„Süddeutsche“-Reporter über FPÖ-Video: „Wir müssen berichten“
Ließen sich „Spiegel“ und „SZ“ mit dem Strache-Video für eine Kampagne einspannen? Und wenn schon, sagt Bastian Obermayer von der „Süddeutschen“.
taz: Herr Obermayer, war Ihnen klar, dass außer SZ und Spiegel noch andere von dem Strache-Video wussten? Und zwar Jan Böhmermann und das Zentrum für Politische Schönheit?
Bastian Obermayer: Bei Böhmermann haben wir das irgendwann erfahren. Was das Zentrum für Politische Schönheit angeht, hatte ich nicht die geringste Ahnung, und ich weiß auch jetzt nicht, ob das wirklich stimmt. Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit. Es ist für uns nicht von Interesse, was die Quelle sonst mit den Daten macht, denn wir sind nicht die Beratungsinstanz der Quelle.
Es gibt dieses Video seit zwei Jahren. Etwa vor zwei Monaten haben Sie den Tipp bekommen, das Material aber erst jetzt, ganz kurz vor der Europawahl. Und dazu kommt, dass noch andere davon gewusst haben. Haben Sie sich zwischendurch mal gefragt, ob Sie da eingespannt werden in eine politische Kampagne?
Darüber haben wir natürlich die ganze Zeit nachgedacht – und das kann ich letztlich nicht ausschließen. Wir sind aber am Ende zu dem Entschluss gekommen, dass das überragende öffentliche Interesse an dem, was Herr Strache da von sich gibt, die ganzen anderen Erwägungen übertrifft.
Leitet das Investigativressort der SZ und war mit anderen für die Strache-Story zuständig. Als Teil des Teams der Panama-Papers erhielt Obermayer mehrere Auszeichnungen.
Einfacher gesagt: Wir müssen berichten, was Herr Strache sagt, weil es von überwältigender Wichtigkeit ist für die Menschen, zu wissen, dass der Vizekanzler offenbar korrupten Avancen gegenüber offen ist. Dass er ein Mediensystem wie unter Orbán wünscht, das keine freie Presse mehr garantiert – und dass er versucht, illegale Spenden einzusetzen. Da spielt es für mich am Ende eine untergeordnete Rolle, wer das Video wann gemacht hat. Oder warum wir es jetzt bekommen und nicht zu einem anderen Zeitpunkt.
Es handelt sich bei dem Video um ein durch Täuschung herbeigeführtes Ereignis. Würde man so etwas im Journalismus selbst machen, dann gälte das als unredlich, weil man selber Einfluss genommen hat.
Schon da unterscheiden sich die Meinungen. Günter Wallraff gilt als einer der exzellentesten Investigativjournalisten Deutschlands. Der hat genau das gemacht, bei der Bild-Zeitung, und das war fantastische Arbeit. Jeder muss dafür geradestehen können, welche Methoden er wählt. Wir bei der SZ machen so etwas tatsächlich nicht. Wir gehen nie undercover.
Das finde ich übrigens nicht unbedingt richtig – in Amerika gab es im letzten Jahr zum Beispiel eine fantastische Reportage von einem Reporter, der sich in ein Gefängnis hat einschleusen lassen. Nur so konnte er berichten, wie es da wirklich zugeht. Bei uns bei der Süddeutschen ist diese Herangehensweise, wie gesagt, grundsätzlich ausgeschlossen. Was wir aber machen: Wenn uns solches Material zugespielt wird, dann schauen wir, wie hoch das öffentliche Interesse ist. Und diese Frage ist im vorliegenden Fall sehr eindeutig zu beantworten. Daher war für uns klar, dass wir das bringen mussten.
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