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ZDF-Sendung „Klartext“Weidel gegen Weidel

Im ZDF-Format „Klartext“ haben sich die Kanz­ler­kan­di­da­t*in­nen den Fragen der Zu­schaue­r*in­nen gestellt. Für Alice Weidel war die Konfrontation eine Blamage.

Keinen Plan, aber gerne pampig: Alice Weidel Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Olaf Scholz, Robert Habeck, Alice Weidel und Friedrich Merz an einem Abend: Das gab es am Donnerstag bei „Klartext“, einem ZDF-Format, in dem die vier Kanzlerkan­di­da­t*in­nen von den Jour­na­lis­t*in­nen Bettina Schausten und Christian Sievers nacheinander empfangen wurden. Die Fragen stellten dabei nicht die Jour­na­lis­t*in­nen, sondern das Publikum – 120 Bürger*innen, vom ZDF ausgewählt.

Nach zweieinhalb Stunden Sendezeit bleibt vor allem die Erkenntnis: Die Zu­schaue­r*in­nen konnten Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, inhaltlich besser auf die Probe stellen als alle Talkshowhosts der deutschen Medienlandschaft zusammen. Auf dem Programm standen Fragen, die sie für wichtig hielten: Inflation, Mobilität, sichere Arbeitsplätze, faire Löhne, bezahlbare Energie, der Krieg in der Ukraine. Weil Weidel sich anders als bei ihrem Lieblingsthema Migration nicht auf die Konstruktion von Feindbildern zurückziehen konnte, scheiterte sie an Inhaltsleere.

Scholz scholzig, Merz merzig, Habeck bekommt Szenenapplaus

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte den relativ farblosen Auftakt der Sendung. Er rechnete sich vor allem das an, was er verhindern konnte: Es gab keine leeren Gasspeicher durch Russlands Angriff auf die Ukraine, keine deshalb ungeheizten Wohnungen. Zum Schluss seiner 30 Minuten übergab er an Robert Habeck (Grüne), dem er zur Begrüßung herzlich auf die Schulter klopfte. „Duzen Sie sich eigentlich?“, fragte die Moderatorin. Scholz antwortete: „Wir mögen uns sogar.“

Habeck konnte den ersten Szenenapplaus für sich verbuchen, als er für Kompromisse in der Politik warb. Das Format lag ihm, er bewegte sich im Raum, beugte sich den Fragestellenden zu, schaffte es, zum Publikum Verbindung aufzubauen. Mit Applaus für eine Warnung vor „österreichischen Verhältnissen“ übergab er an Alice Weidel. „Wir gehen aneinander vorbei“, antwortete Habeck frostig auf die Frage, ob sich die beiden grüßen würden.

Friedrich Merz (CDU) hatte als Letzter das Wort. Er musste sich einer erhitzten Diskussion mit einem Zuschauer stellen, der von ihm einen Plan für eine sozial verträgliche Umstellung auf klimaverträgliche Heizungen forderte. Viel mehr, als wieder einmal Habecks Heizungsgesetz zu kritisieren, fiel ihm nicht ein. Insgesamt wirkte Merz' Auftritt aber etwas lebendiger als der von Scholz.

Weidel wirkt unsouverän und arrogant

Weidels Auftritt war für sie dagegen ein kompletter Reinfall. Eine Begegnung zeigte ihre inhaltliche Schwäche besonders deutlich: Eine georgische Altenpflegerin erzählte von ihrem abgelehnten Asylantrag, sie lebt und arbeitet mit Duldung in Deutschland. Ihr Arbeitgeber war mit ihr in der Sendung, betonte, wie dringend sie im Betrieb gebraucht wird. Laut AfD-Wahlprogramm müsste sie das Land verlassen. Soll die Fachkraft wirklich abgeschoben werden? Weidel versuchte sich rauszuwinden, sagte, sie hätte einfach auf den Arbeitsmarkt einwandern können.

Mit den Positionen der AfD hat das allerdings nichts zu tun: Die AfD lehnt „außereuropäische Fachkräfteeinwanderung“ vollständig ab. In ihrem Wahlprogramm heißt es auch, dass es keinen Fachkräftemangel an Pflegekräften gebe. Der Arbeitgeber der georgischen Pflegekraft fasste zusammen: „Ihr Programm ist in Sachen Pflege ein Totalausfall. Wir brauchen mehr Migration, nicht weniger: Uns fehlen 130.000 Pflegemitarbeiter in der kommenden Legislaturperiode.“

Alice Weidel hatte keine inhaltliche Antwort: „Ich habe den Eindruck, dass Sie mir nicht zugehört haben und dass Sie unser Wahlprogramm nicht gelesen haben.“ Der Zuschauer kontert: „Lesen Sie mal Ihr eigenes Wahlprogramm!“ Weidel fiel nichts Besseres ein, als höhnisch-ungläubig zu lachen.

Falsche Behauptungen zur Energiepolitik

Auch im Gespräch mit einem Landwirt biss sich Weidel die Zähne an der Realität aus: Er und 1.000 weitere Bür­ge­r*in­nen sind an einem Bürgerwindpark beteiligt. Weidel hatte Anfang des Jahres auf dem Parteitag im sächsischen Riesa gegrölt: „Wir reißen alle Windkraftwerke nieder! Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“

Der CDU-Wähler berichtete dagegen von zukunftssicheren Arbeitsplätzen und neuen Steuereinnahmen durch den Windpark. Mit dem Steuergeld konnte die abrissfertige Schule renoviert werden. Weidel schwadronierte von Technologieoffenheit und Kernkraft, behauptete Unsinn über einseitige Subventionen. Der Zuschauer korrigierte. Weidel reagierte pampig, lachte unkontrolliert, stellte falsche Rechnungen an. Dem Publikum fielen ihre Fehler sofort auf, auch im Online-Faktencheck wurden ihre Behauptungen später korrigiert.

Ob Weidels Auftritt der AfD wirklich schaden wird, ist natürlich offen. Auf Social Media werden die Fragestellenden schon von Rechten an den Online-Pranger gestellt, es macht sich die Erzählung breit, das ZDF hätte sie tendenziös ausgewählt. Trotzdem ist „Klartext“ eine der besten Sendungen, die das Wahlfernsehen bislang zu bieten hat, mehr als fünf Millionen Zu­schaue­r*in­nen haben am Donnerstagabend eingeschaltet. Am Sonntag geht es mit dem Wahlfernsehen weiter, im RTL-Quadrell treffen Scholz, Habeck, Merz und Weidel noch einmal direkt aufeinander.

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17 Kommentare

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  • Sehr gut gemacht, lohnt sich doch echt abzuarbeiten 👍 👍 Danke ZDF

    • @Alex_der_Wunderer:

      Schonn & verdienstvoll! Woll. But

      Hatte Glück 🍀 - short cut - ala Waibel -



      Weidel &! Wiederholungstäter Merz



      War‘s ein Scherz? 🤥 - “Mit euch nicht!“



      Na & Pfui Deibel! Tilt - Merz & Waibel



      Hielt ich mich an meines Deutschlehrers -



      Devise - nämlich diese;



      “Man muß ein Ei oder gar deren zwei - 🙀🥳 -



      Ganz aufessen! Woll



      Jo mei. Um festzustellen - daß es faul ist!“



      Zumal dess. Newahr



      Doch schon etwas länger klar!

      kurz - Dank für ehro Ehrlichkeit.



      Das Publikum - ja das ist wirklich net so dumm



      Das "besser auf die Probe stell(te)“



      &



      Sorry - Wer traditionell kann nicht halten sei Wasser - vs soran Sabbelfutt - wirkt Oil of Olaf schon logischerweise etwas blasser.

  • Das war schon außerordentlich schwach von Weidel. Man kann nur hoffen das ein zwei Prozent von der AfD noch zur CDU überlaufen.



    Merz hatte seine Emotionen einmal mehr voll im Griff und dann ist er von diesem Quartett unschlagbar - gab kompetente Antworten, fachlich sicher.



    Habeck war der zweite Gewinner, richtig gut.



    Scholz sprach einmal mehr ich ich ich. Hoffnungslos.

  • Normalerweise pöbelt Weidel die Fragesteller an, wenn sie keine Antwort weiß. Das ging gegenüber den nachfragenden Bürger:innen nicht, weshalb sie nicht wusste, was sie machen sollte und sich auf dümmliches bis arrogantes Grinsen beschränken musste. Ihr fiel dann noch ein, das Publikum als Ganzes zu verhöhnen. Mehr kann sie offensichtlich nicht.

    Insofern kann so ein Format dazu beitragen, die Neorechten als Deppen bloßzustellen und auch wenn das die auch nicht gerade allzu helle Wähler:innenschaft kaum beeinflussen wird, so ärgert und beschämt es diese doch.

    Um den Rechtsruck insgesamt zu bekämpfen, braucht es allerdings echte Demokratie und Mitbestimmung - nicht nur in D-Land. Und die fehlen. (Und nein, damit meine ich keine Volksabstimmungen nach Schweizer Muster oder so.)

  • "Nach zweieinhalb Stunden Sendezeit bleibt vor allem die Erkenntnis: Die Zu­schaue­r*in­nen konnten Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, inhaltlich besser auf die Probe stellen als alle Talkshowhosts der deutschen Medienlandschaft zusammen".







    Genau den Eindruck hatte ich auch..übrigens auch bei anderen Sendungen im ähnlichen Format. Das wirft Fragen auf, denn es bedeutet: die Medienlandschaft hat definitiv Nachholbedarf in Sachen kritischer Journalismus.



    Was doch eigentlich ihr Kerngeschäft sein sollte..

  • "Mit den Positionen der AfD hat das allerdings nichts zu tun: Die AfD lehnt „außereuropäische Fachkräfteeinwanderung“ vollständig ab."

    Das stimmt nicht. Im Wahlprogramm heißt es dazu:



    Für außereuropäische Fachkräfte ist das Fachkräfteeinwanderungs-



    recht zu reformieren. Im Rahmen eines Auswahlverfahrens werden



    wir ein Punktesystem mit klaren Auswahlkriterien, wie z. B. Be-



    rufserfahrung, bereits bestehende Arbeitsverhältnisse bzw. vorhan-



    dene -verträge, ausreichende Sprachkenntnisse etc. einführen und



    bedarfsgerecht entsprechende Branchen und Quoten festlegen.

  • Weidel hat sich hier Trump zu ihrem Nachteil nicht zum Vorbild genommen. Dieser wusste natürlich, dass er fachlich und rednerisch keine Chance gegen Harris hatte, hat es bei einer Blamage belassen und ansonsten dem Affen auf seinen Rallyes Zucker gegeben.



    Außerhalb der eigenen Blase, im realen Leben, versagen Rechtspopulisten zwangsläufig. Sie lügen, haben kein Konzept und außer den üblichen Hetzereien keine Inhalte. Dazu auch noch der armselig-parodiehafte Auftritt als keifende Schreckschraube, Weidel verliert auf ganzer Linie, als Kanzlerkandidatin eine Lachnummer.



    Leider wird so dem ansonsten gnadenlosen Haufen ihrer Mitglieder und Wähler mit Krokodilstränen beweint, wird sich wieder als hilfloses Opfer der bösen Mainstreammedien stilisieren, heul leiser Alice.

  • Ein großes deutsche Nachrichtenmagazin kommt zu einer etwas anderen Quintessenz: "Weidel beleidigt, Scholz doziert, Habeck fragt nach: Doch bei der TV-Bürgerbefragung der Spitzenkandidaten entpuppt sich ausgerechnet Friedrich Merz als souveräner Staatsmann." Leider stimmt diese Einschätzung.



    Auch die Taz könnte so etwas einmal anerkennen und zugeben, wenn es die ihr näherstehenden Kandidaten nicht so gut gemacht haben (anstatt nahezu zeitgleich eine erbsenzählerische "Analyse" der privaten Flugkilometer des Ehepaares Merz zum Besten zu geben).



    Richtig ist, dass Fr. Weidel dank der Bürgerfragen ein schlechtes Bild abgab. Und das dies eventuell eine Lehre für alle Interviewer im öffentlich-rechtlichen und privaten TV sein könnte, sich einmal das Wahlprogramm der AfD anzusehen, wo es jenseits von Migration genügend nachzufragen und -zubohren gäbe.

  • 》In ihrem Wahlprogramm heißt es auch, dass es keinen Fachkräftemangel an Pflegekräften gebe. Der Arbeitgeber der georgischen Pflegekraft fasste zusammen: „Ihr Programm ist in Sachen Pflege ein Totalausfall. Wir brauchen mehr Migration, nicht weniger: Uns fehlen 130.000 Pflegemitarbeiter in der kommenden Legislaturperiode.“《



    .



    Es lohnt, sich das anzusehen! Wie Weidel vergeblich versucht, mit Unterstellungen und Unwahrheiten da raus zu kommen!



    .



    www.instagram.com/...h=aWNzeXlkcHhjNWUw

  • Die AFD-Wähler wird das natürlich nicht anfechten, sie agieren ja ebenso substanzlos, ohne zu merken, dass diese Partei für sie nichts zum Besseren ändern wird (im Gegenteil). Es hilft nur, dass alle andern zur Wahl gehen und jeder weiß, jede Stimme gegen Rechts ist wichtiger als wichtig.

  • Keinen Plan und gerne pampig. Surprise, surprise. Das ist Weidels Kernkompetenz. Und wird die AFD keine einzige Stimme kosten.

  • Inhalte der AfD abseits der Schnappatmungs-Themen interessieren die Fangemeinde üblicherweise nicht im Geringsten. Belege gibts mehr als genug. Als der Wahl-o-Mat online ging, war der größte Aufreger in den Kommentaren des AfD-Fan-Forums ... ehm ... der "Welt", dass sooo viele "irrelevante Themen" angefragt wurden. :-)

    • @Kaboom:

      Wenn Sie auf der Homepage von Welt in der Suchleiste "AfD" eingeben, werden Sie vom Hocker fallen, mit wieviel Gründlichkeit und journalistischem Tiefgang besonders die bekannten Vertreter der AfD zerpflückt und in ihrer Inkompetenz bloßgestellt werden. Das geht weit über die plumpe Folklore der linken Bubble á la "lieber bunt als braun" hinaus. Wer in Springer den Gegner sieht, hat seit 1968 einiges verpasst; kann wahrscheinlich Deniz Yücel so bestätigen.

  • Was für ein lächerlicher Auftritt Weidels. Sie hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass Zuschauer*innen ihr Fragen abseits des Themas Migration stellen. Sie wirkte komplett planlos und hatte nicht einmal ihr eigenes Wahlprogramm im Kopf. Sie gaukelte dem Publikum Interesse am Einzelnen vor, um möglichst schnell aus dieser, für sie blamablen, Vorstellung zu kommen. Ihr arrogantes Lachen gespikt mit zynischen Bemerkungen wie "Ach, das ist ja ein tolles Publikum. Lustig." spiegelte nur einmal mehr wider, in welcher Welt sie eigentlich lebt.



    Geschadet haben wird ihr Auftritt der AfD nicht. Die Wähler*innen der AfD wählen diese Partei nicht, OBWOHL sie rechtsextrem ist, sondern genau DESHALB. Faschisten hören niemals auf Faschisten zu sein...

  • Da sieht man wieder, dass ausgrenzen und nicht mit reden dumm ist. Einladen und sie reden lassen. Damit zeigt sich der inhaltliche Totalausfall. Und sie können sich nicht auf die opferrolle zurück ziehen. Gut gemacht, ZDF

  • Die Erneuerbaren Energien wurden im letzten Jahr mit 25 Milliarden € subventioniert. Das sind bei 40 Milionen Haushalten 625 € die nicht auf der Stromrechnung stehen. Da ist es ja wohl kein Wunder wenn Windstrom preiswert angeboten werden kann.

    Und wenn der Strom der E Werke Zb. 30 Cent für den Verbraucher kostet sind davon 15 Cent Abgaben und Steuern

  • ich habe extra nochmal nachgeschaut: Georgien wird als Teil Europas betrachtet.