Waffendebatte in den USA: Reformunfähig bis aufs Blut

Eine Mehrheit in den USA befürwortet strengere Waffengesetze. Ihr Wunsch kommt, ähnlich wie bei Klima- und Gesundheitspolitik, nicht zur Umsetzung.

Blumen, Kerzen und Luftballons arrangiert zu einer Gedenkstätte

Gedenkstätte auf dem Stadtplatz von Uvalde für die Opfer des Amoklaufes in einer Grundschule Foto: Wong Maye-E/ap

Der Mord an 19 Grundschulkindern und 2 Lehrerinnen im texanischen Uvalde müsste ein Wendepunkt sein in der US-amerikanischen Debatte über innere Sicherheit, Waffengewalt und Waffenkontrolle. So wie der Mord an 20 Grundschulkindern und 6 Leh­re­r*in­nen in der Sandy-Hook-Grundschule vor fast 10 Jahren ein Wendepunkt hätte sein müssen. Oder das Columbine-Schulmassaker mit 12 getöteten Schü­le­r*in­nen und einem Lehrer vor knapp 23 Jahren.

Oder jedes Einzelne der Hunderten von „Mass Shootings“, die es seither immer und immer wieder in fast allen Teilen der USA gegeben hat. 45.000 Menschen sterben in den USA Jahr für Jahr durch Waffengewalt. Aber diese unfassbare Abfolge von Tragödien, von zerstörten Leben und trauernden Familien, ist längst Alltag in der US-amerikanischen Politik.

2018, nach dem Schulmassaker in Parkland, Florida, schien es so, als ob die Bewegung junger Menschen, die in den ganzen USA Proteste für bessere Waffengesetze initiierten und Hunderttausende auf die Straße brachten, vielleicht einen Unterschied machen könnte. Aber es geschah wiederum – nichts.

Die Lobby der Waffenhersteller ist besser organisiert

Dabei gibt es seit vielen Jahren Mehrheiten in der Bevölkerung für strengere Waffengesetze. Aber diese Mehrheiten in den Umfragen werden nicht umgesetzt in Mehrheiten im Kongress. Die Lobby der Waffenhersteller ist stets besser organisiert als die der Waffenopfer. Es tut weh zu verfolgen, wie die US-Politik nicht in der Lage ist, naheliegendste Gesetze zu verabschieden.

Dass diese Reformunfähigkeit nicht nur für das Thema Schusswaffen gilt, sondern auch für andere Schlüsselfragen wie Klimapolitik, Gesundheitsversorgung oder Bildung, vermag da nicht zu trösten, im Gegenteil. Dass die US-amerikanische Politik nicht in der Lage ist, rationale Resultate im Sinne der Mehrheit zu produzieren, frustriert jene, die sich innerhalb der USA dafür einsetzen, und schwächt das Ansehen demokratischer Systeme weltweit.

Rechtskonservativ-libertäre Ideologie

Das ist gefährlich, aber nicht naturgegeben, sondern Ergebnis der Macht jener furchtbaren rechtskonservativ-libertären Ideologie, die „Freiheit!“ schreit, wenn es um den Wunsch nach Waffenbesitz oder die Ablehnung des Maskentragens geht, aber „Verbot“ ruft, wenn die Rede vom Recht der Frauen auf sicheren Schwangerschaftsabbruch ist, die den strafenden Staat gegen Dro­gen­kon­su­men­t*in­nen gefordert sieht, aber dem Kapitalismus Wohnungs- und Gesundheitsversorgung überlässt.

Das zerstört die Idee von Gemeinwohl, die Demokratien funktionieren lässt. Und solange sich das nicht ändert, wird es wieder und wieder Ortsnamen geben, die von einem Tag auf den anderen für blanken Horror stehen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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