Vor dem Flüchtlingsgipfel: Widerstand gegen Abschottung
Beim Flüchtlingsgipfel am Mittwoch will das Kanzleramt den Ländern vorschlagen, das Asylrecht massiv zu verschärfen. Grüne in der Ampel sind dagegen.
Eine Einigung zwischen Bund und Ländern ist vor dem Gipfeltreffen auf Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht in Sicht. Die Kommunen ächzen seit Monaten, sie seien mit Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten überfordert. Anders als von den Ländern gefordert ist die Bundesregierung aber nicht bereit, mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Stattdessen soll laut dem Entwurf schneller und öfter abgeschoben werden.
Dafür soll die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden und Polizeistellen bei Abschiebungen verbessert werden. Außerdem sollen Haftgründe im Asylrecht ausgeweitet, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams soll von 10 auf 28 Tage erhöht werden. Die Behörden sollen bei Abschiebungen mehr Räume in den Unterkünften betreten dürfen als bisher.
Außerdem sollen mehr Länder zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Konkret geht es um die EU-Beitrittskandidaten Georgien und Moldau. Dort drohe „weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung“, heißt es in dem Papier. Menschen, die aus sicheren Herkunftsstaaten fliehen, erhalten in der Regel kein Asyl.
Kaum Möglichkeiten, in der Gesellschaft einzufinden
Peter Fahlbusch, Fachanwalt für Abschieberecht
Eine weitere drastische Verschärfung der gegenwärtigen Asylpraxis wäre die im Entwurf vorgeschlagene „Einrichtung zentraler Ankunftseinrichtungen“, damit Rückführungen „direkt aus diesen Einrichtungen heraus betrieben werden können“. Unter dem Begriff „Ankerzentrum“ gibt es solche Zentren in einigen Bundesländern bereits, etwa in Bayern. Neu angekommene Asylbewerber*innen werden hier zunächst festgehalten, nur Menschen mit guten Chancen auf Asyl werden auf lokale Einrichtungen verteilt.
„Die Geflüchteten in den Ankerzentren haben kaum Möglichkeiten, sich in die Gesellschaft einzufinden“, sagt Franziska Sauer vom Flüchtlingsrat Bayern. Ohne Zugang zu Arbeitsmarkt und regulärem Bildungssystem seien sie in den Einrichtungen massiv isoliert. „Das hat starke psychische und auch gesundheitliche Folgen für die Menschen.“
Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, kritisiert: „Statt langfristige Finanzierungskonzepte zu entwickeln, setzt die Bundesregierung auf Entrechtung und Abschottung.
Als „hanebüchen“ bezeichnet auch der auf Abschiebehaft spezialisierte Rechtsanwalt Peter Fahlbusch den Vorschlag des Kanzleramts. „Wieder einmal zieht die Politik das Thema Abschiebehaft heran, um sich als handlungsfähig darzustellen – auf Kosten von Menschen, die sich nicht wehren können. Allein unter den rund 2.400 Menschen, die er im Laufe der Jahre vertreten habe, sei mehr als die Hälfte rechtswidrig inhaftiert gewesen. „Bisher braucht es für den Ausreisegewahrsam keinen Haftgrund, weil der eben nur maximal zehn Tage dauert“, erklärt Fahlbusch. „Menschen stattdessen für vier Wochen einzusperren, obwohl nicht mal Fluchtgefahr besteht – das ist aus meiner Sicht ganz klar verfassungswidrig.“
Wiebke Judith von Pro Asyl nennt die Vorschläge des Kanzleramts „Augenwischerei“: „Weder Abschottung an den Außengrenzen noch mehr Härte bei Abschiebungen werden die akuten Probleme der Kommunen lösen.“ Auch Amnesty International zeigt sich „besorgt“ über die Pläne. Am Mittwoch müssten „tatsächliche und menschenrechtskonforme Lösungen“ gefunden werden anstatt „Handlungsfähigkeit auf dem Rücken von Geflüchteten zu suggerieren“, sagt Sophie Scheytt, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty.
Die Länder dürften sich kaum auf den Deal einlassen, den das Bundeskanzleramt skizziert hat. Zwar hatten sich auch Ministerpräsident*innen für ein verschärftes Asylrecht ausgesprochen, dabei hatten sie aber betont, am Wichtigsten sei mehr Geld, um die Versorgungssituation vor Ort zu verbessern.
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