LNG-Terminal geht in Betrieb: Wieder Gas aus Russland

Zu ersten Mal fließt Erdgas am neuen LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Ein Teil davon stammt aus Putins Reich.

LNG-Terminal in Wilhelmshaven

Hier lief am Mittwoch erstmals Gas: LNG-Terminal in Wilhelmshaven Foto: Wolfhart Scheer/NPorts/dpa

BERLIN taz | Es floss bereits einen Tag früher als angekündigt: Am Mittwoch um 9 Uhr wurde das erste Gas vom ersten deutschen Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven ins hiesige Netz eingespeist. Wegen der „engen Zusammenarbeit von Behörden und Unternehmen“, so Terminalbetreiber Uniper, sei alles zügiger gelaufen als gedacht.

Eigentlich soll das angelieferte Flüssigerdgas (LNG, Liquefied Natural Gas) den bis Anfang September noch durch Pipelines aus Russland gelieferten Brennstoff ersetzen. Aber möglicherweise stammen zumindest Teile des LNG auch aus Putins Reich.

Tatsächlich kauften die EU-Länder in diesem Jahr rund ein Viertel mehr LNG aus Russland ein als vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs – während nun auch ein Ölembargo gegen das Land greift. Hauptsächlich geht das russische LNG in Europa derzeit aber nach Frankreich und Spanien. In Spanien wurde zum Beispiel für das im Jahr 2018 eröffnete LNG-Terminal in Galicien ein Liefervertrag für 24 Jahre abgeschlossen. Das Gas kommt von der Verflüssigungsstation auf der sibirischen Jamal-Halbinsel.

In Spanien und Frankreich seien es Firmen wie TotalEnergies, Naturgy und Repsol, die langfristige Verträge mit der russischen Firma Novatek unterzeichnet hätten, sagt Andreas Schröder vom Datenunternehmen Icis, das auf Energiemärkte spezialisiert ist.

Europa kauft mehr Flüssiggas aus Russland

Aber auch andere Länder Europas kauften LNG in Russland ein. Bei den belgischen Importen aus Russland habe es im November und Dezember gar einen „bemerkenswerten Anstieg“ gegeben, sagt Schröder. Die Briten unterdessen hätten die LNG-Importe aus Russland im April bereits gestoppt.

Da Deutschland seinen Erdgasbedarf nach dem Stopp der Pipeline-Lieferungen vor allem aus LNG-Lieferungen deckt, die in Frankreich, Belgien und den Niederlanden ankamen, flossen auf diesem Wege bereits beträchtliche Mengen russischen Erdgases in die hiesigen Speicher. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, weil sich in einem zusammenhängenden Netz die Herkunft einzelner Kontingente nicht definieren lässt.

Obwohl Russland zuletzt deutlich mehr LNG lieferte als im Vorjahr, sank der Anteil russischen Erdgases an den LNG-Importen nach Europa. Das liegt daran, dass 2022 der Gesamtimport von LNG noch stärker, nämlich um gut 40 Prozent anstieg.

Der Anteil russischen LNG, der in der EU in den letzten Jahren stabil zwischen 19 und 20 Prozent gelegen hatte, liegt nun für das Jahr 2022 bei je nach Schätzung zwischen 13 bis 16 Prozent. Somit sind die Abhängigkeiten Europas von Russland beim LNG längst nicht mit den früheren Abhängigkeiten von russischem Pipelinegas vergleichbar.

„EU-Importe von russischem LNG sind vertraglich nicht russisch.“

Ob über das erste deutsche LNG-Terminal und weitere, die an der deutschen Küste in Bau sind, eines Tages auch russisches Gas direkt nach Deutschland kommen wird, ist nicht absehbar. „Wir gehen nicht davon aus, dass langfristige Verträge über die Lieferung von LNG aus Russland nach Deutschland unterzeichnet werden“, sagt Hanns Koenig vom Beratungsunternehmen Aurora Energy Research.

Allerdings gebe es auch keine Vorschriften, die Importeure daran hindern, russisches LNG auf dem Spotmarkt zu kaufen. Zumal es an den kurzfristigen Märk­ten oft schwer ist, die Herkunft zu ­benennen: „Ein Großteil des nach Europa verkauften russischen LNG ist vertraglich nicht russisch.“ Es sind oft Händler dazwischengeschaltet, zum Beispiel asiatische LNG-Käufer.

Spätestens aber wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist und die Aufmerksamkeit sich wieder von den russischen Wirtschaftsaktivitäten abgewendet hat, dürfte auch von dort LNG direkt nach Deutschland kommen.

Es ist günstig: „Aufgrund der viel kürzeren Transportwege könnte dieses Gas im Vergleich zu LNG aus anderen Quellen relativ billig verfügbar sein, was europäische Importeure dazu bewegen könnte, dieses Gas zu kaufen“, sagt Energieexperte Koenig. Das gelte insbesondere für die Wintermonate, in denen die Schließung der nördlichen Seeroute LNG-Lieferungen aus den westlichen Regionen Russlands nach Asien wesentlich verteuert. Dann wird das russische LNG auf die europäischen Märkte drängen.

USA liefert das meiste Flüssiggas nach Europa

Aktuell dominiert in der EU das LNG aus den USA. „Die USA waren es vor allem, die uns in diesem Sommer geholfen haben“, sagt Gasmarkt-Experte Schröder. 44 Prozent des LNG, das nach Europa kam, stammte in diesem Jahr von dort. Ein weiterer großer Lieferant sei Katar.

Die USA seien inzwischen allerdings am Maximum ihrer Möglichkeiten angelangt. Denn während auf der Nachfrageseite sehr schnelle Verschiebungen der globalen LNG-Ströme möglich sind, könnten Änderungen auf der Exportseite nur langfristig geschehen. „Das hat zur Folge, dass es für die Mengen, die Deutschland im Jahr 2023 importieren will, nicht genug Verträge am Markt gibt“, sagt Icis-Experte Schröder.

Die deutschen Terminals werden sich dann stets kurzfristig am Spotmarkt bedienen müssen. Deutschland wird also sein LNG, das es künftig über die eigenen Terminals importiert, anderen Ländern wegkaufen müssen.

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