US-Außenminister in Nahost: Pompeo und die 22-Staaten-Lösung
Der US-Außenminister wirbt in arabischen Staaten für Beziehungen zu Israel. Im Koffer hat er US-Sanktionen – und einen heiklen Waffendeal.
Stattdessen versucht Pompeo die arabische Welt von seiner 22-Staaten Lösung zu überzeugen. Nach der Ankündigung der Vereinigten Arabischen Emirate am 13. August, Beziehungen zu Israel aufnehmen zu wollen, versucht Pompeo nun, weitere Mitglieder der 22-köpfigen Arabischen Liga dazu zu bringen, dem Schritt zu folgen. Bisher unterhalten nur Ägypten und Jordanien diplomatische Beziehungen zu Israel. „Wir sind voller Hoffnung, dass wir andere arabische Staaten sehen werden, die mitmachen“, verkündete Pompeo auf der ersten Station seiner Reise am Montag in Israel.
Schon seinen Direktflug von Israel in den Sudan am nächsten Morgen verkaufte Pompeo als historischen Erfolg. Aber das war dann auch schon das Ende seiner Erfolgsserie. Im Sudan erhielt er nach Gesprächen mit Premierminister Abdalla Hamdok eine Abfuhr. Regierungssprecher Faisal Saleh erklärte, dass die nicht gewählte Übergangsregierung im Sudan kein Mandat habe, einen derartigen Schritt zu entscheiden. Die Übergangsregierung ist Ergebnis eines Machtteilungsabkommen in Khartum zwischen den Militärs und einer Regierung, die nach dem Sturz Omar al-Baschirs letztes Jahr gebildet wurde. Erst 2022 soll gewählt werden.
Damit ist Pompeo mit seinem Erpressungsversuch gescheitert, die Aufhebung von US-Sanktionen gegen den Sudan mit der Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu verbinden. Die Sanktionen stammen aus Zeiten Baschirs. Washington hatte den Sudan 1990 auf die Liste der Sponsoren des internationalen Terrorismus gesetzt, da Al-Qaida-Chef Usama bin Laden damals zeitweise im Sudan lebte. Später wurden sie aufgrund des Völkermordes im Darfurkonflikt erweitert.
Sudans neue Regierung kämpft mit der wirtschaftlichen Isolation als Folge der US-Sanktionen, die es dem Land schwer machen, Geld auf den Finanzmärkten zu leihen. Trotzdem lehnt sie eine Verbindung der Aufhebung der Sanktionen mit der Aufnahme von Beziehungen zu Israel bislang ab.
Bahrein hält an Zweistaatenlösung fest
Im Anschluss reiste der US-Außenminister weiter nach Bahrein. Letztes Jahr war Bahrein Gastgeber einer von Washington gesponserten Wirtschaftskonferenz, an der auch Israelis teilnahmen. König Hamad bin Isa Al Chalifa sagte allerdings am Mittwoch bei seinem Treffen mit Pompeo, sein Land sei weiter der arabischen Friedensinitiative aus dem Jahr 2002 verpflichtet. Das dämpft die Hoffnung auf eine schnelle Aufnahme diplomatischer Kontakte zu Israel, denn diese sieht als Voraussetzung für eine Anerkennung Israels die Gründung eines palästinensischen Staats vor.
Pompeos nächste Station sollten die Emirate selbst sein. Anders als der Sudan machen sich die Emiratis keine Gedanken über ein fehlendes demokratisches Mandat. Dort herrschen die Emire autokratisch. Dennoch ist der Deal noch nicht vollkommen eingetütet, den Trump im September in einer großen Zeremonie im Weißen Haus feiern möchte. Streitpunkt ist hier eine in Aussicht gestellte Lieferung hochmoderner US-Kampfjets an die Emirate, die diese als eine der Bedingungen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel definieren.
Israels Premier Benjamin Netanjahu hatte bei Pompeos erstem Stopp in Israel erklärt, dass der Normalisierung-Deal mit den Emiraten keinerlei solche Waffenlieferungen beinhaltet. Er erklärte öffentlich seinen Einspruch gegen diese Waffenlieferung, denn sie widerspreche einem Abkommen zwischen den USA und Israel, das bei US-Waffenlieferungen in die Region stets garantiert, dass allein Israel die neuesten Waffengenerationen geliefert bekommt – ein Streit, der noch nicht ausgestanden ist.
Was macht Saudi-Arabien?
Die große Frage aber ist, wie sich das Filetstück in der Region, Saudi-Arabien, verhalten wird. Der größte Golfstaat ist nicht in die Reisepläne Pompeos einbezogen. Wie Bahrain besteht das Königreich offiziell weiter auf dem alten arabischen Friedensplan, den es selbst 2002 ins Leben gerufen hatte. Damals erklärten die Länder der Arabischen Liga ihre Abkehr von den „Drei Neins“: dem „Nein“ zur Anerkennung, zu Verhandlungen und zum Frieden mit Israel.
Stattdessen brachten sie die Formel „Land für Frieden“ ins Spiel, die bis heute offiziell für die Arabische Liga gilt. Die arabischen Länder boten Israel Frieden und diplomatische Beziehungen an, wenn Israel sich im Gegenzug aus allen 1967 besetzten Gebieten zurückzieht und einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt anerkennt. Darüber hinaus wurde eine gerechte Lösung der palästinensischen Flüchtlingsfrage gefordert.
Die Grundlage des Deals zwischen Israel und den Emiraten ist dagegen nur ein vages israelische Versprechen, zumindest vorerst keine weiteren 1967 besetzten Gebiete im Westjordanland durch eine Annexion dem israelischen Staatsgebiet einzuverleiben.
In der ersten Septemberwoche wird Trumps Schwiegersohn Jared Kushner erneut versuchen, bei einer Nahostreise die 22-Staatenlösung voranzutreiben. Dabei wird er sein Augenmerk vor allem auf Saudi-Arabien legen und den saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman treffen. Der könnte sich als Wildcard erweisen und am Ende doch noch Natanjahu in Washington die Hände schütteln und den Emiratis die Show klauen.
Netanjahu hätte dann sein arabisches Filetstück, Trump seinen außenpolitischen Erfolg vor der US-Wahl und Muhammad bin Salman könnte sein Image als Auftraggeber für den Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi und als Architekt des verheerenden Jemenkriegs abstreifen. Nur die Palästinenser blieben dann wieder als große Verlierer außen vor.
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