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„Süddeutsche“-Reporter über FPÖ-Video„Wir müssen berichten“

Ließen sich „Spiegel“ und „SZ“ mit dem Strache-Video für eine Kampagne einspannen? Und wenn schon, sagt Bastian Obermayer von der „Süddeutschen“.

Die Worte von Strache sind von „überragendem öffentlichen Interesse“, sagt Bastian Obermayer Foto: dpa
Peter Weissenburger
Interview von Peter Weissenburger

taz: Herr Obermayer, war Ihnen klar, dass außer SZ und Spiegel noch andere von dem Strache-Video wussten? Und zwar Jan Böhmermann und das Zentrum für Politische Schönheit?

Bastian Obermayer: Bei Böhmermann haben wir das irgendwann erfahren. Was das Zentrum für Politische Schönheit angeht, hatte ich nicht die geringste Ahnung, und ich weiß auch jetzt nicht, ob das wirklich stimmt. Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit. Es ist für uns nicht von Interesse, was die Quelle sonst mit den Daten macht, denn wir sind nicht die Beratungsinstanz der Quelle.

Es gibt dieses Video seit zwei Jahren. Etwa vor zwei Monaten haben Sie den Tipp bekommen, das Material aber erst jetzt, ganz kurz vor der Europawahl. Und dazu kommt, dass noch andere davon gewusst haben. Haben Sie sich zwischendurch mal gefragt, ob Sie da eingespannt werden in eine politische Kampagne?

Darüber haben wir natürlich die ganze Zeit nachgedacht – und das kann ich letztlich nicht ausschließen. Wir sind aber am Ende zu dem Entschluss gekommen, dass das überragende öffentliche Interesse an dem, was Herr Strache da von sich gibt, die ganzen anderen Erwägungen übertrifft.

Im Interview: Bastian Obermayer

Leitet das Investigativ­ressort der SZ und war mit anderen für die Strache-Story zuständig. Als Teil des Teams der Panama-Papers erhielt Obermayer mehrere Auszeichnungen.

Einfacher gesagt: Wir müssen berichten, was Herr Strache sagt, weil es von überwältigender Wichtigkeit ist für die Menschen, zu wissen, dass der Vizekanzler offenbar korrupten Avancen gegenüber offen ist. Dass er ein Mediensystem wie unter Orbán wünscht, das keine freie Presse mehr garantiert – und dass er versucht, illegale Spenden einzusetzen. Da spielt es für mich am Ende eine untergeordnete Rolle, wer das Video wann gemacht hat. Oder warum wir es jetzt bekommen und nicht zu einem anderen Zeitpunkt.

Es handelt sich bei dem Video um ein durch Täuschung herbeigeführtes Ereignis. Würde man so etwas im Journalismus selbst machen, dann gälte das als unredlich, weil man selber Einfluss genommen hat.

Schon da unterscheiden sich die Meinungen. Günter Wallraff gilt als einer der exzellentesten Investigativjournalisten Deutschlands. Der hat genau das gemacht, bei der Bild-Zeitung, und das war fantastische Arbeit. Jeder muss dafür geradestehen können, welche Methoden er wählt. Wir bei der SZ machen so etwas tatsächlich nicht. Wir gehen nie undercover.

Das finde ich übrigens nicht unbedingt richtig – in Amerika gab es im letzten Jahr zum Beispiel eine fantastische Reportage von einem Reporter, der sich in ein Gefängnis hat einschleusen lassen. Nur so konnte er berichten, wie es da wirklich zugeht. Bei uns bei der Süddeutschen ist diese Herangehensweise, wie gesagt, grundsätzlich ausgeschlossen. Was wir aber machen: Wenn uns solches Material zugespielt wird, dann schauen wir, wie hoch das öffentliche Interesse ist. Und diese Frage ist im vorliegenden Fall sehr eindeutig zu beantworten. Daher war für uns klar, dass wir das bringen mussten.

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24 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Auch wenn man FPÖ und Herrn Strache nicht mag, so ist es dennoch möglich, zu hinterfragen, ob die Zuspitzung dieses Themas kurz vor der Europawahl (wie auch die Rolle der beteiligten Medien) der Weisheit letzter Schluss sind.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Es gibt für politische Hinrichtungen dieses Kalibers keinen "geschmackvollen" Zeitpunkt. Die beiden Akteure waren zwingend erledigt und die Koalition der FPÖ mit der ÖVP auch. Die Europawahl war sicher ein taktisch gewählter Zeitpunkt, aber im Wahlkampf so verwundbar zu sein, haben sich die Betroffenen vollständig selbst zuzuschreiben. Wer so handelt bzw. sich solche Verbündete aussucht, der ist es selbst schuld. Gnade sollte jedenfalls auf der politischen Bühne niemand erwarten - das bewahrt vor Enttäuschungen.

      Ich würde daher - wenn überhaupt - das Zurückhalten über den frühestmöglichen Zeitpunkt der Veröffentlichung hinaus hinterfragen. Aber das hängt natürlich stark davon ab, wer die "Producer" waren und welche Ziele sie verfolgten.

      Und da wird's eh ein wenig matschig: Deren liebloser Umgang mit - auch bei Rechtsradikalen - unveräußerlichen Menschenrechten ihrer Hauptdarsteller ist ohnehin schon weit schlimmer als "nicht der Weiheit letzter Schluss". Den noch viel höeren Maßstab vollendeter journalistischer Ethik (im Sinne des "All the news that's fit to print" der NYT) kann man eh nur von Journalisten verlangen.

      Das SZ und Spiegel schuldhaft mit der Veröffentlichung gezögert haben, wage ich jedenfalls zu bezweifeln. Der Verifikationsprozess dürfte in jedem Fall die Wochen gebraucht haben, die sie das Material angeblich schion kannten.

      • @Normalo:

        Da haben die schon vorgesorgt:



        AEMR Art. 30: (Auslegungsregel)



        "Keine Bestimmung dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, welche die Beseitigung der in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten zum Ziel hat."

        Das mit der Würde und der Privatsphäre brauchen bei Strache & Co. auch keine anderen zu machen, wer vermeintliche Wirtschaftsvertreterinnen mit gehörig Kapital im Hintergrund in deren Outfit empfängt, dabei übelste Schublade sexistisch ist und noch davon ausgeht (Russen! KGB!) unbeobachtet zu sein, hats eh verkackt. Das mit dem Verrat an Volk und Vaterland für ein paar Silberlinge, nuja, wer erwartet von Faschos was anderes?

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        Ich bin beeindruckt, was Sie alles zu meinem doch eher läppischen Post schreiben können und es erfreut mich. Auch Ihre sehr dezente Kritik nehme ich gerne an.

        Darf ich zukünftig Ihr Stichwortgeber sein? Das käme meiner Faulheit seeehr entgegen. ;-)

  • Selbstverständlich musste man das Video veröffentlichen. Die Frage stellt sich einfach nicht. Und sich über die Herkunft des Vudeos Gedanken zu machen würde ich auch nicht empfehlen. Das ist nur Ablenkung. Obwohl, eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen diesbezüglich mal den Mossad ins Spiel zu bringen. Das wäre doch schick. Professionell genug war die Operation ja und hübsche Russinnen gibt es in Israel bestimmt auch genug. Und so mancher sowohl Kurz- als auch Israel- Freund würde vielleicht auch mal merken, dass da möglicherweise irgendetwas bei ihm selber nicht passt. Vielleicht hilft ja schon diese kleine Anregung. Obwohl, wenn ich mir so das Verhältnis von Netanjahu zu Orban ansehe, dann scheint es doch eher so, dass Israel nur dann gegen Faschismus und Antisemitismus kämpft wenn er nicht gerade von einem Freund des Ministeroräsidenten kommt. Dann ist es eigentlich auch nicht so wahrscheinlich, dass der seinen Geheimdienst gegen die FPÖ losschickt. Ha, ich weiß es! Die Ukraine! Der Komiker und sein Mäzen haben das Band aus dem Giftschrank geholt. Eine Operation gegen die Russland- Connections der europäischen Rechtspopulisten. Logisch! Jetzt haben wir das geklärt. Ist aber wie gesagt eigentlich nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass diese Trottel sich als kriminell, selbstherrlich, dumm und obendrein noch geschmacklos erwiesen haben.

    • @Benedikt Bräutigam:

      " ...... und hübsche Russinnen gibt es in Israel bestimmt auch genug. ..."



      Gibt es. In besonders großer Anzahl in Tel Aviv mit eigenem Theater, Magasin, Fernsehkanal, Restaurants, Cafés usw ......

    • @Benedikt Bräutigam:

      Dem letzten Satz kann ich nur zustimmen obwohl, wenn ich diese ganze Aktion organisiert hätte wann wäre auch in den getränken etwas das stärker enthemmt als Alk dringewesen um sicherzustellen dass auch wirklich was Verwertbares passiert. Ausserdem, der Komiker war damals noch garnicht an der Regierung, das war Poroschenko, ein Oligarch (!). Und wenn wir schon Namen nennen, dann würde ich nocht George Soros hinzufügen und Erdogan. Dem passt das ganze doch auch gut in den Kram Der Bundesregierung auch, wenn man schonmal der Fanatsie freien lauf lässt... Obwohl der BND für sowas eigentlich zu unprofessionell ist.

  • Die Frage, die ich mir stelle: Wofür haben die zwei Monate gebraucht?

    • @Strolch:

      "Etwa vor zwei Monaten haben Sie den Tipp bekommen, das Material aber erst jetzt, ganz kurz vor der Europawahl."

      Ohne Material, keine Berichterstattung...

      • @JGGB:

        Stand in der Interviewer-Frage. Die hatte ich nur überflogen. Mein Fehler. Danke für den Hinweis.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Daher war für uns klar, dass wir das bringen mussten.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @82286 (Profil gelöscht):

      Punkt,

  • Das Geeier fängt schon. Im Grunde wissen alle, dass solche Videos nicht seriös sind und mit einer gezielten Absicht hergestellt werden. Jetzt hat es "die Richtigen" getroffen. Aber was ist, wenn morgen "die Falschen" Opfer solcher Methoden werden?

    • @TazTiz:

      „Aber was ist, wenn morgen "die Falschen" Opfer solcher Methoden werden?“

      Da gibt es keine „Falschen“. Wenn sich solche Abgründe auftun, trifft es immer den Richtigen. Wer so mit der Hand in der Keksdose erwischt wird, muss erst öffentlich bloß- und dann politisch kaltgestellt werden, egal welcher Partei er angehört.

      Allerdings glaube ich nicht, dass es noch jemanden gibt, der angesichts einer russischen Oligarchenerbin dermaßen zu sabbern anfängt wie Strache.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Zwieblinger:

        Schließe mich an. Wer bei solchen Dämlichkeiten erwischt wird, kann nur der Richtige sein.

  • Natürlich muss das veröffentlicht werden.



    Das Zuschanzen von staatlichen Aufträgen für Wahlkampfhilfe ist ein absolutes NoGo.

    Es ist jedoch naiv und demokratieschädlich, nicht die Frage nach den Hintermännern und ihren Motiven zu stellen.



    Wer hat das inszeniert ?



    Warum wurde es erst nach ca. 2 Jahren verwendet?



    Es geht nicht an, dass Gruppen Kompromat sammeln und es nach Gusto streuen.

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Noch mal : Spiegel und Sz wissen das die Situation gestellt ist , also Fake. Man könnte auch vermuten, dass der Politiker und die Partei damit erpresst werden sollten. Nachdem die Erpressung nicht funktionierte wurde das Material an Presse und diverse Organisationen verkauft um wenigstens die Unkosten wieder herein zu bekommen.



    D.h. Politiker sind käuflich,die Presse ist käuflich und prüft die Quellen nicht, und die Leute gehen nicht zur Wahl oder wählen AfD. Spiegel und Süddeutsche bedienen eben auch ein bestimmtes Klientel und sind nicht unabhängig.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      [...] und aufhören das ganze kleinzureden in dem man sagt das alle anderen ja genauso scheiße sind. Das ist nicht hilfreich.

      Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Moderation

    • @97287 (Profil gelöscht):

      Nur die Oligarchenerbin war “fake”, Straches Absichten,politische Einflussnahme gegen öffentliche Aufträge einzutauschen, war sehr real.



      Insofern ist es auch keine Täuschung im eigentlichen Sinne,ihm war ja auch die Gelegenheit gegeben,derartige Deals abzulehnen. :)

      • @pippilotta_viktualia:

        In dem Video wird die Großmäuligkeit Straches vorgeführt; er sabbert nach der Russin. Allerdings wurde durch die Fallensteller-Profis nachgeholfen: Mit erheblichen Mengen Alkohol und möglicherweise Substanzen, sechs Stunden lang.



        Es gibt Unterschiede zur deutschen Realität: Barschel, Engholm, Schäubles Umschlag, Kohls Bimbes, Regensburg, da sind offiziell im Amt Straftaten begangen oder Vorteile in Anspruch genommen worden (Luxusreisen), wohingegen Strache nur im privaten Kreis große Töne spuckt.



        Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos ist exakt gewählt: Wer profitiert davon so kurz vor der Wahl des EU-Parlaments? Spiegel und SZ geben die Handlanger der kriminellen Machenschaften.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Andreas Bitz:

          Sie möchten gerne die Legende vom Opferstatus Herrn Straches stricken?

          Auch wenn an den Begleitumständen manches kritikabel ist: die Aussagen Straches stehen.

          Dumm für ihn, dass er sich dabei auf so plumpe Weise selbst entlarvt hat. Schön für seine politischen Gegner.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      „die Presse ist käuflich und prüft die Quellen nicht“

      Das ist zumindest in diesem Fall nicht wahr. Es war überall zu lesen, dass Spiegel und SZ das Video vom Fraunhofer-Institut akribisch daraufhin untersuchen ließen, ob es Spuren von Verfälschungen gibt, bevor sie es veröffentlichten.

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @Zwieblinger:

        Wenn man jemanden mit der Keule erschlägt, lässt man dann die Keule am Fraunhoferˋ- Institut untersuchen oder versucht man den Täter zu identifizieren?