Israel und die Emirate nähern sich an: Ein Knall und ein Aber

Israel und die Emirate wollen Beziehungen aufnehmen, die Annexionen im Westjordanland werden aufgeschoben. Sie sind aber nicht vom Tisch, sagt Netanjahu.

Netanjahu mit Mundschutz

Rudert gleich wieder ein Stück zurück: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Foto: ap

BERLIN taz | Man hatte sich schon mehrfach die Augen gerieben in den vergangenen Monaten: Da wandte sich ein Top-Diplomat der Vereinigten Arabischen Emirate im Juni in einem langen Gastbeitrag auf Seite 1 einer israelischen Tageszeitung direkt an die BürgerInnen des jüdischen Staats – ein historischer Vorgang. Zwar warnte er in klaren Worten vor Israels Plänen, Teile des Westjordanlands zu annektieren, aber er bot auch eine Normalisierung der Beziehungen an.

Ebenjener Yousef al-Otaiba, der emiratische Botschafter in den USA, war auch einer von drei golfarabischen Botschaftern, die im Januar anwesend waren, als US-Präsident Donald Trump und Israels Premier Benjamin Netanjahu im Weißen Haus den umstrittenen US-Plan für den Nahen Osten vorstellten, der ganz im Sinne der israelischen Rechten ist, während die Palästinenser noch nicht einmal einbezogen worden waren in die Konsultationen.

Trotzdem schlug die Nachricht am Donnerstagnachmittag ein wie eine Bombe: Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate nehmen diplomatische Beziehungen auf. Beide Staaten streben eine „vollständige Normalisierung ihrer Beziehungen“ an, wie sie in einer gemeinsamen Erklärung mit der US-Regierung verkündeten. Trump preschte als Erster vor, sprach auf Twitter von einem „riesigen Durchbruch“ und „einer historischen Friedensvereinbarung“.

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Im Gegenzug will Israels Regierung Abstand nehmen von ihrem seit Monaten diskutierten und international kritisierten Plan, bis zu 30 Prozent des palästinensischen, von Israel seit 1967 besetzten Westjordanlands zu annektieren – zumindest vorerst: Israel werde die Pläne „aussetzen“ heißt es, von einem endgültigen Verzicht ist nicht die Rede. Im Gegenteil: Noch am Donnerstagabend betonte Netanjahu vor Journalisten in Jerusalem: „Es gibt keinerlei Änderung meines Plans, die israelische Souveränität auszuweiten.“ Trump habe jedoch darum gebeten, dass er die Pläne aufschiebe.

Zunächst wolle sich Israel darauf konzentrieren, die Beziehungen zu anderen Staaten in der „arabischen und muslimischen Welt“ zu stärken, heißt es in der Erklärung. In den kommenden Wochen werden sich demnach Delegationen beider Länder treffen, um bilaterale Abkommen zu erzielen, etwa in den Bereichen Tourismus, Sicherheit, Technologie, Energie und Gesundheit.

„Dieser historische diplomatische Durchbruch wird den Frieden in der Region des Nahen Ostens voranbringen“, heißt es in der Erklärung. Im Weißen Haus fügte Trump hinzu, das Abkommen solle nach dem im Juden- und Christentum sowie im Islam anerkannten Propheten Abraham benannt werden, der für die Verbindung der Weltreligionen stehe.

Eine Absichtserklärung – kein Vertrag

Der am Donnerstag veröffentlichte Text ist kein Vertrag, sondern eine Absichtserklärung der drei Staaten. Sollte es tatsächlich zu einer Normalisierung der Beziehungen kommen, wäre dies jedoch historisch. Die Emirate wären der erste Golfstaat und der dritte beziehungsweise vierte arabische Staat überhaupt, der volle diplomatische Beziehungen zu Israel aufnimmt. Mauretanien hatte Israel zwischenzeitlich anerkannt, die Beziehungen 2009 aber wieder abgebrochen.

Momentan unterhalten allein Ägypten und Jordanien seit ihren Friedensverträgen 1979 und 1994 diplomatische Beziehungen mit Israel. Allerdings blieben diese stets angespannt und beschränken sich weitgehend auf Wirtschafts- und Sicherheitszusammenarbeit. Ein Austausch der BürgerInnen der jeweiligen Länder untereinander blieb fast vollständig aus.

Erste Reaktionen auf die Erklärung der drei Staaten fielen am Donnerstag unterschiedlich aus: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der offenbar eingeweiht war, begrüßte die Ankündigung. Er habe die Mitteilung über den Stopp der Annexion der palästinensischen Gebiete durch Israel mit „großem Interesse und Anerkennung“ verfolgt, twitterte er. Er schätze die Bemühungen der Beteiligten, die für Frieden sorgen und „Wohlstand und Stabilität“ in die Region bringen wollten.

Dagegen kritisierte die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi die Einigung. Die Emirate hätten ihre bislang geheimen Beziehungen zu Israel jetzt bloß öffentlich gemacht. „Bitte tut uns keine Gefallen – wir werden niemandem als Feigenblatt dienen!“ Präsident Mahmud Abbas äußerte sich bis Donnerstagabend nicht. Die Hamas, die im Gazastreifen regiert, kritisierte die Einigung. Sie diene nicht den Rechten der Palästinenser und ermutige die israelische Besatzungsmacht.

Punktet Trump mit einem Durchbruch?

Für Donald Trump könnte Bewegung in Nahost so kurz vor der US-Wahl WählerInnenstimmen bringen. Er hatte seinen im Januar vorgestellten Nahostplan, der eine Annexion von Teilen der besetzten Gebiete vorsieht, als „Deal des Jahrhunderts“ verkauft. Auch wenn eine Annexion mit den jüngsten Entwicklungen zunächst in die Ferne rückt, dürfte er argumentieren, dass es ohne seinen Plan nicht zu der Annäherung zwischen Israel und den Emiraten gekommen wäre.

Auch Benjamin Netanjahu kann die Annäherung innenpolitisch für sich verbuchen – auch wenn er damit sein Wahlversprechen der Annexion bricht. Den Schulterschluss mit den Emiraten wird er als Teil einer Annäherung an die sunnitischen, dem Iran feindlich gesinnten Golfstaaten verkaufen. Netanjahu, der innenpolitisch stark unter Druck steht, hatte zuletzt gezögert, die angekündigte Annexion wirklich einzuleiten, was ihm besonders im rechten Lager sowie in der Siedlerbewegung Kritik einbrachte.

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