Shitstorm gegen Comedian Somuncu: Kein doppelter Boden

Kabarettist Serdar Somuncu beleidigt Frauen in einem Podcast vom rbb. Der Sender entschuldigt sich, verweist aber auf die Satirefreiheit. So einfach?

Portrait

Provo-Komiker Serdar Somuncu als Hitler in „Mein Kampf“ 2000 im Berliner Ku'damm-Karree Foto: Rolf Zöllner

Was darf Satire? Diese große Frage schwirrt gerade mal wieder durch die sozialen Medien und Zeitungen. Ihren Anlauf nahm sie dieses Mal am 7. September.

Fast unbemerkt startete da ein neuer Podcast bei radioeins des Rundfunks Berlin-Brandenburg. ­„Schroe­der & Somuncu“ heißt er und wird moderiert von den Satirikern Florian Schröder und Serdar Somuncu. Im Ankündiger der Sendung heißt es, Schröder und Somuncu würden „die politisch-gesellschaftliche Großwetterlage einer handfesten Analyse, die man so noch nie gehört hat“, unterziehen.

Einige Tage später, am Dienstag dieser Woche, teilte der Journalist Malcolm Ohanwe einen zweiminütigen Ausschnitt aus dem sonst knapp dreistündigen Podcast auf Twitter. Zu hören ist da, wie sich Somuncu rassistisch äußert und zugibt, dass es ihm „scheißegal“ sei, was andere denken. Er werde weiterhin Begriffe wie „Zigeunerschnitzel“ oder das N-Wort (er spricht es aus) benutzen, beteuert er. Somuncus Wuttirade mündet darin, dass er über einen Zusammenhang zwischen sexuellen Aktivitäten und Texten von feministischen Kolumnistinnen mutmaßt. Den genauen Wortlaut seiner Aussagen sparen wir uns an dieser Stelle. Und Florian Schröder? Den hört man im Hintergrund lachen.

Der Shitstorm und die Empörung, die folgte, war enorm. Der Vorwurf in den sozialen Medien: Hier ging es nicht um Satire, was Schröder und Somuncu da sagten, sei blanker Rassismus und frauenfeindlich.

Stellungnahme des Senders

Noch am selben Tag der Veröffentlichung des Ausschnitts reagierte der Sender. Es wurde getagt, beraten und am Ende stand eine Stellungnahme: „Radioeins hatte niemals die Absicht, rassistische oder sexistische Stereotype zu befördern“, heißt es darin. Aber radioeins macht auch klar: Es handle sich um Comedy und Satire und eine gezielte Provokation. Die veröffentlichten Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen und könnten ohne Kontext nicht verstanden und bewertet werden.

Später äußerten sich auch Schröder, Somuncu und radioeins-Programmchef Robert Skuppin live im Radio zu den Vorwürfen. Auch hier: Entschuldigung vom Sender, die Versicherung, niemals die Absicht gehabt zu haben, jemanden zu verletzen, und gleichzeitige Verteidigung, es sei ja schließlich alles Satire. Somuncus Kommentar: Er sei Satiriker und beleidige alle gleichermaßen: Frauen, Juden, Türken – und auch Hunde! Schröder: Die Aussagen von Somuncu seien ein performativer Akt gewesen, eine Show. Er habe über diese Show gelacht.

Was ist nun dran am Vorwurf, die Bewertung des Ausschnitts würde anders ausfallen, hätte man die gesamten drei Stunden der Podcastfolge gehört? Leider wenig. Denn kurz bevor der angebliche „performative Akt“ von Somuncu einsetzt, sagt dieser: „Das fordert eine Ehrlichkeit heraus, die verletzend ist.“ Später dann folgen die frauenverachtenden Ausfälle. Und auch an anderen Stellen im Podcast wird Somuncu sprachlich ausfallend. Zum Beispiel, wenn er über „Asoziale“ herzieht, sich fragt, „wieso die es schaffen, so viele Kinder zu machen“. Oder wenn er Männer als Schwuchteln bezeichnet.

Der Kontext

Dass sich über ihren Podcast empört würde, das haben Schröder und Somuncu, wenn man denn so will, vorhergesehen. Denn sie thematisieren explizit die Frage, wie man bewusst Shitstorms mit Satire herbeiführen kann, welche Grenzen dafür überschritten werden müssen und ob radio­eins einzelne Teile dieser Sendung zensieren oder die beiden Männer direkt rausschmeißen würde.

Entscheidend ist: Schröder und Somuncu erörtern in den drei Stunden Podcast sehr ernsthaft und persönlich genau solche Fragen. Sicher, es wird gelacht, es werden Witze gemacht. Aber: Der Kontext, in dem Somuncu ausfallend wird, kann durchaus als einer verstanden werden, in dem auch er ehrlich spricht.

Man kann ihre Sendung als große Show und Kunst auffassen, die damit das Mediensystem entlarvt und Empörung hervorgerufen hat. Viel naheliegender aber ist, dass sich Schröder und Somuncu hinter platten Aussagen verstecken, die sie nun als vermeintliche Satire labeln.

Nächste Folge

Wer Kabarett und Satire nicht verstehe, der habe den Bezug zur Realität verloren, behauptet Somuncu auf radio­eins. Letztlich sollte doch aber gelten: Offensichtlich rassistisch, sexistisch und frauenverachtend zu sein, ist keine Kunst. Es gibt dabei keinerlei Entfremdung, keinen doppelten Boden, keine Pointe. Es bleibt Reproduktion und Verletzung.

Fraglich bleibt, ob Schröder und Somuncu – und der Sender – für die nächste Folge dazugelernt haben. Denn es wird sie geben, die nächste Folge: Der Podcast läuft ab jetzt alle 14 Tage bei radioeins.

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