn so nicht verdienen.

    Ich hoffe, dass viele hier es schaffen können ihre Herz und ihre Ideale einer gerechteren, friedlichen Welt zumindest etwas auch auf Polizisten auszuweiten. Denn vielleicht ist der/die Polizist/in gegenüber einen doch ähnlicher als man denkt. Er/sie will etwas gutes bewirken, auch wenn man sich nicht in allem einig ist.

    • @Garrakus:

      Die Deutung einer Kritik an Polizei (und Staat) als "Böse" trifft es in meinen Augen nicht. Die Kritik richtet sich an das System/Institution Polizei. Es geht um Strukturen und um die Rolle der Polizei, dessen Macht, die Rechtfertigungsdiskurse, nicht (unbedingt) um eine gleiche Verurteilung aller Polizist*innen. Es mag einzelne, nette, hilfsbereite auf Basis des Gesetzes und der Lage "fair" handelnde Polizist*innen geben. Um die geht es aber nicht. Sondern um Korpsgeist (Gegenseitige Deckung, gegenseitiges Anfeuern), als Teil und Mittel von Herrschaft, Absicht der Repression (Einschüchterung und Abschreckung), Einschränkung von Bürger*innenrechten ... bis zu grundsätzlicher Kritik als Machtkonzentration in Form des Gewaltmonopols.



      Und zum Schluss etwas abgewandelt Ihr Absatz nochemol:



      Ich hoffe, dass es einige, die Fürsprache für das System, den Staat und dessen Protagonist*innen und Mächtigen halten, schaffen können, ihr Herz und ihre Ideale einer gerechteren, friedlichen Welt zumindest auch auf Aktivistis auszuweiten. Und das mensch nicht gleich den Politiker*innen Glauben schenkt, sowie den Medien, die Polizeimeldungen auf Basis dessen Artikel veröffentlichen. Denn vielleicht ist der/die Aktivist/in gegenüber einen doch ähnlicher als man denkt. Er/sie will etwas gutes bewirken, auch wenn man sich nicht in allem einig ist.

    • @Garrakus:

      Niemand verurteilt hier den normalen Polizisten, der täglich zum Dienst geht und dafür sorgt, dass man als Bürger ohne Angst vor die Haustür gehen kann. Verurteilt werden hier nur die "Einsatzhundertschaften" von Herbert Reul (CDU), die mit massiver Gewalt einen der größten Verursacher des Klimawandels in Deutschland vor harmlosen Klimaaktivisten "geschützt" haben. Aber selbst diese Polizeibeamten kann man nicht pauschal verurteilen, denn sie sind auch nur kleine Befehlsempfänger, die jetzt das durchsetzen müssen, was Politiker - besonders die klimaschädliche Politik der Union, in der Herr Reul ist - in den vergangenen Jahrzehnten "verbockt" haben. Nun ja, wenn man Klimaschutzaktivisten "kriminalisiert", kann man damit natürlich auch gut von der fatalen Klimapolitik der letzten Jahrzehnte ablenken und die Wirtschaftsmanager können ihr klimaschädliches Wirtschaftswachstum fortführen und die Aktionäre können auch weiterhin den Planeten Erde an der Börse "verzocken". Das wahre Problem sind Politiker wie Herbert Reul (CDU), die wohl auch nicht mehr da sein werden, wenn der Klimawandel richtig zuschlägt (Herbert Reul ist 70 Jahre und muss sich im Gegensatz zu den jungen Klimaschützern keine großen Gedanken mehr über seine Zukunft machen). Das Problem sind momentan aber auch die Grünen, die immer gerne über Umwelt- und Klimaschutz reden, aber sobald sie an den "Fleischtöpfen der Macht" sitzen, erzählen sie etwas von Realpolitik und das sie sich jetzt den politischen Gegebenheiten anpassen müssen. Wie lange sie damit noch durchkommen, das weiß ich nicht; aber wenn eine Partei seine Stammwählerschaft zum Narren hält, dann nimmt das sicherlich kein gutes Ende für eine Partei.

      Es ist gut, dass die Klimaaktivisten "Druck" machen, aber es wird wohl noch lange dauern, bis der Bürger - und dazu gehört natürlich auch der Polizeibeamte - kapiert, dass es schon "eine Minute vor Zwölf" ist und man mit dem klimaschädlichen Wahnsinn endlich mal aufhören muss.

    • @Garrakus:

      PS Die Anzahl der schwarzen Schafe einer Hundertschaft ist natürlich schwer auszumachen, zumal wenn man selber nicht da war. Es gibt aber Verbände wie die bayrischen USK Ultras, die im Hambi gegen Jugendliche eingesetzt wurden, wo Brutalität zur Einstellungsbedingung gehört, ebenso berüchtigte Verbände wie die aus Dortmund. Ich kenne einen Polizisten, der nach G20 HH seinen Dienst quittiert hat und mit Graus berichtet hat, wie sie vor dem Einsatz scharf gemacht wurden. Das passt gut zu den Videos aus Lützerath, in der eine grölenden bewaffnete Polizeitruppe sich aufführt wie eine Horde Orang-Utangs vor dem Angriff.



      So lange Verfahren gegen Polizisten, nicht unabhängig untersucht werden, Polizisten eindeutlich gekennzeichnet sind und die Statistiken über Polizeigewalt (Uni Bochum) so ausshen, wie sie es tun, kann sich da auch strukturell nichts ändern, selbst wenn viele, die diesen Beruf ergreifen keine bösen Menschen sind.

    • @Garrakus:

      Das mag schon sein, dass die hier Kommentierenden nicht in Lützerath waren, aber das war ja nicht die erste Räumung dieser Art und beim großen Teil derer, die die Sache so einordnen, wie Sie es grade kritisieren gibt es sicher eigene Erfahrungen, die sich mühelos an die Twitterfilme anbinden lassen. Bei mir jedenfalls ist das so. Und nach meinen Beobachtungen, die ich als Teilnehmerin der zivilen Öffentlichkeit machen durfte, haben meine Reflexe, Cops in Schutz zu nehmen, deutlich nachgelassen.

    • @Garrakus:

      Amen - 🙀🥳 -

  • Lug und Trug



    Sowohl Luisa Neubauer , wie auch Die Demo-Sanitäterin Iza Hofmann haben von Schwerverletzen gesprochen.



    Laut Florian Özcan, Sprecher von „Lützerath lebt“, wörtlich: „Es gibt zum Glück keine lebensgefährlich Verletzten.“



    Wem war jetzt mit solchen Lügen gedient?

    Ich fand die Besetzung richtig, ich fand die Demo richtig, ich danke jedem friedlichen Demonstrant ausdrücklich für seinen Einsatz. Wir brauchen dieses Dreckskohle nicht.

    Aber bleibt bitte bei der Wahrheit, Lügen kommen wie ein Bumerang zurück und schaden dem tollen Einsatz aller ehrlichen Aktivisten.



    Bild, Focus und die anderen Boulevardblätter schlachten es gerade für ihr Klientel aus.

  • taz: "Nach der Räumung verschärft sich die Kritik am Einsatz der Polizei. Innenminister Herbert Reul (CDU) verspricht schnelle Aufklärung."

    Ausgerechnet Reul verspricht Aufklärung. Der CDU-Mann hat schon 2018 über die Baumbesetzer im Hambacher Forst folgendes gesagt: "Diese selbst ernannten Umweltschützer wollen nicht Bäume retten, sondern den Staat abschaffen. RWE sei Eigentümer des Hambacher Forstes, habe das Recht, den Wald zu roden und wolle davon demnächst Gebrauch machen. Wir wissen's nicht genau, aber wenn der Tag dann kommt, dann muss die Polizei eben dafür sorgen, dass dieses Recht durchgesetzt werden kann." taz.de/Besetzung-d...r-Forsts/!5533617/

    Reul hat also das getan, was er schon 2018 versprochen hat. Reuls Polizeitruppe hat den börsennotierten Konzern RWE vor Klimaschützern "beschützt", damit RWE weiterhin das Kohlendioxid aus der Erde schaufeln kann. Herbert Reul (CDU) hat mal wieder seine Hundertschaften losgeschickt. Eine Einsatzhundertschaft der Polizei setzt sich aus ca.80 bis 120 Polizeivollzugsbeamtenzusammen. Jede Einsatzhundertschaft ist wiederum in Züge, Gruppen und Trupps untergliedert, die jeweils einen eigenen Zug-, Gruppen- bzw. Truppführer haben. Das sind keine Polizisten die deeskalierend wirken sollen, das sind "Polzisten" die für "Ordnung" sorgen, jedenfalls für die Ordnung die sich ein Herbert Reul (CDU) vorstellt. Wenn der Klimawandel in ein paar Jahren die große Keule herausholt, dann erinnert man sich hoffentlich an Herbert Reul und zieht ihn - neben RWE - auch zur Verantwortung.

  • Gewaltaufbereitung

    Ich war vergangenen Samstag zur Großdemo in Lützerath, ganz normale Bürgerin, 54 mit meinem Sohn 20, keine couragierte Aktivistin. Ich war ergriffen und begeistert von den tausenden friedlich Demonstrierenden.

    Auf den riesigen, flachen Feldern war weit und breit kein einziger Polizist zu sehen, auch nicht zum Schutz des Bürgers (heißt es nicht immer: Die Polizei: Dein Freund und Helfer?) Ich stand auf dem Wall vor der Abbruchkante und sah zu, wie ganz viele direkt an der Abbruchkante standen. Der beobachtende Polizeihubschrauber sah das von oben und die große Gefahr der möglicherweise abbröckelnden Kante wurde von der Polizei billigend in Kauf genommen.

    Szenenwechsel: Zugheimfahrt: Wir Demonstranten durften nicht aufs Gleis, wurden völlig erschöpft und lehmverkrustet in einem engen Tunnel in Erkelenz von Polizisten zusammengehalten, damit wir angeblich wegen zu großen Gedrängels nicht auf das Gleis fallen können und endlich auf dem Gleis angekommen, läuft ein Polizist an der Kante auf und ab, um uns auf die Gefahr des möglichen Sturzes wie kleine Kinder aufmerksam zu machen und zurückzuhalten.

    Und dann lese ich von einem der brutalsten Polizeieinsätze des Landes NRW mit einem gewaltigen Potential, was die Polizei an Macht- und Gewaltdemonstration und allergrößten personellen Möglichkeiten zur Verfügung hat.

    Wie passt das zusammen??

  • Das Kappen von Sicherungen und die damit einhergehende Gefährdung von Menschenleben ist seit Jahren gängige Praxis bei Räumungen.



    Dass so einer wie Reul, der immer wieder verliebt auf Knüppel.. Pardon Mehrzweckeinsatzstock.. schaut und die illegale Räumung im Hambacher Forst zu verantworten hat, bei der ein Mensch starb, nicht auf der Anklagebank, sondern im Ministerium sitzt, sollte ein Skandal sein. Ist es aber nicht. Es wird einfach hingenommen.

    • @Piratenpunk:

      "Ach, das war doch tragisch und nicht gewollt." würde es wohl von Seiten mancher Bürgis lauten. "Außerdem lächelt der Reul immer so nett ..."

  • Immer wieder die selben Ausreden und Verhamlosungen. Schön, dass nun immer mehr Menschen hier sehen und mitbekommen, wie "deeskalierend" die Polizei wirklich vorgeht.

  • Ja, wir können uns noch 1 Jahr damit beschäftigen ohne dass etwas dabei rauskommt.



    Alle wussten was Sache ist und damit ist gut!

    • 6G
      659554 (Profil gelöscht)
      @Herry Kane:

      Denken Sie das mal bitte zu Ende. Ganz!



      Unfassbar...

  • "es soll mehrere Schwerverletzte gegeben haben", wurde zunächst berichtet - da wäre es enorm wichtig, diese Verletzungen gut zu dokumentieren. Krankenakten aus den Notaufnahmen wird es ja geben. Die Polizei behauptet, dass sie von Schwerverletzten nichts weiß.

    Wer hat hier Recht? Was ist Fakt, was ist bloße (Schutz)Behauptung der Polizei?

    Ja, unabhängige Aufarbeitung ist dringend nötig.

    • @Winnetaz:

      Das Problem an der Sache ist, dass der Aufenthalt in einem Krankenhaus oder die ehrliche Angabe zu dem Ursprung der Verletzungen dazu führen kann, dass Verfahren gegen Aktivisti eingeleitet werden, wenn die Knüppelgarde an Akten kommt.

    • @Winnetaz:

      Es gibt den Spruch: Das Erste was im Krieg auf der Strecke bleibt ist die Wahrheit. Das gilt für die Auseinandersetzungen in Lützerath ebenso. Das gilt für beide Seiten.

      • @Klempner Karl:

        "Das gilt für beide Seiten."



        Wahre Worte.

  • Wenn Sie die Bildunterschrift dahingehend korrigieren könnten, dass die Polizei gegen anstürmende, zum gewaltsamen Durchbruch nach Lützerath bereite Demonstranten vorgeht, wäre das eine hinreichend korrekte Beschreibung.

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @Trabantus:

      Reuls widersprüchliche und teils falsche Aussagen und Handlungen rund um die Räumung des Hambacher Forstes sind, so denke ich, hinlänglich bekannt.



      Am Ende hat er sich gar auf Erinnerungslücken berufen.



      Der Fachterminus man unter Psychologen dazu ist, so meine ich irgenwo gehört oder gelesen zu haben "Kohlscher Blackout".



      Deshalb kann er zu Lützerat erzählen, was er will.



      Seine Aussagen sind für mich, wenn ich das Geschehen einschätzen will, völlig belanglos.

      • @655170 (Profil gelöscht):

        anschließe mich - ein Krimineller - der den IM NRW - mimt.



        Nich to glöben! Un rein tonn katolsch warrn! Wollnich •

  • Diese ewigen Debatten um zu den Nötigungen der Letzten Generationen binden schon seit Monaten Debatten, wo die Zeit besser darin investiert gewesen wäre, über Maßnahmen gegen den Klimawandel zu reden. Das dar mit Debatten über die Zulässigkeit von Polizeieinsätzen nicht so weitergehen.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      „wo die Zeit besser darin investiert gewesen wäre, über Maßnahmen gegen den Klimawandel zu reden.



      Das dar[f] mit Debatten über die Zulässigkeit von Polizeieinsätzen nicht so weitergehen.“



      Was gibt's da noch zu reden. Es ist längst bekannt, was nötig wäre, und das darf mit dem Abbaggern von Braunkohle und dem Rasen auf deutschen Straßen so nicht weitergehen. Da Politik und Polizei den Wahnsinn im Namen der Wirtschaft aber weiter durchsetzen wollen, muss drüber geredet werden. Aber leider will das (fast) niemand wissen. Auch der Bundeskanzler erinnerte in seinem Interview mit taz und seinem geäußerten Glauben an die deutsche Ingenieurskunst, die es schon richten wird, eher an Faust im Wahn, vor der Grablegung, denn an einen Menschen, der die Grundrechenarten bis zur Dreisatzrechnung beherrscht (so ungenügend wie Robert Habeck ständig)..



      „Was ich gedacht, ich eil' es zu vollbringen;



      Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht.



      Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!



      Lasst glücklich schauen, was ich kühn ersann.



      [....]



      Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß



      Erfolgt der allerschönste Preis;



      Dass sich das größte Werk vollende,



      Genügt ein Geist für tausend Hände.



      [….]



      Wie das Geklirr der Spaten mich ergetzt!



      Es ist die Menge, die mir frönet,



      Die Erde mit sich selbst versöhnet,



      [….]



      Aufseher!



      [….]



      Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,



      Wie sich verlängt der unternommene Graben.



      (Mephistopheles)



      Man spricht, wie man mir Nachricht gab,



      Von keinem Graben, doch vom Grab.



      [….]



      (Faust)



      Eröffn' ich Räume vielen Millionen,



      Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.



      [….]



      Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,



      Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,



      Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.



      Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,



      Das ist der Weisheit letzter Schluss:



      [….]



      Zum Augenblicke dürft' ich sagen:



      Verweile doch, du bist so schön!



      Es kann die Spur von meinen Erdetagen



      Nicht in Äonen untergehn..“



      www.projekt-gutenb...ust2/zfaus059.html

      • @95820 (Profil gelöscht):

        "Was gibt's da noch zu reden." & "Grundrechenarten bis zur Dreisatzrechnung "

        Ähm ... warum reden Sie dann soviel?

        Und wobei hat ihnen der Dreisatz bei der Beurteilung der wissenschaftlichen. politischen, und sozialen Aspekte des Umbaus geholfen?

        Sind Sie ein Gegner der Neubaus von mehreren Millionen neuer Wohnungen wie die Linkspartei es fordert um das Klima zu schützen? Sollen die Gaspreise nicht gedeckelt werden, damit die Bürger zum Sparen gezwungen werden?

        Was sagt ihr Dreisatz dazu?

        • @Rudolf Fissner:

          Als gewiefter Kaffeesatzleser - werdens dess schon rausfieseln. Nur Mut! Woll.



          Sie wissen schon: Sie & die großen 🥔🥔

          • 9G
            95820 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Danke für ihren Einsatz für den Dreisatz. Darauf einen Schluck Muckefuck.

    • @Rudolf Fissner:

      Junger Mann - nun Walsernse mal hier nicht so dreist rum! Gellewelle



      Dank im Voraus

      kurz - Vom Bodensee zum Bodensatz!



      Nur ein Schritt! Woll.

      • @Lowandorder:

        Ja wat den nu? Wollen Sie lieber die nächsten Monate zu den Themen Tomatensoße, Pattex, Polizei und Systemgedöns weiterwursteln oder doch lieber konkret und Verständlich über Umweltpolitik?

        • @Rudolf Fissner:

          Mal abseits ehra verweserten Albernheiten! Gelle.



          Strebens besser keine höherdotierte Tätigkeiten an!



          Da müssen’s auch ständig die Mühen der Ebene des Rechtsstaats abarbeiten & trotzdem den Kopf in den Wolken haben



          Aber solche losgerissenen Kanonen mit zerschossener Festplatte voller Destruktionsbleigehalt - braucht kein Mensch!



          So amüsant sojet auch sind! Woll.



          Sorry. Tut mir leid. Sie halten schlicht nur auf •

          • @Lowandorder:

            Was finden Sie albern an dem Standpunkt dass Debatten über konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel wichtiger sind als pathetisch aufgeladenen Debatten über das Für und Wieder von Tomatensoße?

            Ich kann ja nachvollziehen, dass Juristen dass Tomatensoßengedöns höchst interessant finden im Hinblick auf den Rechtsstaat. Aber es gibt halt mit dem Klimawandel wichtigere Themen.

            • @Rudolf Fissner:

              Junger Mann. Sie kennen vllt die tibetische Gebetsmühle als Metapher?!



              Sie aber! Sollten ehra bi lütten völlig ausgeleierte wesernde Ablenkungstrommel - klimaschonend entsorgen! Deren Unterhaltungskomikwert hat sich schlicht erschöpft •



              Dank im Voraus! Woll.

  • Übrigens kann man, wenn man mit der Verstromung von Braunkohle und Gas nicht einverstanden ist, oder auch möglichst umweltfreundlich Strom verbrauchen will, oder auch einfach Grossverbraucher wie Waschmaschine, Spülmaschine und Wärmepumpe bevorzugt zu Zeiten anschalten, zu denen es regulär einen Überschuss von Wind- und Solarenergie gibt. Dazu braucht man nur einen Startzeit-Timer, der heutzutage in vielen dieser Grossgeräte schon eingebaut ist (einfach mal in der Bedienungsanleitung gucken).

    Und diese Zeiten sind relativ konstant. Als Faustregel kann man sagen: Nachts zwischen 2 und 5 Uhr im Winter, und im Sommer - sowie in den Übergangsjahreszeiten bei Sonnenschein - zwischen 14 und 17 Uhr nachmittags. Der Grund hierfür ist, dass der Wind im Mittel relativ konstant weht, aber nachts sehr wenig Strom verbraucht wird, und dass die Sonnenenergie im Sommer nach der Abdeckung des 12/13 Uhr Mittagspeak in aller Regel mit reichlich Überschuss vorhanden ist.

    Details dazu gibt es unter peakpick.de , mit einer Prognose des Anteils erneuerbarer Stromerzeugung unter

    peakpick.de/webapp/index.php

    P.S.

    Die Daten hierzu sind übrigens kein Geheimnis, sie sind als Open Data zu haben unter

    transparency.entsoe.eu/

    - eigentlich erstaunlich, warum die ganzen ach so umweltbewussten Stromversorger und die Politik nicht auf diese Moglichkeit hinweisen.... da geht es wohl z.T. immer noch darum, den Absatz des fossilen Stroms hoch zu halten.

    • @jox:

      Das Argument hier ist, dass man mit der Stromindustrie halt in der fürwahr einzigen Sprache sprechen muss, die die Deutsche Industrie versteht und für die sie Ohren hat, nämlich Geld bzw. den Entzug desselben.

      Und nein, das ersetzt natürlich nicht die Umsetzung von wirklichen Klimaschutz in der Politik, die rechtliche Aufarbeitung dieser Prügelaktionen und schon gar nicht den Widerstand dagegen, dass die Fortsetzung dieses fossilen Alptraums nicht nur die Biosphäre zerstört, sondern auch unsere Demokratie.

      Die Anti-AKW Bewegung hat vor dem Atomstaat gewarnt, wir steuern auf einen Fossilstaat zu - die Polizeigesetze werden bereits darauf angepasst.

  • "„Die Deeskalationsstrategie der Polizei“, bilanziert der Umweltschützer deshalb in aller Deutlichkeit, „hat nicht funktioniert.“"



    Wenn es sie denn überhaupt so gab. Der Eindruck ist schon da, dass sie manchmaĺ vorgeschoben ist, quasi der formale Akt der Rechtsstaat, weil es doch etwas "blöd" rüberkäme, wenn sie sagten: "Egal, was die "Gewaltchaoten" machen, egal mit welchen Folgen, wir räumen alles bis dann und dann!" Bei der Räumung habe ich schon den Eindruck, dass die Polizei und Politik tatsächlich willig sind, Schäden, Verletzte bzw. womöglich Tote in Kauf genommen zu haben. Zum Glück ist es dieses Mal nicht so weit gekommen. Und das liegt sicher auch an den Vorbereitungen und den Fähigkeiten der Aktivisti.

  • Es gab keine "Schwerverletzten". Diese Aussage wurde mittlerweile zurückgezogen.

    • @Nachtsonne:

      Haben Sie eine Quelle dafür? Was heißt "schwerverletzt"?



      Auf der Internetseite der Initiative Lützerath bleibt heißt es in der Pressemitteilung vom 17.1.:



      "Lützerath Lebt! hat gemeinsam mit Demosanitäter*innen gestern begonnen, die Polizeigewalt der Demonstration zu dokumentieren.



      Innerhalb eines Tages der Dokumentation meldeten sich 145 Menschen, manche zu mehrfachen Vorfällen. Diese Daten wurden in einer vierstündigen Sprechstunde, sowie durch Anrufe und Nachrichten in einem Zeitraum von 12 Stunden entgegengenommen.



      Besonders aufgefallen ist die hohe Anzahl an Kopfverletzungen durch Schläge der Polizist*innen, von denen mindestens 45 Meldungen vorliegen. Mindestens 115 Menschen wurden getreten und geschlagen. In mindestens 65 Fällen wurde von Schlagstockeinsätzen berichtet. Mehr als 30 Menschen bezeugen den Einsatz von Pfefferspray und mindestens 10 Menschen erlitten Knochenbrüche. Es liegen über 15 Meldungen von Menschen vor, die vom Notdienst oder im Krankenhaus behandelt werden mussten. (Die Zahlen sind abgerundet um Repression durch Rückverfolgung einzuschränken.) Eine große Anzahl an Menschen wurde von Polizist*innen angegriffen, obwohl sie sich nicht wehrten, sich zurückzogen, mit dem Rücken zur Polizei standen, auf Anweisungen der Polizei hörten oder verletzt am Boden lagen.



      Menschen berichten bereits von psychischer Belastung, als Folge der Hilflosigkeits- und Gewalterfahrungen."



      luetzerathlebt.info/pressemitteilungen/

  • Herbert Reul stellt den Einsatz geschöhnt dar.



    Wenn der Einsatz professionell gewesen wäre, warum hieß es von Seiten der Polizei, "man wisse nichts von lebensgefährlich Verletzten. Der Einsatz eines Rettungswagens sei 10 Mal nötig gewesen."?



    Hat die Polizei vielleicht den Überblick verloren.? Ist ihr das Geschehen aus der Kontrolle geraten? Konnte die Polizei nur noch durch massiven Gewalteinsatz Herr des Geschehens bleiben?

  • ist es nicht immer dasselbe? polizeigewalt bei jeder linken demo. tod auf der polizeiwache. nazi chat bei der polizei. rassistische übergriffe der polizei. rasche aufklärung gibts nie. aufklärung auch nicht. zur rechenschaft gezogen wird niemand. weiter gehts.

  • Allein die Tatsache, dass Reul nach allem was er sich im Hambacher Forst geleistet hat, wieder/ immer noch Innenminister ist, sagt alles über die Strukturen in NRWE.



    Wie sollte da jemand Aufklärung erwarten?



    Viele Anzeigen werden wohl auch nicht erstattet werden, aus den immer gleichen Gründen, keine Kennzeichnungspflicht der Beamten, also Anz. gg. Unbekannt, dann die automatischen Gegenanzeigen und das Wissen um die Statistik, die zeigt wie auch an den Gerichtenvielfach Täter-Opfer-Umkehr stattfindet.

    • @nelly_m:

      anschließe mich - Bock zum Gärtner

    • @nelly_m:

      "Allein die Tatsache, dass Reul nach allem was er sich im Hambacher Forst geleistet hat, wieder/ immer noch Innenminister ist, sagt alles über die Strukturen in NRWE."



      Definitiv! Das dachte ich auch bereits. Da erscheint mir bspw. so ein Sylvester-Video recht harmlos gegen.

  • Also... in Einzelfällen ist die Polizei besonnen vorgegangen? Ja, so kennen wir die. Einzelfälle. Immer wieder Einzelfälle.

  • Vermutlich ist es keine singuläre Empfehlung, dem Innenminister des Landes Nordrhein-Westfale, Herbert Reul, den Rücktritt nahezulegen. Wer seine Bediensteten in einer derartigen Weise auf überwiegend friedliche Demonstanten hetzt, hat jegliche politische Legitimation verloren.