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Whistleblower Manfred Flegel fordert ernsthafte Kontrollen der Biolandwirtschaft Foto: Andreas Schoelzel

Whistleblower packt ausBio ist gut, Kontrolle besser

Was passiert eigentlich, wenn Ökobauern gegen Ökovorschriften verstoßen? Zu wenig, sagt Ex-Biokontrolleur Manfred Flegel.

D er Bauer war sauer, denn Kontrolleur Manfred Flegel hatte ihn erwischt. Auf dem Hof in Niedersachsen mussten sich Flegel zufolge 48 Rinder nur 40 Fressplätze teilen. Obwohl der Bioverband des Betriebs einen Platz pro Tier verlangt, damit auch schwächere Rinder genügend Futter bekommen. Flegel meldete den Verstoß der Zentrale seines damaligen Arbeit­gebers, Deutschlands größter Biokontrollstelle Abcert. Die aber habe daraufhin weder dem Hof noch den Tieren das Siegel entzogen, ärgert sich Flegel. Der Landwirt verlor allerdings Zeit, denn Flegel schrieb nach eigenen Angaben in mühevoller Kleinarbeit die Identifizierungsnummern auf den Ohrmarken aller Tiere auf. Der Bauer sah sich auch zu langen Rechtfertigungsbriefen an Abcert genötigt, um schmerzhafte Sanktionen abzuwenden.

Deshalb rief der Betrieb laut Flegel einen Tag vor der nächsten regulären Kontrolle bei Abcert an. „Sie haben gesagt: ‚Den Flegel wollen wir nicht mehr haben. Da stimmt die Chemie wohl nicht.‘ Da haben sie dann jemand anderes hingeschickt“, erzählt der ehemalige Inspekteur, der von 2017 bis 2021 bei der Kontrollstelle gearbeitet hat. „Das finde ich schon ein bisschen schräg, dass der Betrieb sich nicht nur die Kontrollstelle aussuchen kann, sondern auch den Kontrolleur.“ An den zwei Tagen, die er für die dann abgesagte Kontrolle eingeplant hatte, habe er stattdessen Urlaub nehmen müssen. „Dann ist der Kontrolleur in der Regel bemüht, lieber nicht so kontrovers und so kritisch zu kontrollieren, damit er nicht ausgeladen wird“, sagt der 63-Jährige.

Abcerts Codenummer DE-ÖKO-006 steht auf vielen Biolebensmitteln. Die Aktiengesellschaft ist wie alle 19 von den Behörden zugelassenen Biokontrollstellen in Deutschland ein privates Unternehmen. Bezahlt werden sie von denjenigen, die sie kontrollieren sollen: den Bauern und Firmen, die mit dem Bio­siegel werben. Die Kunden dürfen ihre Kontrollstelle selbst auswählen – und auch wechseln. So können die Kontrollierten Druck auf die Inspekteure ausüben. „Abcert will keine Kunden verlieren“, sagt Flegel. Deshalb würden zu kritische Kontrolleure kaltgestellt, wenn sich die Betriebe beschweren. Außerdem bestrafe die Zentrale von den Kontrolleuren festgestellte Verstöße ­gegen das Biorecht oft zu lasch.

Kritisiert wird schon lange, dass es bei Biokontrolleuren einen Interessenkonflikt zwischen öffentlichem Auftrag und Gewinnstreben gebe und sie deshalb manchmal nicht so genau hinschauten – nachweisen ließ sich das allerdings bisher kaum. Flegel ist der erste Whistleblower, der öffentlich und mit vollem Namen konkrete Missstände in einer Biokontrollstelle enthüllt. Manfred Flegel ist der taz zudem seit Jahren bekannt.

Ein weiterer ehemaliger Abcert-Kontrolleur, der anonym bleiben möchte, hat gegenüber der taz bestätigt, dass die Inspektoren gewechselt werden, wenn die Betriebe sie ablehnen. „Ich hatte jemanden bei einem richtigen Anbaubetrug erwischt“, sagt der Kontrolleur. „Der hat mich vom Betrieb geschmissen, weil ich ihm wirklich auf die Füße getreten bin.“ Abcert habe dann statt ihm einen sehr jungen Inspekteur mit wenig Erfahrung beauftragt. „Der hat gesagt: ‚Da war nix, ich habe mich vertan.‘“ Der Ex-Kontrolleur ist bis heute vom Gegenteil überzeugt.

Der Abcert-Vorstandsvorsitzende Friedrich Lettenmeier bestätigt auf Anfrage der taz, dass die Kontrollstelle tatsächlich den Inspekteur austauscht, wenn der Betrieb darum bittet. „Die Norm DIN/ISO 17065 sieht dies so vor“, behauptet Lettenmeier. Doch der Abschnitt dieser Norm für Zertifizierungen, den Lettenmeier als Beleg mitschickt, verlangt lediglich, dass die Kontrollstelle den Inspekteur zur Offenlegung persönlicher Interessenkonflikte verpflichtet. Er fordert nicht, auf Wunsch des Betriebs hartnäckige Inspekteure auszutauschen.

Die Enthüllungen sind Sprengstoff für eine Branche, die maßgeblich vom Vertrauen der VerbraucherInnen abhängig ist. Denn viele zahlen den teils heftigen Aufpreis für Biolebensmittel, weil sie eben keine Pestizide im Essen haben wollen und etwas für die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten sowie den Tierschutz tun wollen. Das soll die Ökoverordnung der Europäischen Union garantieren. Biobauern müssen demnach zum Beispiel auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und besonders umweltschädlichen Dünger verzichten. Sie sind auch dazu verpflichtet, ihren Tieren mehr Platz im Stall und Auslauf zu gewähren. Die Ökoverordnung schreibt daher vor, dass Kontrollstellen jeden Biobetrieb mindestens einmal im Jahr überprüfen müssen.

Doch wie zuverlässig schützen diese Kontrollen vor Betrug? Flegels Berichte lassen in dieser Hinsicht Zweifel aufkommen. Die Zentrale der Abcert habe eine lasche Haltung befördert, sagt er. Ein Vorgesetzter habe ihn einmal sogar gefragt, warum er „so misstrauisch“ sei, erzählt Flegel. „Ich habe ihm geantwortet: ‚Weil ich kein Pastor bin, sondern Kontrolleur.‘“ Friedrich Lettenmeier von Abcert schreibt dazu, keine der Führungskräfte, die er dazu habe befragen können, könne sich an ein derartiges Gespräch erinnern. Offen bleibt, welche Führungskräfte er gefragt hat.

Flegel ist Agraringenieur, er hat an der Pionier-Ökofakultät der Universität Kassel/Witzenhausen studiert und hat selbst einen Biobetrieb gehabt. Er arbeite im Ökolandbau aus Überzeugung, sagt er. Flegel weiß, welche Schäden Überdüngung und Pestizide der konventionellen Landwirtschaft in der Umwelt anrichten.

Er hält es für ein Problem, dass Biobetriebe „immer größer und profit­orientierter“ würden. Das seien oft diejenigen, die das System missbrauchen und Regeln umgingen. So wie ein für die Region sehr großes Agrarunternehmen aus Niedersachsen, das eine Biogasanlage und eine Rindermast betreibt. Alles konventionell. Biozertifiziert seien lediglich die Wiesen, denn dort würden ohnehin keine Pestizide ausgebracht, sagt Flegel. Dafür zahlt der Staat die vergleichsweise hohen Ökolandbau-Subventionen. Das geschnittene Gras landet dann aber genauso wie die Exkremente der Rinder in der konventionellen Biogasanlage, die Strom erzeugt. Übrig bleibt ein Substrat, das als Dünger auf dem Biogrünland entsorgt wird. Als aber im Winter der Gärbehälter der Anlage voll war, kippte der Betrieb laut Flegel mehr nährstoffhaltiges Substrat auf die Wiesen, als erlaubt war. „Sie mussten den Pott halt leeren, damit sie weiter Strom produzieren können“, erinnert sich der ehemalige Kontrolleur. „So haben sie die Flächen völlig überdüngt. Das läuft dann über Gräben und Nebenflüsse in die Elbe, denn so viel kann der Boden überhaupt nicht aufnehmen. Das sollte die Landwirtschaft nicht, und die Biolandwirtschaft erst recht nicht.“

Wegen Überdüngung habe der Betrieb schon mal eine Abmahnung bekommen. „Nach dem zweiten Verstoß hatte ich eigentlich damit gerechnet, dass der mit Pauken und Trompeten aus dem Kontrollverfahren fliegt“, so Flegel. Aber Abcert habe ihm nur eine weitere Abmahnung geschrieben. „Dann lernen die ja, dass sie eigentlich nichts beachten müssen.“ Lettenmeier bestreitet, dass der Betrieb das Biosiegel trotz zweier Abmahnungen wegen massiver Überdüngung bekommen hat. Doch biozertifiziert ist das Unternehmen bis heute, wie eine Abfrage auf der Internetseite von Abcert zeigt.

„Oft sind die Kontrolleure auch nicht kompetent genug für den Betriebszweig, den sie überprüfen sollen“, sagt der ehemalige Inspektor, der nicht mit Namen genannt werden möchte. „Die Abcert gewährt einem auch nicht genug Zeit, sich einzuarbeiten.“ Teils würden Uni-Absolventen ohne viel Praxis­erfahrung auf Kontrollen geschickt. Weil die Firma nicht genug zahle und der Umgang miteinander nicht gut sei, könne sie nicht genügend erfahrene Mitarbeiter rekrutieren. Abcert dagegen schreibt: „Aus- und Fortbildung des Personals ist auch ein Punkt der Überwachung durch Behörden.“ Die Biokontrollstellenverordnung verlange eine „mindestens einjährige einschlägige Berufserfahrung“.

Bio: eine Angler Sattelsau mit ihren Ferkeln. Region Weser-Ems, Niedersachsen Foto: Countrypixel/imago

Durch die Lappen gegangen ist Abcert auch der Fall des Bioschweine­halters aus dem Dorf Zargleben im niedersächsischen Wendland, der laut Staatsanwaltschaft seinen Tieren im Ökolandbau verbotene Medikamente und konventionelles Futter gegeben haben soll. Der Landwirt ist ein Pionier der Bioschweinefleischerzeugung und war mit jährlich rund 7.000 gemästeten Tieren ein wichtiger Player in der Branche. Allerdings verabreichte der Betrieb laut dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) Sauen Medikamente, die künstlich die Brunst auslösen. Dadurch warfen sie mehr oder minder gleichzeitig Ferkel, die Produktionsabläufe sowie die Liefermengen ließen sich besser planen. Solche extrem unnatürlichen Eingriffe untersagt die Ökoverordnung.

Doch das Laves hatte nach eigenen Angaben „keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in dem betreffenden Betrieb durch Öko-Kontrollstellen erhalten“, obwohl es als Aufsichtsbehörde über die niedersächsische Biobranche als erste hätte eingeschaltet werden müssen. Dabei habe der Landwirt in den „Bestandsbüchern“ dokumentiert, dass er zu „Zeitpunkten vor den Kontrollen“ Sauen mit „nicht zulässigen Hormonen“ behandelt habe. Die Kontrollstelle habe laut ihrem Bericht an das Laves den Medikamenten­einsatz überprüft, aber: „Abweichungen wurden nicht vermerkt.“ Im Gegenteil: Abcert habe den Betrieb im Juli 2020 von der Risikoklasse III (hohes Risiko für Unregelmäßigkeiten) in die Kategorie II herabgestuft. Solche Betriebe werden meist seltener unangekündigt überprüft. „Unser Mitarbeiter hat die in der Kontrolle vorgelegten Unterlagen geprüft und bewertet. Daraus haben sich keine Hinweise auf Verstöße ergeben“, sagt Abcert-Chef Lettenmeier dazu. Allerdings gehört zu einer guten Kontrolle auch, durch Kombination verschiedener Informationen zu erkennen, wenn Unterlagen fehlen.

Indes ist sogar in der Struktur der Abcert ein Interessenkonflikt angelegt. Alle Mitglieder ihres Aufsichtsrats sind Vertreter derjenigen, die Abcert kontrollieren soll: Jan Plagge ist Präsident des größten deutschen Ökobauernverbands, Bioland. Josef Wetzstein führt dessen bayerischen Landesverband. Und Aufsichtsratsvorsitzender Hubert Merz ist selbst Gemüsebauer. Denn Bioland gehören die Abcert-Aktien, wie dem 2018 erschienenen Nachhaltigkeitsbericht der Kontrollstelle zu entnehmen ist. „Die ABCERT AG ist aufgestellt wie namhafte Überwachungseinrichtungen zum Beispiel im technischen Bereich“, entschuldigt Lettenmeier diese Struktur. Und die Behörden würden ja über die Unparteilichkeit der Abcert wachen.

Von Anbauverbänden unabhängigere Kontrollstellen sind allerdings auch nicht unbedingt besser. Bei einem der größten Ökoskandale in Deutschland versagte vor allem eine damals unter dem Namen IMO firmierende Kontrollstelle: 2013 wurde bekannt, dass über 100 vor allem niedersächsische Legehennenbetriebe mehr Tiere als erlaubt in ihren Ställen untergebracht hatten. Informierten die privaten Biokontrolleure das Laves? „Nein, von Kontrollstellen war dem Laves kein Hinweis auf Überbelegung von Legehennenställen zugegangen“, schreibt die Behörde auf Anfrage der taz. Vielmehr habe ein Richter die Sache bemerkt: Vor seiner Kammer stritten sich ein Landwirt und ein Legehennenlieferant wegen einer Rechnung für eine Lieferung Hennen. Die Tiere kamen zum selben Zeitpunkt an wie andere Hennen, die die zulässige Stallkapazität bereits ausschöpften.

Der Fachverein Öko-Kontrolle, der jetzt „Fachgesellschaft“ heißt, schaffte es laut Landgericht Schwerin erst nach sieben Jahren, einem Bauern in Mecklenburg-Vorpommern auf die Spur zu kommen, der seinen Bioschweinen konventionelles Futter gab. Dafür bekam er im April eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten wegen schweren Betruges, Urkundenfälschung und Subventionsbetrug. Durch den Verkauf von rund 6.500 Schweinen nahm er knapp 900.000 Euro mehr ein, als konventionelle Schweine eingebracht hätten, wie das Gericht feststellte.

taz am wochenende

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Den Betrug mit der Zufütterung konventionellen Futters kaschierte der Landwirt dem Gericht zufolge bei den Kontrollen mit gefälschten Lieferscheinen für Biofutter. Dies habe einerseits von einer hohen kriminellen Energie gezeugt, sagte der Vorsitzende Richter laut Gerichtssprecher Detlef Baalcke. Andererseits seien die Fälschungen laienhaft ausgeführt worden und hätten den Kontrolleuren auffallen können, wenn diese tatsächlich genau geprüft hätten.

Einen anderen im September vom Landgericht Schwerin verurteilten Biobetrüger deckte Baalcke zufolge nicht der Fachverein Öko-Kontrolle, sondern eine zunächst anonyme Anzeige bei der Polizei auf. Der Landwirt habe über zwei Jahre rund 8.500 konventionelle Schweine gekauft und sie als Biotiere weiterverkauft. So ergaunerte er sich nach Baalckes Angaben 850.000 Euro. Obwohl die relevanten Unterlagen des Landwirts unvollständig gewesen seien, hätten die Kontrolleure nichts gemerkt.

Die jetzige Leiterin der Kontrollstelle, Gerda Lichtenau, verweist darauf, dass ihre Kollegen damals einen der Fälle an die Aufsichtsbehörde abgegeben hätten, weil der Landwirt „seinen Informationspflichten nicht nachgekommen war“. Aber das war sehr spät.

Dass das Biokontrollsystem insgesamt und nicht nur einzelne Kontrollstellen unter gravierenden Mängeln leiden, hat der EU-Rechnungshof belegt. „Viele Erzeugnisse konnten nach wie vor nicht zum landwirtschaftlichen Erzeuger zurückverfolgt werden“, schrieb die Behörde 2019. Wenn sich aber nicht herausfinden lässt, welcher Landwirt ein Produkt hergestellt hat, lässt sich auch nicht feststellen, ob er wirklich ein Biobauer ist. Dieses Problem zeigte sich bei 42 Prozent der vom Rechnungshof untersuchten Testprodukte mit mindestens einem Erzeuger, Verarbeiter oder Händler von außerhalb der EU. Wenn alle beteiligten Unternehmer aus demselben EU-Staat kamen, versagte das System in 17 Prozent der Fälle. Waren die Unternehmer aus mehreren EU-Ländern, konnten die Behörden in 29 Prozent der Tests nicht bis zum Erzeuger zurückverfolgen.

Unter anderem deshalb lautet Flegels Fazit aus vier Jahren Biokontrolle: „Es funktioniert nicht!“ Er behauptet nicht, dass die meisten Ökolandwirte betrügen würden. „Meine Familie und ich kaufen auch immer noch überwiegend Biolebensmittel.“ Aber das System sei „ein zunehmender Verrat an den Verbrauchern, den anständigen Biobauern, den betroffenen Tieren und der Umwelt“.

Es gibt durchaus Interessenkonflikte

So weit gehen die meisten ExpertInnen nicht. Aber auch Achim Spiller, Professor für Agrarmarketing an der Universität Göttingen, sieht einen Interessenkonflikt darin, dass die Biokontrolleure von den Betrieben bezahlt und ausgesucht werden, die sie überprüfen sollen. „Diesen Interessenkonflikt gibt es bei allen Zertifizierungssystemen, aber auch bei der Wirtschaftsprüfung“, sagt Spiller. Was die Sache nicht besser macht. Wirtschaftsprüfer werden ebenfalls von den Firmen bezahlt, die sie kontrollieren sollen. So war es auch im Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard, der jahrelang Bilanzen manipulierte, ohne dass die Rechnungsprüfer es bemerkten.

Doch wie lassen sich der Interessenkonflikt der Kontrollstellen und die Abhängigkeit von ihren Kunden beheben? Antworten kann ein Blick in andere EU-Staaten geben: In Dänemark und den Niederlanden arbeitet jeweils nur eine Kontrollstelle. Die Bauern können also nicht wechseln, wenn sie sich zu streng überprüft fühlen. In Dänemark sind die Kontrolleure Mitarbeiter von Behörden, die dem Lebensmittelministerium unterstellt sind. Und in den Niederlanden arbeiten die entsprechenden Inspekteure bei der staatlichen Stiftung Skal.

Die beiden Länder zeigen, dass sich die Biokontrolle auch ohne private Kontrollfirmen organisieren und finanzieren lässt, die von den kontrollierten Betrieben abhängig sind. In den Nachbarstaaten ziehen keine privaten Eigentümer Geld in Form von Gewinnen aus dem System. Und es gibt nicht so viele Kontrollstellenchefs wie in Deutschland.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) lehnt ein staatliches System trotzdem ab. Wichtigstes Argument: Die Lebensmittelbehörden würden auch in anderen Bereichen nicht optimal arbeiten, zum Beispiel würden sie nur sehr selten kontrollieren, ob Bauern sich an die Regeln für das Spritzen von Pestiziden halten würden, sagte Peter Röhrig, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des BÖLW, kürzlich dem NDR. Aber diese Probleme sind hauptsächlich durch mangelhafte Budgets und zu wenig Personal bedingt. Für Biokontrolleure dagegen gibt es schon genug Geld: Auch wenn sie beim Staat angestellt wären, könnten sie weiterhin aus den Gebühren der Betriebe bezahlt werden.

Ein Biohuhn auf dem Weg zum Nest­bereich, Landkreis Osnabrück, Niedersachsen Foto: Countrypixel/imago

Allerdings wollen die großen deutschen Parteien nicht an dieses Thema heran. „Wer eine Verstaatlichung der Biokontrolle fordert, hat alle Lobbys gegen sich“, sagt ein Brancheninsider. Die traditionell mit dem Bauernverband verbündete CDU hat kein Interesse an strengeren Kontrollen, weil sie mehr Aufwand für die Landwirte bedeuten. Nordrhein-Westfalens CDU-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser etwa schreibt der taz auf Anfrage, zu einer Reform der privaten Öko-Kontrolle „besteht aus meiner Sicht kein Anlass“. Aber auch bei den Grünen findet sich fast niemand, der eine radikale Reform der Öko-Kontrolle fordert. Denn die Grünen stehen den Verbänden der Biobranche nahe, die ebenfalls kein staatliches System wollen. Berlins grüner Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt antwortete auf die Frage der taz nach einer Reform des Kontrollsystems, die privaten Inspekteure würden doch „staatlich überwacht“.

Tatsächlich begleiten Beschäftigte der Länderbehörden regelmäßig einen kleinen Teil der privaten Kontrollen. Aber in der Praxis gibt es oft ein Kompetenzwirrwarr zwischen Ämtern und Kontrollstellen, das Betrügern nützt. Der Bioschweinepionier aus dem Wendland etwa konnte auch dann noch weiter Ware mit dem EU-Biosiegel verkaufen, als ihn Bioland schon wegen der schwerwiegenden Vorwürfe ­gegen ihn ausgeschlossen hatte. Das Laves erklärte, die privaten Kontrollstellen „können und müssen“ das Zertifikat aussetzen, wenn die Verstöße das angemessen erscheinen ließen. Doch die Kontrollstellen fürchten oft Schadenersatzforderungen, wenn nicht das zuständige Amt gleichzeitig den Entzug des Zertifikats anordnet. Ergebnis: Oft handelt niemand, weil alle immer auf den anderen warten.

Kontrolleur Flegel hat dieses System so frustriert, dass er seinen Job kündigte. „Am Ende“, sagt Flegel, „war es irgendwie egal, ob ich die Landwirte kontrolliere oder nur mit ihnen Kaffee trinke.“

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60 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich kann das Fazit des Kollegen Flegel, dass das Kontrollsystem nicht funktioniere und es ein "Verrat an Verbrauchern, Bauern, Tieren und Umwelt" sei, nicht nachvollziehen. Ich kann aus meiner Zeit bei ABCert sagen, dass ich von Anfang an regelmässig von erfahreneren Kontrolleuren begleitet und meine Tätigkeit beurteilt wurde, später dann immer wieder auch unangemeldet von Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde, damals Reg.Präs. Karlsruhe. Ich habe auch nie erlebt, dass ein Betrieb sich den Kontrolleur "aussuchen" konnte. Max. zwei Kontrollen auf dem gleichen Betrieb war die Regel.



    Und wenn man weiß, dass dem Kontrolleur sämtliche!! Betriebsunterlagen vorgelegt werden müssen, einschließlich steuerrelevanter Jahresabschlüsse, dann bleiben dem Betrieb bei sorgfältiger Prüfung wenig Möglichkeiten zum Betrug, außer massivem Einsatz von krimineller Energie. Es gibt BioBauern, deren einzige Motivation die höheren Direktzahlungen sind, und die die Richtlinien bis an die Grenzen auslegen, die muß man rausfiltern, genauer anschauen, aber deren Gesinnung zu prüfen ist nicht Aufgabe der Kontrollstelle.



    Die Einlassungen des EU Rechnungshofes zur Rückverfolgbarkeit betreffen zum größten Teil Produkte mit EU-Bio Label. Bei Verbandsware ist es äußerst selten, dass die Herkunft unklar bleibt.



    Ja, man darf Interessenskonflikte für möglich halten aber nicht unterstellen.



    Ja, die Struktur der Anteilseigner der ABCert AG ist zumindest bemerkenswert und ja, man darf auch



    die Struktur des gesamten Kontrollsystems hinterfragen. Aber diese "Enthüllungen" sind sicher kein "Sprengstoff für die Branche" und schon gar nicht exemplarisch für eine vermeintliche Dysfunktionalität des Kontrollsystems. Dieser Beitrag



    bewirkt lediglich Verunsicherung und vor allem Zweifel an der Arbeit von vielen Landwirten, die mit ihrer ganzen Existenz für den öklogischenLandbau einstehen.

  • Es ist eindeutig so, das den Kontrollmechanismen ein kommerzieller Faktor innewohnt. Erkennbar schon allein daran, das sämtliche Mitarbeiter des Systems Gehalt beziehen, das erwirtschaftet werden muss. Dies führt automatisch zu Fehlverhalten oder nennen wir systemerhaltende Laxheit.

    Familiär und im Freundeskreis habe ich einen gewissen Einblick in die Biosbranche, insbesondere auch Demeter und Bioland. Die mir bekannten zertifizierten Anbauer und Anbieter verfolgen ihre Profession mit voller Überzeugung. Allerdings, was mich beim Ziel Bio für die breite Bevölkerung erreichbar zu machen immer wieder gedanklich herausfordert ist, wie es dahin kommen soll, z.B. eine allgegenwärtige Imbiss-Restaurantkette von Weltrang mindestens bundesweit durchgängig und zuverlässig mit Biowaren zu beliefern.

    Stößt Bioanbau und -Fertigung auch nur annähernd in die Größenordnung eine Bevölkerung zu ernähren, dann häufen sich aufgrund des Preis- und Lieferdrucks zwangsläufig Fälle des Verfehlens. Das dies in der Realität feststellbar und schwer zu steuern, geschweige denn zu beheben, ist, entnehme ich dem Artikel. Selbstverständlich bedarf es mehr Aufmerksamkeit und juristischer Verfolgung und Verurteilung der sich fehlverhaltenden.

    Bio hat den reinen Idealismus der Gründerzeit längst verlassen.

  • Ein wichtiger Aspekt wird in dem Artikel gar nicht beleuchtet. Die meisten Biobetriebe, zumindest die in den Anbauverbänden organisierten, werden mit viel Idealismus geführt. Die Mitglieder haben ein großes Interesse daran, die Richtlinien permanent strenger und die Kontrollen effektiver zu gestalten. Niemand hat bei BIOLAND ein Interesse an Kollegen oder Kolleginnen, die es sich unerlaubt einfach machen oder gar betrügen. Insiderwissen und sehr guter Kontakt zur Kontrollstelle verbessern die Kontrollen permanent. Die Betriebe unterstützen über die Fachausschüsse die Ausbildung der Kontrolleure ganz erheblich. Die Praktiker:innen auf den Betrieben kennen mögliche Schwachstellen und sorgen dafür, dass die quasi verbandseigene Kontrollstelle möglichst schnell darauf aufmerksam gemacht wird. Auch konkreter Verdacht wird sehr schnell geäußert und regelmäßig weitergegeben. Das ist Alltag. Aufgrund dieser Hinweise erfolgen zusätzliche unangemeldete Kontrollen.



    Das alles wäre bei einer staatlichen Kontrolle völlig undenkbar. Im Endeffekt ist das jetzige System der Kontrolle mit Abstand das Beste, auch wenn es wie jedes System seine Schwachpunkte hat.



    Im Übrigen kommt es nicht nur ausnahmsweise, sondern ganz regelmäßig vor, dass ein Beamter des Bundeslandes die Kontrolle begleitet, um den Kontrolleur, zu kontrollieren. Diese doppelte Kontrolle während einer Kontrolle durch eine wirklich so ferne Instanz, würde höchstwahrscheinlich innerhalb einer rein staatlichen Kontrolle so nicht stattfinden.



    Ich stelle immer wieder fest, dass die Beiträge der Taz zum Thema Landwirtschaft regelmäßig unter einer Einseitigkeit leiden, die überhaupt nicht nötig wäre. Auch wenn in diesem Fall durchaus recherchiert wurde, fehlt einfach etwas ganz Grundsätzliches. Die Taz ist wohl zu städtisch verortet, um das Themengebiet wirklich zu erfassen.

    • @aw3766:

      "Die Mitglieder haben ein großes Interesse daran, die Richtlinien permanent strenger und die Kontrollen effektiver zu gestalten." (AW3766)



      Sorry, aber bloß weil wir gerade mal wieder in der Vorweihnachtszeit leben muß man doch nicht gleich ans Christkind glauben.



      Jegliche Verschärfung von Richtlinien und Kontrollen machen die Produktion auch schwieriger und arbeitsaufwendiger. Der bürokratische Aufwand wächst auch mit. Darauf ist kein Landwirt wirklich scharf - egal ob Bio-oder konventioneller Betrieb.

  • Bei Bio werden leider auch allzu oft chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt und das sogar legal.

  • Ein sehr wichtiger Artikel!



    Aber eigentlich ist das schon seit Jahren klar: Ein Bio-Label kann keine Garantie gegen Schmuh, Schmäh und Betrug sein solange die Produzenten von ihren eigenen Lobbyverbänden kontrolliert werden. Genauso gut könnte man Dopingkontrollen im Sport den jeweiligen Trainern der Sportler anvertrauen. Was soll da wohl dabei rauskommen?



    Aber eigentlich sollte der Verbraucher ja schon stutzig geworden sein durch das überbordende Angebot von "Bio"-Lebensmitteln. Mittlerweile laufen ja die sog. "grünen" Regale in den Supermarktketten über von dem Zeugs. Dabei haben Bio-Betriebe ja eigentlich das Problem durch ihre Produktionsweisen ca. 25 - 35 % weniger Ernteertrag zu erwirtschaften, gemessen an konventionell arbeitenden Betrieben. Wie kommt das denn wohl?



    Wer sich da vertiefen will - hier Literaturtips:



    Hewson & Farmwell: "Das Bio-Ketzer Buch - Vom Geschäft mit Glauben & Angst"



    Maxeiner & Miersch: "Biokost & Ökokult - Welches Essen ist wirklich gut für uns und unsere Umwelt"



    Aber Vorsicht!: Schwer bekömmliche Lesekost. Da wird gelegentlich auch heftig an dem einen oder anderen Grundpfeiler ökoliberaler Überzeugungen gerüttelt.

  • BRAVO - phantastisch einseitig recherchiert!



    Einfach vergessen, den berühmten kleinen, aber wichtigen Unterschied.

    Ich bin mehr als überrascht. Wie kann man einen so wichtigen Sachverhalt derart falsch und inkorrekt darstellen! Ich bin ja fast aus allen Wolken gefallen, so einen Bericht in der taz zu lesen! Ich habe Agrarwissenschaften in Giessen studiert, der ersten Uni an der nach langem hin und her durch die Initiative und den Starrsinn der Studenten eine Professur für Biologischen Landbau eingerichtet wurde und habe in diesem Fach meine Diplomarbeit geschrieben. Ich kann hier nur lautstark betonen, wie wichtig es ist, den Unterschied zwischen einem 08/15 EG Güte-Siegel, das nach der laschen EG Bio-Verordnung vergeben wird und dem Logo, das nur von seriösen alten, "ehrwürdigen" Gründer- und Pionier-Anbauverbänden wie DEMETER, BIOLAND und dem jüngsten im dem Bunde, NATURLAND, vergeben wird. Seit mehr als 50 Jahren wird von diesen Verbänden nach eigenen sehr strengen Richtlinien kontrolliert, nicht nach den Witz Richtlinien der EU! Diesen Bio-Landwirten ist das Vertrauensverhältnis zu ihren Kunden und das Selbstverständnis der Biologischen Landwirtschaft mit allem was dazu gehört elementar wichtig! Und ja, es gibt sie noch, die Bio-Bauern mit einem Ehrenkodex. Sie werden feststellen, dass es bei diesen seriösen Anbauverbänden noch keinen Skandal gegeben hat. Ich hätte mir wirklich sehr gewünscht, dass bei diesem Thema umfassend und ausgewogen recherchiert und berichtet wird und nicht einseitig, so dass dem Leser subtil vermittelt wird, dass ja doch alles nur Schmu ist. Junge, junge... ich hoffe sehr, hier wird für eine Richtigstellung gesorgt, sonst finden sich hier noch mehr Kommentare, in denen die Schreiber diesen Artikel als "Aufklärung" charakterisieren und mit Bio fertig sind.



    Wer "ECHT BIO" kaufen möchte, der kann es auch und achte auf die speziellen Logos von DEMETER und BIOLAND, dann weiß er was er hat. Ich wünsche allen ein gesegnetes Weihnachtsfest

    • @MaryPoppins:

      Vielen Dank für diesen Hinweis! Das hätte vielleicht ein wenig das Misstrauen gegen Bio an sich gemindert, das beim Lesen dieses Artikels mit Sicherheit bei einigen aufkommt.

    • @MaryPoppins:

      Halten wir also wissenschaftlich fest: es kann nicht sein, was nicht sein darf.

    • @MaryPoppins:

      Es geht ja gerade darum, dass sich zu viel "bio" nennen darf und dann entsprechend Schindluder getrieben wird. Und das ist meines Erachtens kein Zufall. Die ehrwürdigen Verbände mögen ein reines Gewissen haben, und das hätte der Autor erwähnen können, aber es steht zu befürchten, dass diesen der Rang von Betrügern abgelaufen wird, weil eben die meisten Menschen ihren Einkauf nicht erst mit einem entsprechenden Studium unterfüttern können (wobei ich sonst auch eher die Verantwortung mehr beim Kunden als beim Anbieter sehe).

      "Ehrenkodices" sind in der freien Marktwirtschaft jedenfalls nichts wert.

    • @MaryPoppins:

      Ich arbeite selbst im (Bio-)Gemüsebau und muss sagen, dass für meinen Geschmack keine der Bio-Richtlinien weit genug geht.



      Die Standards, welche die Verbände setzen, sind stets als Mindestanforderung zu verstehen.



      Sich daran zu orientieren gebietet die Marktlogik, die ursprüngliche Idee vom "besseren Anbau" wird dabei pervertiert.

      Natürlich gibt es noch idealistisch arbeitende Betriebe, die die Anforderungen übererfüllen. Die kämpfen aber nicht selten um ihre wirtschaftliche Existenz und scheinen manchmal nur vom Idealismus der Beteiligten getragen.

    • @MaryPoppins:

      Das liegt einfach daran, dass die nationalen Zertifizierer klare Regeln zur Überprüfung vorsehen, aber die EU die Regulierung jedem einzelnen Mitgliedsland überlassen muss. Und Deutschland hatte die letzten 16 Jahre AgrarministerInnen, die die KBA-Branche am liebsten aus der Welt geschafft gesehen hätten.

  • Ich bin überrascht, dass bei Bio-Gütesiegeln nicht automatisch jedes Mal ein anderer Prüfer zu dem zu überwachenden Betrieb geschickt wird. Bei vielen anderen Gütesiegeln oder Zertifizierungen darf derselbe Prüfer höchstens zweimal hintereinander zum selben Geprüften fahren. Das erschwert zum einen Korruption, zum anderen hat jeder Prüfer seine "Hobbies", sprich Dinge, bei denen er sich besser als andere auskennt und deshalb strenger prüft.

    Dass die Prüfer regelmässig gewechselt werden, ist übrigens keine neue Idee. Hat schon Karl der Große mit seinen Steuerprüfern so gehandhabt und wird bei den Außenprüfungen des Finanzamtes bis heute so gehandhabt.

    • @Martin74:

      Aber es läuft so, dass der 3. Termin dann vom Chef des Prüfers gemacht wird. (Theoretisch kann der Prüfer auch "daneben sitzen")



      Termin 4 + 5 dann wieder Prüfer eins usw.



      Gut wäre einzig ein Wechsel der Prüforganisation oder ein Losverfahren, welcher Prüfer von welcher Organisation kommt und die Bezahlung dann über eine gemeinsame Clearingstelle.



      Alles andere versickert

  • Ich hoffe sehr das sie nicht nur die schwarzen Schafe des Biolandbaus sondern auch viele, viele Artikel von überzeugten korrekt ökologisch wirtschaftenden Biolandwirt*innen veröffentlichen um das Verhältnis wieder gerade zu rücken. Ein Artikel wir ihrer und die Kommentare " ich kauf ab jetzt nur noch konventionell" sind für mich als überzeugt Biolandwirtin ein Schlag ins Gesicht. Sie sprechen über eine wichtige Lücke im System die es zu schließen gilt, das sie aber damit bewirken, dass die Leser*innen Biolebensmittel dann komplett ablehnen, sollten in Bezug auf eine differenzierte Berichterstattung im Blick haben. Das hier jetzt das Fazit ist, dass Bio gleichzusetzten mit konventionell sei finde ich eine unmöglich. Es kann doch nicht in ihrem Interesse sein die vielen schädigenden Einflüsse von konventionellen Großbetrieben hier zu relativieren. Wie siehts denn trotzdem im Vergleich aus ... ? wissen ihre Leser*innen überhaupt über das Ausmaß von negativen Effekten die ein schlechter nur profitorientierter konv. Landbau hat ?

    • @Aber bitte differenzieren:

      Ich wüsste als Leser*in gern mehr über das Ausmaß von negativen Effekten die ein schlechter nur profitorientierter okö. Landbau hat.

  • Das gehört unbedingt auf den Tisch des neuen Landwirtschaftsministers!

  • Haha, das ist nur zu lustig.



    In der Abfallwirtschaft ist die Kontrolle von Entsorgungsfachbetrieben exakt gleich. Der Prüfer ist quasi scheinselbständig, da er nach Auftrag bezahlt wird und wer zu genau schaut, der wird ausgetauscht - weil am Ende sucht sich der Betrieb dann eine andere Prüforangisation.



    Das sieht dann so aus, dass der Prüfer vorab schreibt man möge doch die sechs zu prüfenden Geschäftsfälle schon mal vorab raussuchen, dann ginge es schneller. Klaro, da nehm ich die wo was fehlt oder ich gemogelt habe.



    Im Prinzip könnte man das Geld für die Prüfung spenden und den Stempel von den Kindern mit Kartoffeldruck machen lassen, das ist das gleiche.

  • Danke für die Aufklärung. Ich finde das beschämend und einfach unmöglich.

    Wenn sich die Bauern hier nur bereichertn wollen, na dann Prost.



    für mich war es das mit Bio. Alles einfach nur Verarsche!

    • @Margret Tausch:

      "für mich war es das mit Bio. Alles einfach nur Verarsche!"

      Na dann, reingehauen bei den Konventionellen! Noch weniger Kontrollen, noch mehr Klüngelei und Lobby, noch mehr Dreck. Nur zu

      • @Willifred:

        Wir wohnen sehr ländlich. Kleines Dörfsche, 1000 Einwohner. Kartoffeln, Kürbisse etc. gibt`s bei unserem Bio-Bauern im Ort. Gemüse/Fleisch vom Bio-Bauern (DEMETER; BIOLAND) aus der Umgebung landet bei uns im örtlichen Rewe-Markt oder eben im Hofladen, jeder Betrieb liegt im Umkreis von 40km. Vorzugsmilch kommt vom Selgenhof. In der Nähe von FFM liegt der Dottenfelderhof. Diese Betriebe wirtschaften seit Jahrzehnten ökologisch. Das Vertrauen zwischen Produzenten und Verbrauchern ist hier tief verwurzelt. Vielleicht klingt es ja ein bisschen nach "Utopia", aber genau so sollte es sein und ich hoffe sehr, dass dieses doch noch zu findende echte Vertrauensverhältnis in diesen Zeiten bestand hat.

    • @Margret Tausch:

      "... für mich war es das mit Bio. Alles nur Verarsche!"



      Ich sag mal so: Manches, schlimmstenfalls einiges, aber vermutlich doch längst nicht alles. Mann/frau muss sich halt die Produzenten und die Lieferanten selbst anschauen. Und weil das in den meisten Fällen mit vernünftigem Aufwand nicht geht, habe ich die Corona-Zeit genutzt, um noch mehr Lebensmittel selbst anzubauen. Jetzt bin ich mir sicher, dass da nix drin ist, was ich nicht will. Und Fleisch zu verzehren steht schon seit sehr vielen Jahren ohnehin nicht mehr zur Debatte, egal wieviel "bio", "öko" oder sonstwas draufsteht; noch kein Tier hat sich freiwillig zu Tode streicheln lassen.

    • @Margret Tausch:

      Ja, ich stimme Ihnen zu, es ist beschämend und unmöglich, aber ist es denn auch die Regel?

      Das System zeigt Schwächen, die aber lösbar wären, wenn die Politik heir nachsteuerte.

      Der Boykott von Bio-Lebensmitteln ist zu kurz gedacht. Er schädigt die engagierten und korrekt arbeitenden Bio-Landwirte.

      Und man sollte nicht glauben, es gäbe in der konventionellen Landwirtschaft keine Verstöße.



      Bei Weintrauben aus der konvetnionellen Landwirtschaft beispielweise lassen sich auf einer Traube z.T. über 10 verschiedene Pestizide nachweisen. Sie alle liegen innerhalb des Grenzwertes, stellen aber in Summe einen fatalen Giftvocktail dar, zumal bisweilen auch verbotene Substanzen darunter sind.

  • Genauso läuft es auch bei der Gewerbeaufsicht, die eigentlich unter anderem auf Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften kontrollieren soll.



    An meinen letzten Arbeitsplatz war der zuständige Kontrolleur in Ruhestand gegangen, und sein Nachfolger war ein junger Idealist, der seine Arbeit ernst nahm.



    Der Firmenleitung passten die strengen Beanstandungen des Mannes allerdings nicht, also wurde Druck gemacht und schwupps - weg war er und ein Neuer tauchte auf, der mit den Bossen Kaffee trank und sich um nichts weiter kümmerte.



    Übrigens untersteht in Hessen die Gewerbeaufsicht (ein Kontrollorgan) der Industrie- und Handelskammer, also den zu kontrollierenden Stellen.



    Da wundert einen Vieles nicht.

  • Der Begriff BIO alleine ist zu schwammig um ihn als Standard für alle Produkte oder Erzeuger anzuwenden.



    EU-BIO, mit dem die großen Handelsketten werben, ist praktisch Konventionelle Landwirtschaft ohne Chemischen Pflanzenschutz.



    Nehmen wir dagegen DEMETER, hier wird BIO fast schon religiös ausgelegt, mit Handgerührter Brenneseljauche und vergrabenen Rinderhörnern.



    Natürlich geht es auch bei BIO-Betrieben um Gewinn, und damit werden sie genauso wie Konventionelle Betriebe zum Spielball unseres allmächtigen, alles beherrschenden Einzelhandels. Dieser spielt die verschiedenen Produktionsweisen gegeneinander aus, jeder ist dann zu klein um eine Marktmacht zu haben, und der Handel kann jeden seinen Preis diktieren.



    Und was ist mit den " BIO " Produkten aus dem Ausland ?? gelten dort auch die Deutschen Standards ??

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Das man sich den Kontrolleur selbst aussuchen kann ist wohl wieder so eine FDP Idee?



    Wenn man den Staat richtig machen ließe, dann gäbe es eine Kontrollinstanz, die die Kontrolleure zulost.



    Beim Finanzamt klappt das ja auch teilweise.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Fast richtig geraten!

      Es ist eine Kooperation von FDP, CDU und CSU: Die schlampige Umsetzung der Kontrolle des EU-Bio-Zertifikats hat Ilse Aigner (CSU) im Auftrag von Angela Merkel und ihrer damaligen Union-FDP-Koalition verbockt.

      Damals haben die KBA-Landwirtschaftsverbände gewarnt, aber anders als zB in Frankreich wurden ihre Wartnungen ignoriert.

      Und so haben wir 11 Jahre später die paradoxe Situation, dass das EU-Bio-Zertifikat, das für gleiche Qualitätsstandards sorgen sollte, in exakt diesem Punkt gescheitert ist.

      Es ist ja so, dass die empirischen Regeln in der Bio-Landwirtschaft wenig Spielraum lassen: das Edaphon ist für alle gleich, und Stoffkreisläufe und Pflanzenphysiologie sind es auch. Die Unterschiede der Standards von Naturland, Demeter, Bioland (und anderen nationalen Verbänden) sind in der Praxis marginal und meist nur "weltanschaulich" begründet - da geht es um die Sortenwahl, welche Auswahl aus (allesamt grundsätzlich KBA-kompatiblen) Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zulässig ist etc. Die EU-Regeln sind nicht viel schlechter (sie sind erheblich vager, weil sie die schon vorher und unabhängig voneinander etablierten Modalitäten aller Mitgliedsländer abdecken müssen), aber ihre Kontrolle ist in Deutschland (aber nicht EU-weit) für'n Arsch.

      Das ist allerdings politisch so gewollt gewesen, und Herr Özdemir wäre gut beraten, hier mal schnellstmöglich eine seiner Vergütung angemessene Leistung abzuliefern.

      PS: gerade bei der immer beliebter werdenden Direktvermarktung (unverpackt ab Hof oder Wochenmarkt) gilt: EU-Bio-Zertifikat ist besser als gar nix. Dass man nämlich bei dieser Verkaufsmodalität, wo sehr viel am Charisma und der Redegewandtheit der Produzent*innen hängt, auf konventionelle Produkte "bio" schrieben und sie teurer verkaufen kann, hat sich in der Agrarbranche längst herumgesprochen.

  • Hier darf sich ein "Whistleblower" ungeprüft auskotzen. Hat Herr Maurin kein Interesse, die Behauptungen gegenzuprüfen?

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Chutriella:

      Ich habe zu allen Behauptungen Abcert um Stellungnahme gebeten.



      Der Artikel basiert auch nicht nur auf den Aussagen des namentlich genannten Kontrolleurs, sondern auch auf eines weiteren Ex-Kontrolleurs, von Behörden und anderen Quellen.

  • Privatwirtschaft ist eben immer "besser" als der Staat. Das sieht man auch bei der Prüfung von Atomkraftwerken durch den TÜV - also eine AG, die u.a. durch die Atomkraftwerksbetreiber finanziert wird. Zum Glück ist zumindest dieses Thema in 13 Monaten erledigt.

    • @Toto Barig:

      Meinen Sie eines der Atomkraftwerke in denen so 200 Meldepflichtige Vorfälle im Jahr vorkommen?

    • @Toto Barig:

      In der Privatwirtschaft hat zumindest noch jemand (von der Konkurrenz) ein Interesse daran, dass sowas raus kommt. Bei staatlicher Wirtschaft ist der Schlendrian viel viel größer. Wo und warum war nochmal der größte Atomunfall?

      • @TazTiz:

        Was hat Tschernobyl oder Fokushima mit staatlicher Kontrolle bei uns zu tun ?



        Nebenbei Atomkraftwerke hängen im mit staatlichen Strukturen zusammen da sie sonst nicht finanzierbar wären (Subventionsgräber)

  • taz: „Am Ende“, sagt Flegel, „war es irgendwie egal, ob ich die Landwirte kontrolliere oder nur mit ihnen Kaffee trinke.“

    So sieht die Realität wohl aus, und dann man kann sich den heftigen Aufpreis für Biolebensmittel eigentlich auch gleich sparen und das minderwertige "Zeugs" kaufen, was dann wohl auch nicht viel schlechter ist. Was sagt der Gesetzgeber eigentlich zu diesem Betrug, denn der Verbraucher denkt ja, dass die "Biolebensmittel" wirklich echte Biolebensmittel sind? Okay, bis dato war ja die 'Deutsche Weinkönigin' Julia Klöckner (CDU) als Landwirtschaftsministerin tätig, und die hat sich ja noch nie für "Bio" interessiert. Mal sehen ob der neue grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sich für so eine offensichtliche Täuschung des zahlenden Verbrauchers etwas mehr interessiert, denn so kann es ja wohl nicht weitergehen.

  • Natürlich gibt es auch BioBetriebe, die mal 5 grade sein lassen und natürlich (naiv wer anders denkt) muss ein Biobetrieb Gewinn maximieren. Üblicherweise der Ausgleich für die auch mal schlechten Jahre. Und auch Bio in Großbetrieben kann Sinn machen. Bio ist kein Selbstläufer und natürlich muss kontrolliert werden. Aber das die Landwirte die Kontrolle bezahlen müssen ist Unsinn und das sie Kontrolleure ablehnen können noch mehr. Nei Herr Wachtmeister, ich habe nichts getrunken und ich will nicht das Sie mich kontrollieren. Bitte rufen Sie eine Kollegin an!

    • @Peter Hansen:

      Grundsätzlich müssen Landwirte keine Gewinnmaximierung betreiben.



      Die wollen einfach nur an dem Konsum der Gesellschaft teilnehmen und weniger finanzielle Sorgen haben! Dazu muss aus der Differenz zwischen Aufwand und Ertrag, der leider als Gewinn bezeichnet wird, noch das Leben der ganzen Familie bezahlt werden, sowie die Tilgung der Investitionskredite getätigt werden. Leider besteht ein großer Unterschied zwischen Ökonomie und Ökologie. Es gibt sowohl bei den Biobauern und Kontrolleuren schwarze Schafe aber auch in den Amtsstuben Bestechung und Betrug. Selbst Medien schreiben gerne so, dass sie ihre Gewinne Maximieren. Eine reale Darstellung ist da auch nicht immer angebracht.

      • @Hannes Baldrian:

        Nee, "grundsätzlich" nicht. Aber in der Praxis muss man das schon, wenn man kein Großgrundbesitzer ist. Der Konkurrenz- und Verdrängungsdruck auf Kleinbetriebe ist zu groß.

        Und da liegt es halt auch nahe, dass man alle Schlupflöcher, die das System bietet, auch knallhart ausnutzt.

  • ...weit her geholt sind. Wie sag denn das Behandlungsjournal aus auf dem Schweinebetrieb? War das leserlich geführt (hier wären die TierärztInnen mal anzusprechen), was die richtige Indikation vermerkt? Wie häufig geschah das? Und vor allem: jedeR KontrolleurIn hat ihre Stärken und Schwächen, das wäre bei staatlicher Kontrolle nicht anders. Nicht jede muss auf dem Gebiet der Sauenhaltung kompetent sein. Wieviele Bio-Sauen-Betriebe gibt es noch? Die sind alle kaputt gespart. Ich hatte noch keinen.

    Eine staatliche Kontrolle hätte den Vorteil, dass die Kontrolllänge nicht mehr von der Bäuerin bezahlt werden müsste und somit mehr Kontrolltiefe nicht auf den Schultern der Betriebe ausgetragen werden müsste.



    Aber dann wäre es Ländersache und jetzt schon legt jedes Bundesland die EU-Richtlinien anders aus. Darüber sollte man mal streiten.



    Aber wie tief will man gehen? Er wird immer noch tiefer gehen, wir werden uns jedoch auch dann damit abfinden müssen, nie alles gefunden gehabt zu können. Und damit würden wir vor allem die noch kleineren und von der Sache überzeugten Betriebe in den Frust treiben. Schon jetzt ist es so, dass die meiste Kontrollzeit und auch die meisten Abweichungen auf kleine, diversifizierte Betriebe fallen. Wo viel angelangt wird, kann auch viel schief gehen.



    Wer das will, bitteschön, der werfe Steine in taz gewickelt.



    Ich glaube jedoch, wir schaffen bio auch mit Makeln.

    • @MaR:

      Mit dem BIO-Label ist es ein wenig so wie mit der Religion. Wer nicht daran glaubt, kauft keine Bioprodukte, wer daran glaubt, muss wissen, dass auch da geschummelt werden kann, respektive wird, wenn die Biobetriebe nicht von einer "unabhängigen" (neutralen) Stelle kontrolliert werden. Dass weltweit immer mehr Nachkommen von (Klein-)Bauern (spätestens die dritte Generation) es vorziehen, ihr Brot in der Industrie, Verwaltung, usw. zu verdienen, ist leider auch nicht verwunderlich...

      • @Hans junior:

        Seltsamer Vergleich. Bio-Label und Glauben. Das gilt dann auch für alle Prüfsiegel, Güteziegel, Zertifikate, Empfehlungen, Prüfungen, Zeugnisse. Überall wird geschummelt.



        Es wird auch in der konventionellen Landwirtschaft geschummelt.

        Natürlich haben Sie Recht, dass die Kontrollstellen mögliche Schwachstellen sind. Und? Was ist die Schlussfolgerung daraus? Ökologische Landwirtschaft abschaffen?

        Lieber konventionell kaufen, da dort die Kontrollstellen keine Schwachstellen haben? Stichwort Tierschutz und Qualitätsprüfungen auf den Schlachthöfen.

        Auch die Kontrollstellen müssen zur Verantwortung gezogen werden können, wenn eine Verfehlung vorliegt.

        Dass immer weniger Menschen in der Landwirtschaft arbeiten, liegt nicht an den Kontrollen oder an der Bio-Landwirtschaft, sondern am System das permantes Wachstum generieren muss. Dieses rein kapitalorientierte System ist es, was den Planeten sprengt.



        Die landwirtschaflichen Betriebe können in der aktuellen Lage nur durch eine billigere Produktion überleben. Hierfür müssen sie aber ihre Flächen intensivst bewirtschaften und sie müssen mehr Fläche bewirtschaften. Gleichzeitig gibt es die 4 großen Discounterketten, die von der Mehrheit gern angefahren werden, die aber die Preise weiter drücken.

        Die großen Dicounter nehmen jetzt sogar die Ware der strengen Biolabel ins Sortiment (Bioland, Demeter, Naturland). Das könnte der Anfang vom Ende eines ehemals guten Gedankens sein.

        Es nützt aber nichts rumzumosern, es wird Zeit, dass sich strukturell etwas verändert. Dazu muss sich die Politik gegen eine mächtige Agrarlobby durchsetzen.

        Bei Schmidt und Klöckner war nichts zu erwarten, die sind glatt wie Zäpfchen und wurden auch so benutzt.

        Özdemir muss sich erst noch beweisen. Er hat mich in Diskussionen bislang nicht sonderlich überzeugen können. Ich hoffe, dass seine Staatsekretärin mutig und standhaft ist.

  • Ich arbeite selbst in der Branche und finde eine Diskussion über die Modalitäten gar nicht falsch. Sie sollte jedoch fair und als offene Diskussion geführt werden. Hier wird in wesentlichen eine Kontrollstelle am den Pranger gestellt mit Argumenten, die in sich schwierig sind.



    ABCERT bildet KontrolleurInnen immerhin selbst aus und gibt den KontrolleurInnen noch einiges am Material mit am die Hand. Das ist nicht generell üblich. Nur dass in diesem Fall ABCERT der Arbeitgeber war. Wobei so viele Fälle da gar nicht verpfiffen wurden - 2 zähle ich. Die anderen Fälle gehen auf andere Kontrollstellen.



    Wer "ABCERT" bei taz.de eingibt, stößt jedoch darauf, dass sich der Autor speziell auf diese KS eingeschossen zu haben scheint, die Konkurrenz taucht kaum auf. Ich gehe trotzdem davon aus, dass ABCERT diese Kritik intern aufarbeiten wird.



    Das Grundproblem sehe ich darin, eine totale Kontrolle zu erwarten. Die gibt es nicht und auch nicht bei staatlichen Kontrollen. In der Regelkontrolle werden wir vorsätzlichen Betrug nur schwer erkennen können. Dafür gibt es dann ja Stichproben. Der vorsätzliche Betrug ist meiner Erfahrung nach jedoch selten. Die meisten Betriebe wollen öko sein.



    Er gibt ja 3 Typen von Abweichungen:



    1. Vorsatz mit Gewinnabsicht



    2. Nachlässigkeit; Überforderung



    3. Unwissen



    Auch bei den Punkten 2 und 3 erreichen wir viel, indem wir die Standards präzisieren: wir erkennen das Problem, sprechen es an, halten er schriftlich fest und ob dann eine Sanktion kommt oder nicht, ist für die meisten Betriebe gar nicht mehr so wichtig, denn diese Betriebe muss man nicht zwingen. Früher hat man sich bei einer Kontrolle den Hof angeschaut und überlegt, wo die Schwachstellen sind und wo Entwicklungspotential. Seit der Verordnung werden Checklisten durchgegangen. Der Verbraucher ist hier von fördern zu fordern umgestiegen. Das schmerzt auf Seite der Höfe. Daher fände ich es auch schade, wenn von uns die Rolle eines Inquisitors verlangt würde. Zumal die Beispiele im Text...

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @MaR:

      Danke für den sachlichen Beitrag zu dieser wichtigen Diskussion!



      Dass ich viel zu Abcert schreibe, liegt v.a. daran, dass sie die größte Biokontrollstelle in Deutschland ist.

  • Voller Ernüchterung danke ich der taz für die sehr gute journalistische Arbeit.



    Und hoffe, dass der Artikel etwas bewirkt.



    Wer weiß, wenn es noch mal um Scholzens Skandale geht - und das wird es gewiss - und die FDP hoffentlich in der Defensive, werden die Interessenskonflikte von Wirtschaftsprüfern vielleicht nochmal Thema und reformiert. Dann könnten die Grünen diese Reform gleich auf Ökolandwirtschaft ausweiten.



    Ob der Karierist Özdemir da mitmachen würde? Zumindest ist er Vegetarier.

    Des Weiteren:



    "Ergebnis: Oft handelt niemand, weil alle immer auf den anderen warten."



    Kommt mir seit nun 22 Monaten ziemlich bekannt vor...

  • In der Landwirtschaft wurde immer schon getrickst, je kleiner der Betrieb, desto anfälliger dafür. Ob Bio oder nicht ist dabei egal. Passt zwar nicht in das öffentliche - weil so romantische - Bild, dass die Großen, immer die Bösen sind.

    • @TazTiz:

      Je größer, desto lukrativer das Getrickse....

    • @TazTiz:

      Einfach mal pauschal alle verurteilen !!



      Wenn ich einen Deutschen beim stehlen erwische sind ALLE Deutschen Diebe ? Ein Berliner begeht einen Mord, ALLE Berliner sind Mörder ?



      Wer, auch in der Landwirtschaft, sich nicht an die Regeln hält gehört bestraft, deshalb muss es ( darf es ) keine Sippenhaft für den ganzen Berufstand geben.

  • Na ja der Bio-Kleinbauer hatte eine 20% Überbelegung was die Freßplätze betrifft. Bei Vorratsfütterung dürfte er das allerdings auch. Das Tier-Fressplatz Verhältnis ist dann 1,2:1 und nicht 1:1.

    Anscheinend waren die anderen Regeln zum Beipiel für die Fläche eingehalten worden, sonst wäre das ja auch bemängelt worden.

    Ob und wie der Bauer die potentiell unterernährten Rinder versorgt hat wird im Artikel leider nicht weiter ausgeführt. Eigentlich sollte jedem klar sein das mangelernährte Rinder schlecht verkauft werden können.

    Es wäre schön, wenn neben der Kontrollinstanz hier der Landwirt zu Wort kommen könnte, bevor das ganze System an den Pranger gestellt wird.

    Gruß vom Mondlicht

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Moonlight:

      Der Bauer hätte auf jeden Fall eine Ausnahmegenehmigung haben müssen und die fehlte laut Quelle.

      • @Jost Maurin:

        Ausnahmegenehmigungen ist auch ein gutes Stichwort. Wäre doch auch einen guten Insiderartikel wert, wenn man schon mal im Gespräch ist...

    • @Moonlight:

      Im Prinzip haben Sie recht, aber man müsste auch wissen bei welchem BIO-Verband der Landwirt wahr, weil z.B. Demeter bei Fressplätzen und Fressplatz Größe eigene Regeln hat.

  • Danke für den guten Artikel. Ich werde ab sofort mein Kaufverhalten wieder auf konventionell umstellen. Es gibt ja noch viele andere Gründe gegen Bio, wie bspw. zu viel Flächenverbrauch im Vergleich zum Ertrag und rechtsideologische Altlasten bei demeter. Beim Fleisch kaufe ich vom lokalen Bauern, dessen Stallungen ich kenne.

    • @K2BBQ:

      Da haben Sie jetzt wohl einen Artikel gefunden, der kritisch über schwarze Schafe der Bio-Branche berichtet und daraus leiten Sie ab, das es gesund sein muss, Glyphosat zu spritzen, Genfutter anzubauen und die Schlachtviecher auf engstem Raum zusammenzuqueteschen.



      Viel Vergnügen bei Ihrem nächsten Antibiotika-Snack.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @K2BBQ:

      Diese Konsequenz können Sie aus dem Artikel nicht ableiten. Selbst der Whistleblower sagt, dass die meisten Biobauern nicht betrögen und der weiter die meisten Lebensmittel in Bio-Qualität kauft. Dessen unbenommen gibt es grundsätzliche Probleme bei der Biokontrolle, die endlich gelöst werden müssen.

  • Kontrolle ist gut,



    persöhnliche Beziehung zwischen DirektvermarkterInnen und StammkundInnen ist besser!

    - ebenso wie gegenseitige fachlich erfahrene Beratung und waches Auge auf Einhaltung der aus gemeinsamer Überzeugung gewählten Maßstäbe zwischen den örtlichen Bio - LandwirtskollegInnen eines Anbauverbandes bei turnusmässigen gemeinsamen Betriebsbesuchen!

    So war es in der Gründerzeit: Vor den EU - Biosubventionen, dem EU-Biosiegel -



    und der dabei entstandenen Chimäre staatlich subventionierter , aber privatwirtschaftlich ausgeführter Ökokontrollen.

    Und bevor hier irgendjemand den Splitter aus dem Auge eines anderen ziehen will: Kümmert euch erstmal um die fetten Balken in euren eigenen Augen!

    Der Splitter: Im knallharten, völlig unterbezahltem wirtschaftlichem Überlebenskampf der Biolandwirtschaft haben sich hart arbeitende Bauern aus Verzweiflung zur Steigerung ihrer wirtschaftlichen Effektivität zur Verletzung von Biovorschriften verleiten lassen - und damit strafrechtlich zu Subventionsbetrug.



    Die mit den Bioverbänden verkungelten Kontrollfirmen versuchen mit menschlichem Maß aus diesen Verzweiflungstaten keine wirtschaftlichen Existenzvernichtungen werden zu lassen und drücken alle Hühneraugen zu, statt alles an die große Glocke des öffentlichen Prangers zu hängen.

    Die millionenfachen fetten Balken:



    Wir alle, die bequem "Bio" in den paar verbliebenen großen Supermarktketten einkaufen und nicht mehr den eigenen Arsch hochkriegen, bei regionalen Direktvermarktern gute Preise für gute Arbeit zu bezahlen.

    Denn das erbarmungslose Preisdiktat dieser Supermarktketten am Biomarkt ist letztlich der tatsächliche Grund für solche Verzweiflungstaten.

    Also: Ärsche hoch, Freunde!

    Staatliche Subventionen gehören staatlich kontrolliert. Was sonst?

    Teil der Biosubventionen ist die happige Grundgebühr der ehrlicherweise profitorientierten Kontrollfirmen.



    Für das Geld bitte erfahrene und überzeugte BiobäuerInnen als unabhängige staatliche Kontrolleure einstellen!

  • Das Problem mit den privatwirtschaftlich betriebenen Benannten Stellen, die durch die zu zertifizierenden Betriebe beauftragt und bezahlt werden, ist branchenübergreifend, und tritt so zB auch in der Gesundheitsindustrie auf.

    Es mag jetzt etwas übertrieben klingen, dass man sich solche Zertifikate über die Einhaltung diverser ISO-Normen einfach kaufen kann -- aber de facto läuft es darauf hinaus, seit dieses ganze Zertifizierungswesen vor einer Weile liberalisiert, und an private Player übergeben wurde.

    Man kann nicht etwas "durch den Markt regeln" lassen, und dann glauben, dass es dabei dann noch um irgendetwas anderes als Geld gehen würde.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Solche Beiträge sind enorm wichtig, auch wenn sie weh tun.



    Es gab ja in der Vergangenheit bereits einige große Skandale im Bio Bereich.



    Hier hilft tatsächlich nur Transparenz weiter.



    Immerhin haben auch einige Großbauern Bio als lohnende Einnahmequelle entdeckt, und produzieren sogar manchmal gemischt auf dem gleichen Hof.



    Die Verbände verbieten das teilweise, aber ohne Kontrolle ist das alles nur Papier.



    Ich würde mich freuen, wenn die großen Verbände dies rechtzeitig einsehen und Manipulationsmöglichkeiten, wie hier beschrieben, einen Riegel vorschieben.



    Bio ist für uns Verbraucher teuer genug, dafür muß auch ein funktionierendes Kontrollsystem inkludiert sein.

  • Und wieder eine Bestätigung, warum mir beim Fleisch der Umstieg auf bio nicht ausreichte.

  • www.abcert.de/kontakt



    Sauber - für Tschechien und Italien sind die auch noch tätig.



    Aber die Parteien suggerieren "einen Neuanfang" - soviel essen könnt' ich gar nicht wie ich ....... müßt!

    • @MahNaMahNa:

      Schwarz - weiß - fertig

    • @MahNaMahNa:

      Ah witzig, hatte genau den selben Spruch im Sinn , oder halt traurig, je nachdem