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Tunnel-Experte zur Räumung von LützerathWie damals im Hambacher Wald

Aktivisten in einem Tunnel bremsen die Polizei in Lützerath aus. Ein Ex-Aktivist weiß wie es ist, bei einer Räumung unter der Erde auszuharren.

Screenshot: luetzibleibt/youtube

Berlin taz Ein Tunnel zögerte am Freitag die endgültige Räumung von Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier hinaus. Dort wurde am Morgen schon das letzte Gebäude im Weiler von der Polizei geräumt. Doch noch gab es ein Problem: Eine besondere Unwägbarkeit seien zwei entdeckte Tunnel, in denen sich offenbar noch zwei Personen befanden, sagte ein Polizeisprecher. Es sei deshalb unklar, ob deren Räumung bereits am Freitag gelinge. Das Technische Hilfswerk hatte in der Nacht versucht, die Aktivisten aus der Erde zu holen – vergeblich.

Einer der weiß, wie es ist, tagelang in einem Tunnel auszuharren, ist „Maulwurf“. Obwohl der 37-jährige ehemalige Aktivist aus Süddeutschland nichts mit den aktuellen Tunnelgräbern zu tun hat, möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. 2012 harrte „Maulwurf“ fast vier Tage in einem ähnlichen Tunnel aus, wie der, der auf dem Video der Aktivisten von Lützerath zu sehen ist – damals noch unter dem Hambacher Forst. In den Nachrichten habe er von der aktuellen Tunnelaktion mitbekommen: „Ich habe mich gefreut, dass die Aktionsform weiterentwickelt wird“, sagt der „Maulwurf“ der taz.

90 Stunden harrte er bei der damaligen Räumung des Hambacher Forsts unter der Erde aus. Damals sei der Tunnel in sechs Metern Tiefe gewesen, ein verwinkelter, 15,5 Meter langer Gang mit insgesamt sechs Türen. Fast ein halbes Jahr hätte er daran gegraben, sagt „Maulwurf“.

In dem Tunnel ging es zwei Meter geradeaus, dann zwei Meter runter, wieder zwei Meter geradeaus, und nochmal um die Kurve zu dem Raum, in dem „Maulwurf“ damals ausharrte. Er erzählt, dass er gerade noch ausgestreckt liegen konnte. „Ich hatte bei der Räumung den bequemsten Platz.“ Nur die Langweile habe ihm zu schaffen gemacht. Versorgt hat er sich mit mehreren Dosen Ravioli und einem Wasserkanister – nach den vier Tagen war davon noch mehr als die Hälfte übrig.

Sauerstoff über Gartenschläuche

Auf dem Video, das am Donnerstag veröffentlich wurde, sind zwei vermummte Ak­ti­vis­t:in­nen zu sehen: „Pinky“ und „Brain“ nennen sie sich. Sie tragen dunkle Mützen, Sonnenbrillen und Stirnlampen. „Wir sind hier im Lützerather Tunnel“, sagt Pinky, „Willkommen“, ergänzt Brain. Im Video kriechen sie durch Gänge, die etwa einen Meter hoch sind. Vorbei an Holzstützen und grünen Schläuchen.

In einem Raum können sie aufrecht sitzen, neben ihnen lehnt ein altes Fenster an der Wand. Sie ziehen Kaffee aus einem Loch und scherzen: „Mach mal das Fenster auf, hier wird die Luft langsam dünn.“ Über einen Schlauch bekommen sie aber neuen Sauerstoff.

Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach, der verantwortliche Einsatzleiter, inspizierte am Freitagmittag die Eingänge zum Tunnel. und machte sich Sorgen: Die Luftzufuhr sei auf Dauer „nur unzureichend gewährleistet“, sie geschehe über schmale Gartenschläuche, so Weinspach. Die Feuerwehr überprüfe aber „permanent den Sauerstoff- und CO2-Gehalt“ in der Tiefe.

So war es auch 2012 bei „Maulwurf“. Über die Schläuche versuchte die Polizei auch, mit ihm zu kommunizieren. Das habe aber er aber verweigert. Er habe nur mit einer Person, die er gut kannte, gesprochen, „weil die Polizei auch alles Mögliche erzählt, nur um die Person da unten rauszukriegen.“

Weitere Blockaden erwartet

Schon damals war das Ziel der Protestaktion das gleiche wie das der Aktivisten heute: Die Räumung hinauszögern und teurer machen. Spezialkräfte sind notwendig, um die Aktivisten nicht in Lebensgefahr zu bringen. Damals konnte die Polizei mithilfe eines speziellen Saugbaggers zu Maulwurf vordringen. Ob das bei dem Tunnel unter Lützerath auch klappt, kann er nicht sagen. Bei ihm sei der Boden sehr sandig gewesen, aber „der auf dem Video sah sehr lehmig aus“, so „Maulwurf“.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatten Polizei und das Technische Hilfswerk versucht, den Tunnel zu räumen – zunächst aber ohne Erfolg. „Maulwurf“ ist sich sicher, dass noch „weitere Blockadetechniken innerhalb des Tunnels“ eingebaut wurden, um die Räumung weiter hinauszuzögern. Am Freitagmorgen sperrte die Polizei den Eingang zum Tunnel weitläufig ab.

Die ersten Tunnelaktionen hätte es bereits bei Protesten in Großbritannien in den 90er Jahren gegeben, erzählt „Maulwurf“. Damals versuchten die Ak­ti­vis­t:in­nen, den Straßenbau zu blockieren. Es ist eine „sehr seltene, aber sehr effektive Protestform“, sagt „Maulwurf“. Er habe sie 2008 bei den Protesten im Kelsterbacher Wald gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens für sich entdeckt.

An den Tunneln bei der Räumung im Hambacher Forst 2018, die sogar elf Meter tief gewesen sein sollen, war er nicht beteiligt. Die Räumung dauerte damals drei Tage. „Das war schon ein großer Erfolg in der Geschichte der Tunnelaktionen, weil es sechs Jahre gedauert hat, bis wieder eine Tunnelaktion gelungen ist“, sagt „Maulwurf“.

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5 Kommentare

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  • Die Tunnelaktion ist lebensgefaehrlich und damit sinnfrei.

  • Was ist wenn die Polizei sich völlig passiv verhält und alle Arbeiten zu den Tunnelinsassen einstellt?

  • Der Tunnel kann lebensgefährlich sein, insofern finde ich diese "Idee" eher idiotisch.



    Die Grünen haben sich selbst verraten. Mal schauen wie ihre Wähler darüber denken.

  • Da verlässt der Protest aber langsam den Boden den Rationalen.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @rero:

      ... oder er geht tiefer ;-)