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Wegen getöteter Po­li­zis­t:in­nenRazzia für ein „Like“

Razzia bei einer Person aus Hamburg – der Grund: Ein Like für einen Tweet, der die Tötung von Po­li­zis­t*in­nen gebilligt haben soll.

Wer das anders seht, sollte sich im Netz vorsehen: Gedenkort für die erschossenen Po­li­zis­t*innen Foto: Uwe Anspach/dpa

Der Vorfall erinnert ein wenig an die Pimmelgate-Affäre um Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). Dieser hatte im vergangenen Jahr eine Hausdurchsuchung angezettelt, weil er bei Twitter mit dem Satz „du bist so 1 Pimmel“ beleidigt worden war. Ein*e Ham­bur­ge­r*in musste am frühen Montagmorgen auch der Polizei die Tür öffnen, ebenfalls wegen eines Tweets.

Genauer: Wegen eines Likes. Dieses soll die betroffene Person vor eineinhalb Jahren unter folgenden Tweet gesetzt haben, der eine etwas andere Hausnummer war als der Pimmel-Tweet: „Wo sind eigentlich die Schweigeminuten für Ahmed Ahmad, für Giorgos Zantioinis, für Oury Jalloh, für all die Menschen die die Polizei ermordet hat? Ich trauere wenn unschuldige sterben, nicht wenn die killer selber mal dran glauben müssen“. Das Handy der betroffenen Person wurde beschlagnahmt, schreibt der Ermittlungsausschuss Hamburg (EA), der Ak­ti­vis­t*in­nen unterstützt.

Die Durchsuchung war Teil einer bundesweiten Razzia. In 15 Bundesländern wurden rund 80 Menschen aufgesucht. Die Maßnahmen beruhen auf Erkenntnissen der Ermittlungsgruppe Hate Speech des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz. Diese sei „als Reaktion auf zahlreiche Hasskommentierungen nach der Tötung der beiden Polizeibeamten im Landkreis Kusel am 31.01.2022“ eingerichtet worden, schreibt die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.

Bundesweit 150 Beschuldigte

Die Gruppe bearbeite Fälle unter der Leitung der Generalstaatsanwaltschaft, gehe Hinweisen nach und suche „proaktiv nach solchen“, heißt es beim Innenministerium Rheinland-Pfalz. „Insgesamt wird 150 Personen vorgeworfen, für 172 strafrechtlich relevante Kommentare und 18 Likes verantwortlich zu sein.“ Mit der Razzia habe man nun „erstmals gemeinsam mit allen Bundesländern das Ziel verfolgt, bei den Tatverdächtigen weitere für die Strafverfolgung dienliche Beweise zu sichern“, wird der LKA-Vizepräsident zitiert.

Am Dienstag begann der Prozess um die zwei getöteten Polizist*innen. Gerade vor dem Hintergrund bewertet der EA die Razzia am Tag zuvor als „reine PR-Aktion“ im eigenen Interesse. Ein Aktivist des EA, der seinen Namen nicht nennen möchte, hält die Durchsuchung in Hamburg zudem für unverhältnismäßig. „Dass Likes verfolgt werden, ist ziemlich absurd. Da ist jegliches Maß verloren.“ Außerdem stelle sich ihm die Frage, welche zusätzlichen Beweise ein Handy liefern sollte, wenn der richterliche Beschluss zur Durchsuchung schon darauf beruhe, zu wissen, wer das Like unter den Tweet gesetzt haben soll.

Er setzt das Handeln der Polizei auch ins Verhältnis zu Erkenntnissen, die der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann vor rund einem Monat in einer investigativen Recherche gesammelt hatte: Sein Team hatte sieben strafrechtlich relevante Hassnachrichten in allen 16 Bundesländern angezeigt – und dann dokumentiert, wie träge die Polizei dazu teils ermittelte. „Das hat mit Verhältnismäßigkeit überhaupt nichts mehr zu tun“, so der Aktivist, zumal die Beleidigungen viel härter gewesen seien. „Wenn es um Kol­le­g*in­nen geht, wird direkt die Generalstaatsanwaltschaft eingebunden.“

Die Rechtslage ist bislang unklar

Die Begründung für den Durchsuchungsbeschluss war laut dem Aktivisten: Der Tweet, der kurz nach der Tötung der beiden Po­li­zis­t*in­nen abgesetzt worden sein soll, beziehungsweise das Liken, soll ihr Andenken verunglimpft und die Tat gebilligt haben. Für beide Straftaten kann eine Freiheits- oder Geldstrafe verhängt werden.

Ein Hamburger Rechtsanwalt aus dem Umfeld des EA glaubt jedoch nicht, dass allein ein Like oder ein Retweet dazu reicht, diese Tatbestände zu erfüllen. „Es ist eher ein Versuch, diese Hasskriminalität zu bekämpfen, allerdings mit sehr starken Mitteln.“ Aufgrund fehlender Rechtsprechung gebe es dazu noch viele unterschiedliche juristische Ansichten.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg bestätigte, dass die Durchsuchung „wegen des Verdachts einer Straftat nach § 140 und § 189 StGB durch Liken eines Twitterbeitrages“ erfolgte. Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung beantwortete die Sprecherin „aufgrund der andauernden Ermittlungen“ nicht. Unter Hasskriminalität könne aber „ganz allgemein auch eine Tathandlung wie das ‚Liken‘ und damit ‚Gutheißen‘ eines Hasskommentars fallen“.

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19 Kommentare

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  • Dann bitte aber auch alle Deutschen strafrechtlich verfolgen, die ausländische Holocaustleugner liken! Notfalls dafür die Gerichte personell 100 Prozent aufstocken!

  • Der Artikel scheint - mal wieder - zwischen guter Hetze (alles was gegen rechts oder konservativ oder mainstream ist) und böser Hetze (alles was rechts oder konservativ oder mainstream ist) zu unterscheiden - zumindest subtil.



    Wird an einer Stelle nachweislich zu lasch gearbeitet, wird an der anderen Stelle, mit eben dieser fehlenden Laschheit, überzogen reagiert. Andersrum wäre es wahrscheinlich o.k., wenn nicht gar erwünscht.



    Eine Seite zu recht anzuprangern heißt aber automatisch nicht, der anderen Seite einen Persilschein auszustellen, wenn dort mal Grenzen überschritten werden.



    Da gibt es auf beiden Seiten wohl noch Lernbedarf...

    • @Lars B.:

      Es ist halt offensichtlich wie unterschiedlich diese Vergehen von der Polizei bewertet wurden, oder stimmst du dem nicht zu?

      Wenn die Polizei diese Fälle also unterschiedlich bewertet, stellt sich auch automatisch die Frage nach den Kriterien der Polizei und diese zu hinterfragen und gegebenenfalls zu kritisieren.

      Es ging an keiner Stelle darum einen Persilschein auszustellen.

  • § 140 StGB ist vergleichsweise unbekannt, die Tat bleibt ungeachtet dessen trotzdem strafbar. Weshalb sollte ein Liken nicht ausreichen?

    Nehmen wir mal an, es bestünde ein antisemitischer oder anti-muslimischer Kontext und irgendjemand hätte beispielsweise ein Like unter die Verherrlichung der Taten des NSU gesetzt.

    Wenn der Tatbestand erfüllt ist, dann ist selbstverständlich auch die Hausdurchsuchung verhältnismäßig.

    • @DiMa:

      "§ 140 StGB ist vergleichsweise unbekannt, die Tat bleibt ungeachtet dessen trotzdem strafbar. Weshalb sollte ein Liken nicht ausreichen?"

      Ist eine Aussage, dass man nicht trauert, tatsächlich schon ein Billigen der Tat?

    • @DiMa:

      Die Verhältnismäßigkeit bezieht sich auf die Schwere der Tat und die Aussicht darauf, dass die Hausdurchsuchung relevante Ergebnisse liefert. Auch bei beispielsweise Leistungserschleichung im ÖPNV ist ja ein Straftatbestand erfüllt, soll man nun in all diesen Fällen nun routinemäßig nächtliche Razzien durchführen? Der gelikte Tweet war genau genommen eben keine Verherrlichung, sondern lediglich die Erklärung nicht zu trauern. Das ist zwar sicher ziemlich empathielos aber eben keine Billigung und die "Killer" dürften wohl in die selbe Kategorie fallen wie der "Soldaten sind Mörder"-Slogan, nicht sonderlich differenziert aber eben auch nicht illegal.

      • @Ingo Bernable:

        Der Strafrahnmen sieht bis zu drei Jahren Gefängnis vor und die Beweise können durch das Beseitigen des Telefones sehr schnell vernichtet werden.

        Daher ist die Verhältnismäßigkeit einer Hausduchsuchung wohl eher zu bejahen, da zumindest eine Anfangsverdacht begründet ist.

        Ob der Tatbestand dann erfüllt ist oder nicht muss der Tatrichter entscheiden.

      • @Ingo Bernable:

        Wo sehen Sie bitte eine Vergleichbarkeit zwischen Schwarzfahren und dem öffentlichen Gutheißen der Tötung von Polizisten?

        Und by the side übrigens. Das war kein gewaltverherrlichendess kontextloses militarististisches ACAB Gedöns. Es starb tatsächlich jemand.

        Und der Schnack "Soldaten sind Mörder" passt ganz und gar nicht. Der Satz wendet sich gegen Krieg und liked ihn nicht.

        • @Rudolf Fissner:

          Natürlich bin ich gern bereit es noch ein zweites Mal zu erklären.



          "Wo sehen Sie bitte eine Vergleichbarkeit zwischen"



          Beides ist eine Straftat und Strafbarkeit war das von Dima formulierte Kriterium das Razzien rechtfertigt.



          "Es starb tatsächlich jemand."



          Das hat auch niemand bestritten. Aber ist die Aussage nicht zu trauern tatsächlich bereits gewaltverherrlichend? Wenn das so sein sollte müssten wir wohl alle uns tag-täglich zutiefst gramerfüllt die Augen ausheulen weil ständig irgendwo gestorben wird wenn wir uns nicht strafbar machen wollen.



          "Und der Schnack "Soldaten sind Mörder" passt ganz und gar nicht."



          Er stempelt aber genauso pauschalisierend eine ganze Berufsgruppe zu Mördern. Wenn es also bei Soldat*innen legal ist, warum sollte es dann bei Polizist*innen illegal sein?

  • Der Entzug von Empathie ist der Anfang von Hass. Wie kann frau die Lächerlichkeit von Pimmelgate mit dem widerlichen Liken einer Hassnachricht, welche die Tötung einer gesamten gesellschaftlichen Gruppe, pauschal als "killer" verunglimpft (Straßenpolizisten...) gleichsetzen. Da empfehle ich doch ein bisschen Nachschulung (Basic Level) in Empathie. Übrigens: Ich wollte nicht ohne Ordnungshüter dem Treiben von Reichsbürgern oder Besoffenen auf dem Bahnhof oder verrückten Autofahrern ausgeliefert sein. Wer die Polizei pauschal verunglimpft, treibt sie nach rechts. Sie gehört aber in die Mitte.

  • Man mag die Verhältnismäßigkeit hier kritisieren (Hausdurchsuchung für 1.5 Jahre altes Like) aber das Billigen von Mord mit der Pimmel Beleidigung gleichzusetzen ist doch arg abstrus.

  • Ach ja, überall und stets geht es gegen Hass und Hetze, aber wenn einer öffentlich Polizistenmorde OK findet, soll man sich mal nicht so haben?

    • @Jochen Laun:

      Es bleibt trotzdem die Frage, was diese Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen eigentlich bringen sollen. Ein Like oder eine Twitternachricht sind schließlich auf den Servern von Twitter gespeichert und nicht auf den Geräten der Nutzer. Noch viel weniger liegen sie irgenwo bei irgendjemandem zuhause herum. Um Beweise kann's also nicht gehen. Durchuchungen als extralegale Bestrafung bzw, massenweise wilkürlich angeordnete Schikane darf es in einem Rechtsstaat absolut nicht geben. Sonst ist es keiner mehr. Das ist mit "soll man sich mal nicht so haben" nicht abgetan.

  • Es ist EINE Sache, dass die Polizei (mindestens in Einzelfällen) mit zweierlei Maß misst, dies muss sich ändern, keine Frage. Hassreden im Netz und das Billigen von Gewalttaten sollte generell strafrechtlich verfolgt werden. Ich begrüße aber ganz ausdrücklich JEDE Form der Verurteilung des Rechtsstaats in Bezug auf diese Tat. Hier wurden zwei junge Menschen im Polizeidienst kaltblütig und vollkommen grundlos erschossen. Wie das jemand „liken“ kann, erschließt sich mir einfach nicht. Das Internet und die vermeintliche Anonymität macht es aber scheinbar für einige möglich, der Rechtsstaat verfolgt und bestraft dies meiner Meinung nach völlig zurecht. Gegenbeispiel: Zwei TAZ Journalisten werden bei einem Pressetermin hinterrücks erschossen, zwei Tage später komme ich in die Redaktion und feier die Täter lauthals für ihre Tat, während die ehemaligen Kollegen mir dabei zuschauen müssen. Abartig! Ich nehme an, dass die gesamte TAZ Redaktion meine Verurteilung wollen würde, und zwar völlig zurecht! Also: Über was wird sich hier aufgeregt?!

  • Realität scheint zu sein, dass unsere vielfältige und noch freie Gesellschaft nicht einheitlich denkt und dies auch nicht tun wird. Da kannst du noch so oft mit Kanonen auf Spatzen schießen. Wenn doch die Spirale der Gewalt endlich durchbrochen werden könnte...

  • Morde mit Morden zu rechtfertigen, wäre mir mehr als eine Durchsuchung wert.



    Auge um Auge, Zahn um Zahn, ist alles mögliche, aber nicht links.

    • @Hans Jürgen Langmann:

      Es wurde kein Mord gerechtfertigt, es wurde nur gesagt man würde nicht trauern.

  • Das ist ja spannend.



    Ich würde postulieren dass es nur darum geht mal zu zeigen was eine Harke ist.

    Ich bin für eine anlasslose Hausdurchsuchung.



    Immer diese verdammte Bürokratie ! Hindert doch nur bei der Strafverfolgung.



    Und vor allen Dingen diese schrecklichen Gedankenverbrechen ! Das muss aufhören !

    Ich sag nur "Doppelt-plus-ungut" und empfehle der werten Leserschaft Orwells "1984". Auch wenn einige Medien meinen "Big Brother" zu einer Witzfigur machen zu müssen.

    Die Richter unterschreiben ja offenbar auch das Butterbrotpapier wenn es zwischen die Anträge auf schwere Grundrechtseingriffe geraten ist.

    Bin mal gespannt, ob so ein beschlagnahmtes Handy (also das "Tatwerkzeug") wirklich ausreicht, Verdächtige zu überführen - denn wer legt sein Handy nicht mal kurz aus der Hand, in der Kneipe auf den Tisch ...

    Und dabei hab ich ganz vergessen: Was ist denn der Tatvorwurf ?



    Ah, habs gefunden.



    Aber der 140 (Belohnung und Billigung von Straftaten) zieht nur bei Hochverrat, Landesverrat oder sexuellem Mißbrauch von Kindern. Also bei schwersten Straftaten.

    Der 190 (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) ist interessanter - aber ob ein Like für einen Anfangsverdacht wirklich reicht ?

    Und so ein Like an sich: Der ist doch sicher schnell gesetzt. Ein Fingertipp reicht ja aus. Und läßt sich ein Like zurücknehmen ? Wohl kaum.