Hass im Netz: Müder Kampf gegen Hasskriminalität
Nach einer Medienrecherche räumen Polizeibehörden Versäumnisse ein. Forderungen nach besserer Ausstattung der Dienststellen werden laut.
Inhalt der digitalen Botschaften waren Morddrohungen, antisemitische Äußerungen oder verfassungsfeindliche Symbole. Einige zuständige Stellen agierten sofort, so etwa in Berlin. Bei anderen fielen die Ermittlungen schleppend aus, einige Anzeigen versandeten offenbar komplett.In mindestens zwei Fällen zog die Aktion bereits Konsequenzen nach sich.
So musste die Polizeiinspektion Magdeburg erklären, dass nach bisherigen Erkenntnissen die Entgegennahme einer Strafanzeige seinerzeit unterblieben sei. Im Beitrag des Magazins wurde unter anderem ein Polizist mit den Worten zitiert: „Sie haben was im Internet gefunden? Vielleicht sollten Sie es mal beim Verbraucherschutz versuchen.“ So etwas sei „keine Polizeiarbeit“. Die Polizeibehörde untersucht derzeit „gründlich und umfassend“ den Sachverhalt. Gegen einen Polizeibeamten sei wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, heißt es. Die Ermittlungen dauerten derzeit an.
Auch in Bremen wird gegen einen Polizeibeamten wegen eines möglichen Verstoßes ermittelt und es wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Polizist soll die Anzeige zwar aufgenommen haben, sie aber erst zwei Monate später auf Nachfrage der Anzeigenden im System erfasst haben. Die Ermittlungen wurden damit verzögert. Die verspätete Bearbeitung werde nun geprüft – und der Polizist in den Innendienst versetzt.
Ermittlungsmethoden verstärkt abgleichen
Die Polizei Bremen forderte die Bürger:innen auf, trotz „eines solchen Vorfalls“ Strafanzeige zu erstatten. Man sei bei Hasskriminalität auf die Hilfe und die Mitarbeit der Bürger:innen angewiesen. Da Ergebnisse und die Verfolgung der Täter:innen in den Ländern sehr unterschiedlich ausfielen, will die Polizei in Nordrhein-Westfalen nun ihre Ermittlungsmethoden mit anderen Bundesländern abgleichen.
Auch die Organisation HateAid war an der Recherche des ZDF-Magazins beteiligt. Sie berät von digitaler Gewalt betroffene Menschen und finanziert Gerichtsprozesse. Betroffene müssen ernst genommen werden, forderte HateAid via Twitter. Polizei und Justiz bräuchten eine bessere Ausbildung, um gegen Hasskriminalität vorzugehen. Zudem drängt die Organisation auf mehr Ermittlungsbefugnisse und eine gesamteuropäische Lösung zur Identifizierung von Täter:innen. Strafverfolgung dürfe nicht an den Landesgrenzen aufhören, wenn Plattformen und Täter:innen im Ausland sitzen.
Geht es nach dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz, muss der Kampf gegen Hasskriminalität im Netz und die Ausstattung der zuständigen Behörden auf der kommenden Konferenz der Innenminister:innen Thema werden. Alle Landtage sollten sich damit beschäftigen. Auch der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle bemängelte, dass Polizei und Justiz in Deutschland bei der Strafverfolgung im Internet massive Defizite hätten. „So kann es nicht weiter gehen“, tweetete Kuhle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“