Verstöße gegen EU-Bioverordnung: Biokontrolleure verlieren Erlaubnis

Die EU-Kommission entzieht wegen Gift im Sesam großen Ökokontrollstellen die Zulassung für Importe aus Indien. Die Inspekteurslobby kritisiert das.

Sesamsamen auf einem Holztisch

Hoffentlich nicht mit Ethylenoxid verseucht: Sesamsamen Foto: Natalia Danko/PantherMedia/imago

BERLIN taz | Weil sie mit Gift belasteten Lebensmitteln das Biosiegel gegeben haben, dürfen mehrere große Ökokontrollstellen künftig keine Importe aus Indien mehr zertifizieren. Die EU-Kommission veröffentlichte Ende Oktober eine Verordnung, wonach Control Union Certifications, Ecocert, Lacon und One Cert International Mitte November ihre Zulassung für Einfuhren aus dem asiatischen Land wegen Verstößen gegen die EU-Bioverordnung verlieren. Hintergrund sind unter anderem massenhafte Funde von Sesamkernen, die mit dem Desinfektionsmittel Ethylenoxid verseucht waren. Das Mittel kann laut EU-Kommission Krebs verursachen, das Erbgut verändern und die Fortpflanzung beeinträchtigen. Offenbar wurden die Samen mit dem Gas besprüht, um eventuell vorhandene Salmonellen abzutöten.

Der Fall könnte Zweifel an der Zuverlässigkeit der Biokontrolle wecken. Control Union aus den Niederlanden und Ecocert aus Frankreich gehören zu den weltweit größten Unternehmen, die mit Erlaubnis der Behörden prüfen, ob Biolebensmittel gemäß den Gesetzen für den Ökolandbau erzeugt worden sind. Der Fall zeigt erneut, dass private Kontrollstellen und Behörden sich gegenseitig die Verantwortung für Bioskandale zuschieben. Ökobauern müssen unter anderem auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten.

Die EU-Kommission begründete die Sanktion mit der „Kontamination einer großen Anzahl von Sendungen von Erzeugnissen, die in Indien produziert und von diesen Kontrollstellen als ökologisch/biologisch zertifiziert wurden“. Dabei gehe es um Verunreinigungen mit Stoffen, die in der Öko- und/oder der konventionellen Produktion in der EU verboten seien. In den Produkten seien oft bei Weitem mehr Ethylenoxid und andere Chemikalien enthalten gewesen als erlaubt. Die Kontrollstellen wiesen laut EU-Kommission nicht nach, dass sie die Waren wie von der Ökoverordnung vorgeschrieben überprüft hätten. „Außerdem haben diese Kontrollstellen keine Abhilfemaßnahmen gegen die festgestellten Unregelmäßigkeiten und Verstöße ergriffen“, so die Behörde. Die Kontrollstellen ließen eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Schon früher unzuverlässig

Jochen Neuendorff vom Vorstand des europäischen Dachverband der Ökokontrollstellen (EOCC) kritisierte die Bestrafung der Zertifizierer. „An erster Stelle haben die amtlichen Kontrollen nicht gegriffen“, sagte Neuendorff der Branchenzeitschrift BioHandel. Denn die belastete Ware hätte nicht nur nach Biorecht, sondern auch nach dem allgemeinen Lebensmittelrecht nie auf den Markt kommen dürfen. Doch weder die indischen noch die Lebensmittelkontrollbehörden der EU hätten die kontaminierte Ware beanstandet.

Speziell Control Union ist schon mehrfach negativ aufgefallen. 2019 verbot die EU-Kommission der Kontrollstelle wegen Unzuverlässigkeit, Importe aus der Türkei und weiteren vier Staaten zu zertifizieren. Damals räumte Control Union auch ein, dass Mitarbeiter einer für zwölf Staaten zuständigen Niederlassung in der Türkei inkompetent seien. Die USA untersagten dem Büro seinerzeit, Produkten das US-Biosiegel zu geben.

Als Erstes hatte ein konventio­nelles Unternehmen aus Belgien Ethylenoxid in indischen Sesamsamen im September 2020 gemeldet. Daraufhin begann eine EU-weite Welle von Rückrufen auch von Bioprodukten. Die EU ordnete deshalb mehr Kontrollen an. In Indien und anderen Ländern ist die Chemikalie weiter zugelassen, etwa um Krankheitserreger abzutöten. Die Alternative wäre eine effizientere Hygiene bei Produktion und Transport.

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