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Virales Essay über MachtmissbrauchKeine Grauzonen

Grenzt ungewollte Zuneigung an sexualisierte Gewalt? Eine junge Frau hat über ihre schmerzhaften Erfahrungen mit einem Schauspieler geschrieben.

„The Movie Star and Me“ heißt der Text der Theaterregisseurin Domenica Feraud Foto: action press

Sexualisierte Gewalt ist, so scheint es, eindeutig definiert: Ein Mensch wird von einem anderen Menschen zu sexuellen Handlungen gezwungen. Was genau sexuelle Handlungen sind, ist immer wieder Gegenstand der Debatte. Es gibt Grauzonen, die oft weniger grau sind, als es zunächst den Anschein hat. Denn auch Taten, die rechtlich nicht belangt werden können, sind teilweise moralisch zu verurteilen.

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In den USA wird über ein Essay diskutiert, das die 28-jährige Theaterautorin Domenica Feraud kürzlich im Onlinemagazin Medium veröffentlichte. „The Movie Star and Me“ ist ein fast 10.000 Wörter langer schmerzhafter und schonungsloser Text, in dem sie eine Erfahrung verarbeitet, die uns zeigt, wie fließend die Grenzen von Grauzone zu Übergriffigkeit sein können.

Vermutlich im Herbst 2016 macht die damals 23-Jährige ein Praktikum bei einer großen Theaterproduktion am Broadway; ihre Mentorin, mit der sie seit Jahren zusammenarbeitet, hat sie ins Boot geholt. Der Star des Theaterstücks ist ein bekannter Hollywood-Schauspieler, zu dem Zeitpunkt 35, fast 36 Jahre alt. Chronologisch berichtet die Autorin von ihren Begegnungen mit ihm.

Wie er ihr am ersten Tag, als sie sich hinter den Kulissen verloren fühlt, seine volle Aufmerksamkeit schenkt, Witze über Oralsex macht, sie eine Spur zu fest umarmt. Wie er seinen Pulli über ihre Beine legt, als sie fröstelt, ihr jeden Morgen schreibt. Wie er seinen Kopf in ihren Schoß legt für einen „Mittagsschlaf“, während sie nicht weiß, was sie mit ihren Händen anstellen soll. Wie er sie zu sich einlädt, Witze darüber macht, sie sollten heiraten, wie sie sich küssen und sie Angst hat, er könne merken, wie unerfahren sie ist. Und wie er sie aus dem Nichts komplett ignoriert.

Überschüttet mit Zuneigung, komplett ignoriert

Vom ersten Tag an ist das kein harmloses Flirten, sondern wirkt wie aggressives Jagdverhalten. So aggressiv, dass die junge Praktikantin keinerlei Gelegenheit hat, sich darüber klarzuwerden, was sie selbst will; zu Beginn fühlt sie sich sogar leicht abgestoßen von ihm. Aber alle um sie herum ermutigen sie, auf die Avancen des Schauspielers einzugehen. „Es kam mir nicht in den Sinn, dass das, was er gesagt hatte, unangemessen war: Ich dachte, es sei normal, alle taten so, als sei es normal.“

Auf eindringliche Weise schildert Feraud, was diese Überschüttung seiner Zuneigung, abgewechselt von einem gelegentlich vollkommenen Desinteresse, mit ihr macht. Sie kann nicht mehr essen, schlafen, fühlt sich benutzt und sagt trotzdem nicht nein zu ihm. Letzteres wirft sie sich heute noch vor. „Ich sagte: ‚Nein, es ist mir nicht unangenehm.‘ Und weil ich diese Worte ausgesprochen habe, frage ich mich, ob ich das Recht habe, diesen Essay zu veröffentlichen.“ Es ist bemerkenswert, wie klar Feraud ihre Gefühle analysiert, wie viel Einblick sie gewährt in ihre Unsicherheiten.

Nachdem sie sich wegen Dreharbeiten einen Monat lang nicht sehen, besucht sie den Schauspieler zu Hause. Als er schon nackt über ihr ist, platzt es aus ihr heraus: „Ich kann heute keinen Sex haben.“ „Dankbar“ dafür, dass er sie nicht bedrängt, performt sie Oralsex an ihm. Kurz danach ghostet er sie.

Eindeutiges Fehlverhalten

Jahre später hört Feraud davon, dass der Schauspieler einen gewissen Ruf dafür hat, sich in Praktikantinnen und Assistentinnen zu „verlieben“, um sie nach einem Monat wieder zu vergessen. „Als ich aus dem Mund einer anderen mein Leben erzählt bekam, hatte ich das Gefühl, in einen Abgrund zu fallen. Mein erster Gedanke war nicht: ‚Er ist ein Raubtier, das es auf Frauen abgesehen hat, die für ihn arbeiten. Sondern: Wie konntest du nur so dumm sein?‘“

Die Anspielungen im Text legen nahe, dass es sich bei dem berühmten Schauspieler um Jake Gyllenhall handelt. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Er spielte im Oktober 2016 die Hauptrolle im Broadway-Musical „Sunday in the Park with George“. Ferauds Essay ist mit einem Ausschnitt aus dem Kurzfilm zu Taylor Swifts Songs „All To Well“, in dem es um ihre kurze Beziehung mit Gyllenhaal im Jahr 2010 gehen soll, bebildert.

Doch für die Debatte spielt es keine Rolle, wer der Schauspieler ist, denn die Dynamik ist nicht neu, Ferauds Geschichte kein Einzelfall: Ein Mann in einer eindeutigen Machtposition (älter, berühmter und/oder reicher) stellt einer jungen Frau (unerfahren, leicht zu feuern) nach, die sich nicht zu wehren weiß. In Ferauds Fall sind das nicht nur ungewollte Avancen, sondern ein eindeutiges Fehlverhalten des Schauspielers, der ihr zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gibt, selbst zu wählen, was sie eigentlich will. „Ich werde nie erfahren, was meine wahren Gefühle waren, weil er Grenzen überschritt, die für ihn nicht existierten, Grenzen, von denen ich nicht wusste, dass ich sie schützen musste.“

Vom Love Bombing zum Ghosting

Ebenso erschreckend wie dieses im Englischen als „Love bombing“ bezeichnete Verhalten des Mannes, also der Versuch, eine andere Person durch das wiederholte Zeigen von Aufmerksamkeit und Zuneigung zu beeinflussen – laut Psy­cho­lo­g*in­nen potentiell Teil eines Missbrauchskreislaufes –, ist auch das Verhalten aller Menschen in ihrem Umkreis.

Die Mentorin und die Produzentin des Stücks, die die junge Praktikantin als ausschlaggebend für die Performance des Schauspielers identifizieren und sie in seine Richtung drängen, die anderen Mitarbeitenden des Theaterstücks, die schulterzuckend zusehen, die Freundinnen, die jedes einzelne Detail aufsaugen, als wäre es ein Märchen, und noch Jahre später darauf hoffen, er würde eines Tages zurückkommen zu ihr und zu seinen Gefühlen stehen, und nicht zuletzt die Eltern, die von dem Verhältnis wissen und ihrer Tochter offensichtlich keinen Rückhalt geben. Sie alle machen sich in einer Form mitschuldig.

Das vermindert natürlich nicht seine Schuld. Aber dieser Text sollte uns als Gesellschaft eine Lehre sein: In krassen Hie­rarchien und bei eindeutiger Manipulation benötigen diejenigen, die im Zentrum dieser ungewünschten Aufmerksamkeit stehen, Hilfe von Nahestehenden. Der Schauspieler macht sich im rechtlichen Sinne nicht schuldig. Gezwungen hat er sie nie – aber manipuliert die ganze Zeit. Und da hört die Grauzone auf, eine Grauzone zu sein. „Es ist schwer, in einer Grauzone zu leben, die eigentlich gar nicht grau ist, diejenige zu sein, die sich sagt, dass das, was passiert ist, inakzeptabel ist, während alle so tun, als hättest du in dem Moment, in dem er dich angräbt, im Lotto gewonnen“, so Feraud. „Ich glaubte, ich lebe in einem Märchen, und die Gesellschaft unterstützte dieses Narrativ. Aber es war ein Albtraum, der mich immer noch schmerzt … Das ist das Märchen nicht wert.“

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69 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Vllt. ist es aber „nur“ eine narzisstische Kränkung. Die Generation NarZiss will alles. Gern auch die Kontrolle über das Verhalten anderer Menschen. Kann doch nicht angehen, dass Mann mich plötzlich ignoriert. (duck und wech)

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Mit der Kennzeichnung "(duck und wech)" geben Sie einen typischen Troll-Kommentar ab, der einzig und allein dem Zweck dient, zu provozieren.

  • Wir haben verlernt, uns ritterlich zu benehmen!



    Wir haben verlernt, so angemessen zu firten, dass der andere nicht überfahren oder überfordert wird, andererseits aber auch eine gute Chance besteht, einen Ehepartner zu finden.

    • @Christoph Strebel:

      Nicht "wir haben es verlernt", sondern viele junge Menschen haben es verlernt - aber auch, weil tausende verschiedene Stimmen auf sie einreden, vom Hardcore-Rapper bis zur Radikalfeminstin, die ihnen erzählen, wie sie sich nicht verhalten dürfen....und das natürliche Gespür unter Reizüberflutung und zu vielen Gedanken verloren geht.

  • Manipulatives Verhalten liegt in der Regel nicht darin begründet, daß jemand einfach aus egoistischen Gründen bösartig andere Menschen für sich ausnutzt. Das mag für viele keinen Unterschied machen, aber besagter Schauspieler hat möglicherweise sein eigenes Päckchen zu tragen. Das rechtfertigt sein Verhalten natürlich nicht. Ich wurde mindestens 2x manipuliert und habe dabei ganz genau erkannt, wie viel Verzweiflung dahinter steckt.

  • Wo ist da Machtmissbrauch? Wenn jemand seine Macht missbraucht hat, ist es die "Mentorin", die Ihre Mentee dieser Situation ausgeliefert hat. Der "Star" hat ja anscheinend einen Ruf. Aber es waren der "MentorIN" und der RegisseurIN offensichtlich wichtiger, den "Star" der Produktion durch liebevolle Betreuung bei Laune zu halten. DAS ist der Machtmissbrauch in der Geschichte.

    Zum Verhalten des "Stars" ist zu sagen, dass es auch als prominenter Mann nicht einfach ist, informationsmäßig auf der Höhe dessen ist, was die soziologisch - feministische Diskussion im Augenblick als zulässiges Balzverhalten unter erwachsenen Menschen definiert.

    Ich empfinde Oralsex-Witzchen am Anfang eines Flirts als inakzeptabel. Aber ich kenne Frauen, die darauf stehen.



    Das Legen des Kopfes in den Schoß einer Frau empfinde ich als sehr intime Geste, wenn ich eine Frau lange kenne. Der "Star" sieht das wohl anders.



    Es gibt Frauen, die nicht mit einem Mann "rauf gehen". Es gibt Frauen, die verletzt sind, wenn ein Mann nicht "mit raufkommt".



    Ich habe mit einer Frau einen Abend lang darüber diskutiert, ob Tür aufhalten, aus dem und in den Mantel helfen und den Stuhl zurechtrücken Höflichkeit oder ein chauvinistischer Akt ist.



    Außerdem bin ich bekennender Umarmer und Kuschler. Aber mir ist bewusst, dass manche Leute das nicht mögen.



    In diesem Minenfeld tut man heutzutage als Mann am besten gar nichts, außer über das Wetter zu parlieren und nicht in der Nase zu bohren. Allerdings darf ich mich nicht dann wundern, wenn eine Frau mich dann für desinteressiert hält.

    Also verhalte ich mich nach Gefühl und Wellenschlag und hoffe, dass ich merke, wenn meine Begleiterin sich unwohl fühlt. Falls nicht, gehe ich davon aus, dass sie NEIN sagt. Wenn sie das nicht kann, sollte sie dringend an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten.

    • @JaZa:

      "DAS ist der Machtmissbrauch in der Geschichte." Nein!!! Der Machtmissbrauch lag beim Star, der es gewohnt war, unerfahrene Praktikantinnen auszunutzen!

      "...dass es auch als prominenter Mann nicht einfach ist, informationsmäßig auf der Höhe dessen ist, was die soziologisch - feministische Diskussion im Augenblick..." Auch als Promi?! Im Augenblick?! Im Gegenteil. Eigentlich war es für jeden Mann schon immer ganz leicht! Hände bei sich behalten. Keine sexistischen Sprüche. Kein sexistisches Gaffen. Da das ein nicht geringer Anteil Männer in der Vergangenheit nicht verstanden hat, gibt es jetzt endlich und viel zu spät diese Art Artikel!

      "Aber ich kenne Frauen, die darauf stehen." Das glauben Sie! In den meisten Fällen ist es so, dass Frauen darüber hinweglächeln, weil es ihnen entweder so beigebracht wurde oder weil sie entscheiden, dass jede Erklärung über die Unangebrachtheit vergebene Mühe wäre.

      "Es gibt Frauen, die verletzt sind, wenn ein Mann nicht "mit raufkommt"." Woher nehmen Sie denn diese merkwürdige Aussage? Und vor allen Dingen so verallgemeinernd. Ein verletztes Gefühl entsteht in der Regel bei Frauen nur, wenn der Eindruck von Spielchen spielen aufkommt.

      "Ich habe mit einer Frau einen Abend..." Bravo, Applaus! Mit einer Frau, einen Abend. Jede Frau, deren Vertrauen zu Ihnen groß genug ist wird Ihnen mitteilen, dass die Gründe entscheidend sind! Hilft er nur um sich selbst gut zu fühlen? Und Helfen kann auch sexistische Gründe haben, z.B. dabei in den Ausschnitt gaffen.

      "... bin bekennender Umarmer und Kuschler. ...bewusst, dass manche Leute das nicht mögen." Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Sie "bekennen" sich also zu Ihrem Bedürfnis nach Körperfühlung bei Frauen?! "Manche"? Sie können sich sicher sein,Grenzen überschritten zu haben! Überrumpelte Frauen sagen nichts und lächeln nur!

      Ihren Ausführungen nach haben Sie Erfahrungen mit vielen Frauen ohne die richtigen Schlüsse gezogen zu haben! Wie es bei vielen Smileboys der Fall ist!

  • Hier wird ganz klar die Persönlichkeit der jungen Frau übergangen. Der Artikel beschreibt es treffend so: "So aggressiv, dass die junge Praktikantin keinerlei Gelegenheit hat, sich darüber klarzuwerden, was sie selbst will". Wobei sich hier berechtigterweise die Frage stellt, was hier unter 'aggressiv' zu verstehen ist. Die Psychologie hat dahingehend in der Vergangenheit schon die ein oder andere merkwürdige Definition versucht, die wohl heute kaum noch haltbar ist. Offenbar wurde das Verhalten des älteren Schauspielers von der Dame aber als grenzüberschreitend wahrgenommen: Es handelt sich folglich um eine Nichtachtung. Dies ist im (deutschen) Strafgesetzbuch als Beleidigung normiert. Das Problem dürfte hier also eher sein, konkrete Anhaltspunkte für den Ausdruck der Verachtung zu finden, denn eine Beleidigung ist - in Deutschland - definitiv keine "Grauzone" mehr. Leider wird es selten verfolgt, da es wohl vielen nicht gelingt es präzise zu erfassen und es mehr ein diffuses Gefühl und damit überspitzt ausgedrückt Esoterik bleibt.

    Der entscheidende Punkt an dieser Geschichte ist wohl der, dass die Persönlichkeit der Frau übergangen wurde. Dies führt einen auch auf die Spur, dass der Mann offenbar kein echtes Interesse an ihr hatte, sich also nicht hat innerlich von ihr bewegen lassen. Vielmehr suchte er offenbar ihre Nähe, ohne im gleichen Maß Empathie für sie zu empfinden. Es handelt sich also um Gewalt, denn es verursacht in dem Opfer Schmerzen der Ausgrenzung. In dem Moment, wo man einem Menschen seine Entwicklungsmöglichkeiten und auch seine Hoffnung auf Besseres nimmt, tut man ihm seelische Gewalt an. Das unterscheidet uns aber gerade von den Dingen. Vgl. auch die thoeretische Abahndlung von Avishai Margalit:



    Politik der Würde -



    Über Achtung und Verachtung.

    Ich hoffe, es haben noch mehr Menschen den Mut, damit an die Öffentlichkeit zu treten, denn es ist keine Einbildung!

  • Es kommt mir so bekannt vor :-( Nicht aus der Filmbranche, er war Dozent. Erst einen Tag! vor meiner Entlassung aus der Psychiatrie im November 2018 sagte eine Schwester bei meiner letzten Visite vor versammelter Runde zu mir: "Frau S., Hand an den Po ist nicht ok...." Und mir rauscht nur durch den Kopf: "Wenn das schon nicht ok war... Was war dann mit dem Rest????" Ich schaffte es, mich von ihm zu lösen, der Preis dafür ist ein bis heute andauerndes Stalking. Er hing eine Kamera im Treppenhaus auf, Anwaltsschreiben interessierten ihn nicht, plötzlich wollte er Geld von mir haben. Er rüttelte an meiner Wohnungstür, ich zeigte ihn an. Er belästigte mich auf Social Media, hackte mein Mailfach, meine Handynummer musste ich ändern. Und er ist tatsächlich nicht verurteilt worden. Erst seit ich einen klaren Hinweis auf meiner Webseite veröffentlicht habe, ist endlich Ruhe... Ich kann mit Domenica mitfühlen.

  • Kurz: das ist Patriarchat.

  • Ich glaube vielen Kommentatoren ist nicht klar was in der Medien- und Filmbranche teilweise für ein Machgefälle herrscht. Viele sind Freelancer und auf Folgeaufträge angewiesen. Wenn man sich es mit den falschen Leuten verscherzt kann es schwer werden. Andersrum kann Fürsprache Türen öffnen. Gerade bei jüngeren führt das zu Unsicherheit die von einigen in höheren Positionen ausgenutzt wird. Was die Frau berichtet, wundert mich nicht. Ich arbeite in dem Bereich.

    • @Andreas J:

      Manche Kommentatoren haben einfach den Artikel und/oder den Essay von Domenica Feraud gelesen, und darin ist keine Rede davon, dass der Schauspieler eine berufliche Machtposition ausgenutzt hätte oder dass die Autorin sich gezwungen gesehen hätte, auf seine Avancen einzugehen, um berufliche Nachteile zu vermeiden. Zu Beginn ihres Essays beschreibt die Autorin die Situation wie folgt: "He was a movie star. I was an intern. The musical is my favorite work of art. The producer was my mentor. The president of the theater is my friend."

    • @Andreas J:

      Das Machtgefälle ist mir bewusst. Das was aber aktuell stattfindet ist keine Debatte über Machtmissbrauch in der Filmbranche sondern eine Reduzierung der Thematik Machtmissbrauch auf das Symptom "mächtiger Mann verübt sexuelle Belästigung gegenüber wehrloser Frau". Es findet schlichtweg keine Debatte über Machtmissbrauch an sich statt sondern eine Symptombekämpfungsdebatte.

      • @Marcus Frank:

        Da gebe ich ihnen Recht. Machtmissbrauch findet auf allen Ebenen statt und wird zu wenig beachtet. Das ist ein Problem von hierarchischen Strukturen und egozentrischen Verhaltensweisen die uns im Alltag immer wieder begegnen.

  • Hm, mutig ist es auf jeden Fall, dass sie diesen Text geschrieben hat. Gerade, weil es auch klar ist, dass es unterschiedliche Einschätzungen geben wird, wie das ganze zu beurteilen ist.

    Ich denke schon, dass sich der Schauspieler (unabhängig von der Frage, was justiziabel ist und was nicht) der Frau gegenüber rücksichtslos und boshaft verhalten hat.

    Wenn sie ihm sagt, "Ich kann heute keinen Sex haben" und danach Oralsex an ihm vollzieht, ist das widersprüchliches Verhalten, das deutlich ihre Unsicherheit zeigt. Wäre der Mann anständig, würde er darum den Oralsex ablehnen und erstmal das Gespräch suchen, um die Unsicherheit auf ihrer Seite zu verstehen. Und um danach eine Lösung zu finden, wie man miteinander und mit der Lage umgeht. Nicht nur aus Anstand, sondern auch aus Zuneigung bzw. Liebe hätte er so handeln müssen. Es sollte doch das Mindeste sein, in einem wie auch immer gearteten intimen Miteinander, dass man sein möglichstes tut, aufeinander einzugehen und füreinander Verständnis aufzubringen. Und wenn eine Person erkennbar unsicher ist, ist die andere Person in der Bringschuld, sich zurückzuhalten, das Gespräch zu suchen, auf das Gegenüber einzugehen.

    Das hat er aber nicht. Er hat sie, zumindest, was den Oralsex betrifft, ohne auf ihre Gefühle einzugehen, "rumgekriegt" und sie danach fallen lassen. Das ist, wie gesagt, rücksichtslos und boshaft.

  • www.nytimes.com/20...tml?smid=url-share

    Ein sehr lesenswerter Artikel hierzu!

  • Hm. Eine 23jährige Frau wird von einem älteren Mann, der ihr gegenüber keine Vorgesetztenposition o. ä. hat, heftig angeflirtet. Nachdem beide sich 1 Monat nicht gesehen haben, besucht sie ihn. Er will Geschlechtsverkehr, sie nicht. Er akzeptiert das und bedrängt sie nicht. Und anschließend macht er nichts anderes, als sie zu "ghosten", was bedeutet, dass er jeden Kontakt abgebrochen hat, nachdem er erkannt hatte, dass sie nicht mit ihm schlafen will. Wäre es "besser" gewesen, er hätte es weiter versucht? Sicherlich nicht. Es handelt sich offenbar um einen Mann, der die Aussage "Ich kann heute keinen Sex haben" zutreffend als "Nein" erkannt hat, das "Nein" ohne weiteres akzeptiert hat und dann nicht seine Zeit weiterhin damit verschwenden wollte, zu versuchen, ein sexuelles Verhältnis mit einer Frau anzufangen, die keinen Sex mit ihm wollte.

    Missbrauch? Nope. Gewalt? Fehlanzeige.

    "Nein" heißt "Nein", nicht mehr und nicht weniger. Das "Nein" der Frau begründete einen Anspruch darauf, dass der Mann weitere sexuelle Avancen unterließ, es begründete aber keinen Anspruch darauf, dass der Mann der Frau für weitere Kontakte/Begegnungen/Gespräche o. ä. zur Verfügung zu stehen hatte.

    • @Budzylein:

      "Eine 23jährige Frau wird von einem älteren Mann, der ihr gegenüber keine Vorgesetztenposition o. ä. hat, heftig angeflirtet."

      Nein, sie wurde nicht "angeflirtet". "Flirten" ist in meinem Sprachgebrauch ein im Grunde von Respekt geprägtes Kommunikationsverhalten. So wie es im Artikel geschildert ist, war das nicht respektvoll, sondern grenzüberschreitend.

      • @Django:

        In ihrem Essay, den ich inzwischen gelesen habe, verwendet Domenica Feraud in Bezug auf das Verhalten des Schauspielers selbst mehrmals den Begriff "Flirten" (z. B. 2 Zitate: "he flirted with me", "the flirting").

  • Ich werde das Gefühl nicht los, dass die eigentliche Arbeit hier doch eher auf der individuellen Ebene der Autorin liegt. Mit Fragen wie: "Warum kann ich nicht Nein sagen?". Vielleicht durchaus auch: "Warum beeindruckt mich Prominenz dermaßen?" "Habe ich mich nicht auch selbst, nicht nur meine Kolleginnen, darin gefallen, dass ein Promi mir Aufmerksamkeit schenkte? Was sagt das über mich?" (ich weise darauf hin, dass sie das Wort "Märchen" benutzt)

    Denn sie hätte doch nun wirklich Nein sagen können (gibt ja auch noch GANZ andere Situationen...!). Irgendwie auch müssen, denn in der Tat, ein wenig sensibler oder sehr ichbezogener Mensch muss nicht von selbst merken, wenn der andere dies oder jenes nicht möchte. Das ist dann nicht eben gerecht, aber da muss halt der andere ran und den bremsen. Dass man dafür das Wort Nein an sich nicht einmal benutzen müsste (Neinneinnein! Ein so schönes Wort!) indem man einfach sagt: "Ich möchte nicht ... bitte unterlasse das", versteht sich von selbst.

    Ja, Frauen wird nicht das gleiche Kommunikationsverhalten erlaubt wie Männern. Wer wüsste das besser als ich, eine sehr direkte, klare, Nein und Ja sagende, wörtlich meinende Frau. Von Missverständnis bis Einstufung als burschikos und offene Angriffe erlebst du alles, wenn du männlich kommunizierst. Ständig.

    Es erscheint mir dennoch etwas unreif, da jetzt diesen äußeren Druck als Hauptfaktor zu benennen. Nicht einfach erwachsen zu sein und an sich zu arbeiten und dann zukünftig die Männer das Fürchten zu lehren, sozusagen.

    Ist es nicht besser, man lebt es, anstatt es immer nur zu benennen? In diesem vergleichsweise harmlosen Fall jedenfalls könnten wir doch endlich mal dazu übergehen.

    Denn, irgendwie schocking: 2022, Me too ist schon Jahre alt, und das Mädel leidet wie Hund unter schlichtem grenzüberschreitendem Verhalten (also Stufe 1 Sexismus) natürlich von allen Seiten gebauchpinselten Promigockels. Und kriegt sich nicht abgegrenzt. Ich bin traurig!

    • @Dagoberta:

      Ich kann diesen Punkt durchaus verstehen aber man muss sich die Frage stellen: Hat ER wirklich nicht erkannt, wie unangenehm es ihr ist und dass sie Unsicherheit ausstrahlt/ eingeschüchtert wirkt? Oder hat er sich sie gerade deswegen ausgesucht, weil er erkannt hat, dass sie nicht das Selbstbewusstsein hat um klare Grenzen zu ziehen?



      Es ist schwer zu beurteilen. Aber es scheint ja der Beschreibung nach ein Muster bei ihm zu geben...

      Nicht jeder hat mit 23 die Selbstsicherheit und den Mut für sich selbst einzustehen. Und wer diese Unsicherheit ausnutzt, tut etwas Verwerfliches. Da bringt es nichts zu sagen: "Da hätte sie halt besser NEIN sagen sollen.". So einfach ist es eben manchmal nicht.

      • @Robin42:

        Al Pacino in einer seiner schönsten Rollen würde diabolisch grinsen und sagen: "Eitelkeit - immer noch meine Lieblingssünde."

        Meint: Jeder Mensch - unabhängig vom Geschlecht - bildet sich GERNE ein, toll gefunden zu werden. Wenn sich so ein Mensch dann auch noch nach konventionellen Maßstäben für ungewöhnlich attraktiv halten darf (gefeierter Hollywoodstar, perfektes Alter, 5 mal die Woche im Gym mit Privattrainer, bekommt wahrscheinlich regelmäßig Fanpost mit Heiratsanträgen...), dann wird es in der Tat immer unwahrscheinlicher dass er unsicheres Verhalten eines potenziellen Sexualpartners als Zweifel an seiner Attraktivität interpretiert. Solche Menschen werden von ihrem Umfeld und den Medien - also so ziemlich ihrer kompletten sozialen Wahrnehmungssphäre - regelrecht dazu gedrängt, sich als Geschenk an die Menschheit zu betrachten. Wie sollte Ihnen Jemand da widerstehen können oder wollen?

        Drehen wir mal die Geschlechterrollen um: Eine Top-Hollywoodschauspielerin findet einen Regieassistenten total süß und flirtet ihn an, sucht Körperkontakt etc.. Der reagiert wie vom Blitz getroffen und stark verunsichert, bringt keinen Ton raus und traut sich offensichtlich nicht, die Avancen zu erwidern. Ihre Wahrnehmung: Klar, wenn eine der schönsten und talentiertesten Frauen der Welt einem "nobody" den Hof macht, da ist der erstmal schüchtern. Aber er ist ja noch jung. Da muss er halt mal durch. Es wird nicht zu seinem Schaden sein. Der Punkt: In 99 von 100 Fällen läge sie mit dieser Einschätzung wahrscheinlich goldrichtig.

        Ich sage nicht, dass das "gut so" ist. Es ist nur vso vielfach Realität, dass man auch heutzutage nich tunterstellen kann, ein Hollywoodstar "müsse" doch bemerkt haben, dass die junge Frau ihn oder sein Verhalten unangenehm findet: NEIN, das ist alles andere als zwingend.

    • @Dagoberta:

      Die Frau hat ja "Nein" gesagt, als es darauf ankam (in der Form "Ich kann heute keinen Sex haben."). Und er hat es akzeptiert, dass da nix läuft. So what?

      Und hat die Frau was falsch gemacht? Eigentlich nicht. Sie hat sein heftiges Flirten - das ja nicht weh tut - nicht zurückgewiesen. Das musste sie ja auch nicht, solange das alles nur ein harmloses Spielchen war, auch wenn sie sich dies ein wenig zu sehr zu Herzen genommen hatte. Und im entscheidenden Moment hat sie offensichtlich erkannt, dass sie mit ihm besser kein sexuelles Verhältnis anfängt, und sich entsprechend verhalten. Ich finde, die Selbstvorwürfe der Frau sind nicht gerechtfertigt. Das man als junger Mensch unsicher ist, nicht recht weiß, was man will, oder es nicht sagen möchte und dadurch zuweilen in etwas peinliche Situationen gerät, gehört zum Leben.

    • @Dagoberta:

      Sehr schön geschrieben. Nein-Sagen kann Frau lernen - wenn sie will.

      • @resto:

        Etwas Ähnliches habe ich mal erlebt mit einem Jungen, der (laut eigenen Angaben) Krebs im Endstadium hatte und dringend wenigstens einmal im Leben Geschlechtsverkehr haben wollte. Ich kannte ihn kaum. Er war 17 und ich 15, glaube ich. Er und seine Eltern setzten mich massiv unter Druck, ich solle doch bei ihnen übernachten...



        Ja, ich habe nein gesagt, aber ich verstehe jedes Mädel, das das in so einer Situation nicht schafft.

      • @resto:

        Der Punkt ist, dass sich dieser Mann (wobei das Geschlecht eigentlich völlig egal wäre) gezielt Frauen aussucht, die zu potenziell zu jung sind, um dieses Nein-Sagen bereits gelernt zu haben. Und sein Vorgehen klingt sehr manipulativ, und es ist auch von dem Wissen geleitet, dass er in dieser Beziehung die Macht hat, subtilen Druck auszuüben. Wenn er nicht zufrieden ist und das ihre Vorgesetzten wissen lässt, wird es für sie Konsequenzen geben, für ihn nicht.

  • Ich fühle die Frau. Ich habe das selbst zu oft erlebt: mit 16 (er war Mitte 30) auf der Arbeit, mit 17 und er Mitte 30 im Urlaub (er verfolgte mich sogar und wollte mich von meiner Freundin weglocken zu sich nach Hause), einer der meinte, er hätte das Recht auf Sex mit mir (auch mit 17) und so viele kleine Gegebenheiten mehr ... Niemand hat mir beigebracht, wie und dass ich mich dagegen wehren kann. Es ist einfach die völlige Überforderung gewesen, wie ich mit der Situation umgehen soll.

  • Das ist kein Misbrauch!



    Hier wird das übliche Opfermuster zelebriert: Alle Anderen sind schuldig; die Mentorin, die Freundinnen die Eltern, das Umfed u.s.w. Nur eine Person ist absolut unschuldig: Sie selbst!



    Es schwang garantiert kein bischen Opportunismus mit, sich mit dem "Star" einzulassen und sich in dessen Sonne zu wärmen. Nein, nein, weder half ihr das beruflich, noch finanziell, noch persönlich weiter - sicher nicht.



    Sie hätte sich ja auch mit einem jüngeren, auf die Dauer vielleicht erfolglosen Schauspieler einlassen können. Aber hätte ihr das genutzt?



    Früher nannte man das was sie erlebt hat "Lebenserfahrug". Heute nennt man es Missbrauch. Sorry, aber da stimme ich nicht in den Chor ein.



    Trotzdem schön dass sie das Buch geschrieben hat - Lebenserfahrungen sind immer Wert gelesen zu werden.



    Die praktisch namentliche Erwähnung des Schauspielers ist dabei überflüssig - oder halt schon wieder mit Opportunismus behaftet. Das Buch wird sich so besser verkaufen.

    • @Denk-Mal:

      Ihren Usernamen sollten Sie selbst beherzigen! "Lebenserfahrung" kann auch Missbrauch beinhalten! Bei so einer philiströsen und ignoranten Sicht auf Opfer fragt man sich, wie Sie selbst mit dem Menschen umgehen der Ihnen am nächsten steht. Emphatisch kann es nicht sein! Missbrauch gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen, unfassbar, wie Sie hier verharmlosen!

      Das von der Essayistin beschriebene Verhalten ist weder im Öffentlichen noch im Privaten duldbar!

      Machen Sie sich kundig. Lesen Sie, was unter Ihnen z.B. Anne B. und Micha*burg geschrieben haben. Lesen Sie Fachartikel, Fachbücher. Lernen Sie, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Und so lange Sie brauchen, habe ich Wünsche für Ihre nächste Person, die ich hier nicht verschriftliche!

    • @Denk-Mal:

      Das wird in dem Artikel auch nicht gesagt!

      Es ist ein Artikel über schelchte Lebenserfahrungen und das (moralisch) falsche Verhalten eines Mannes.

      Auch wenn etwas kein Missbrauch, sondern nur hässliches Verhalten ist, wird es dadurch nicht irrelevant.

    • @Denk-Mal:

      Doch, es ist emotionaler Missbrauch. Was Sie beteiben, ist klassisches Victim Blaming. Sie schieben die Schuld dem Opfer zu, werfen ihr implizit "PR-Geilheit" vor. Alles schon 1000 Mal gelesen und trotzdem immer noch falsch.

      Zitat: "Sie hätte sich ja auch mit einem jüngeren, auf die Dauer vielleicht erfolglosen Schauspieler einlassen können. Aber hätte ihr das genutzt?" Artikel gelesen? ER HAT SICH AN SIE RANGEMACHT. Mit den Konsequenzen hadert sie heute noch, nicht er.

      Ich danke der jungen Frau* für ihren Mut.

      • @Anne B.:

        Die Frau ist mit Sicherheit nicht "schuld" an der Situation, die der Mann initiiert hat. Aber wo in der Geschichte ein Opfer sein soll, erschließt sich nicht, ebenso wenig, wieso jemand "Schuld" auf sich geladen hat. Mann will Frau verführen und stellt deshalb allerlei Heckmeck an, es klappt nicht, weil sie nicht will, er nimmt es hin und verzieht sich, das ist alles. Victim Blaming ist stets falsch, aber hier gibt es kein Victim. Und es gibt auch keine Konsequenzen. Die Angelegenheit ist seit Jahren vorbei.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich glaube, dass wir diese Problem nicht mehr loswerden können, weil sie etwas mit einer vollkommen individualisierten Gesellschaft zu haben, die kaum noch Rituale zulässt und andererseits jedem maximale Freiheit überall verspricht.

    Wenn sich pozenzielle Liebes- oder Sexualpartner - um das mal maximal ausgreifend zu formulieren - nicht in ihrem Alltag finden können, weil nicht jeder über die sozialen Skills verfügt, um diesen schmalen Grat unfallfrei zu meistern, dann braucht es Orte und Gelegenheiten, wo sie das tun können. Und wo die explizit fernbleiben, die das nicht wollen.

    Das Paradebeispiel dafür sind die Darkrooms, aber eben auch etwa das Oktoberfest in München. Aber diese lange gültigen Vereinbarungen, wo deutliche Annäherung erlaubt ist, bröseln - und der Zustand dieser Vereinbarungen ist überhaupt nicht transparent.

    Ich kenne - das ist Programm ;) - vor allem nette und relativ kluge Männer, die ihren Weg durch die Verunsicherungen der moderenen Zeiten ganz gut finden - aber es gibt die anderen eben auch. Die Idee, man könne die nun auch noch erziehen, ist ungefähr so sinnlos, wie die Idee, dass man Frauen wie Eva Herrmann, Alice Weidel oder Julia Klöckner zu wertvollen Mitgliedern einer modernen Gesellschaft machen kann.

    Wenn wir jedem Essay einer bedrängten Frau globale Aufmerksamkeit schenken, wird das den gegenteiligen Effekt haben - und hat es auch schon. Die misogynen Horden haben sich schon formiert und unterwandern die (ultra)konservativen Milieus. Ich hab' jetzt schon keine Vorstellung mehr, wie man das reparieren kann.

    So sehr, wie man viele Männer wohl nicht zum Besseren erziehen kann und das beklagen mag, wird man wohl auch Frauen den Vorwurf machen müssen, dass sie nicht gut genug lernen, sich in dieser Welt der ubiquitären Gewalt zurecht zu finden.

    Und es gibt immer die Hoffnung auf Verhandlungen, wenn sich nicht von vorneherein Maximalforderungen gegenüber stehen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Kompromissvorschlag: davon, dass ein "Vorwurf" hier an die Frauen angemessen wäre, würde ich nicht sprechen wollen. Aber sicherlich ist es so, dass sich Frauen in unserer Gesellschaft immer noch in einem Minenfeld der sexualisierten Gewalt (oder, wenn Sie von Gewalt nicht sprechen wollen, des sexualisierten sozialen Drucks) bewegen müssen, welches zu navigieren das Aneignen von life skills erfordert.

      Aber ich finde es ganz zentral, darauf hinzuweisen - die Frau hier war 23. Andere Posterinnen haben hier geschrieben, dass ihnen mit 16 oder 17 von Mittdreissigern nachgestellt wurde. Wo sollte eine Frau mit 23, erst Recht mit 17, 16, die Gelegenheit gehabt haben, überhaupt so etwas zu lernen? Allerhöchstens könnte man sagen, dass wir als Gesellschaft in der Verantwortung stehen, dass man Mädchen klipp und klar sagt, dass es diese Situationen da draussen gibt, dass man diese Männer nicht mit dem Märchenprinzen aus Cinderella verwechseln sollte, dass es eben nicht alles Romantik und Brautkleid ist. Da steht die Gesellschaft in der Schuld, über sich selbst ehrlich Auskunft zu geben. Aber einer jungen Frau den Vorwurf zu machen, sie sei an der Aufgabe gescheitert, die life skills sich anzueignen, die man vielleicht mit 33 hat, finde ich unangemessen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "die Idee, dass man Frauen wie Eva Herrmann, Alice Weidel oder Julia Klöckner zu wertvollen Mitgliedern einer modernen Gesellschaft machen" müsste, ist selbst bereits ein Ausdruck der Zustimmung von strutureller Gewalt gründend auf dem eigenen Geschmack.

      In Ihrem gesamten Kommentar wird das Bedürfnis die Gesellschaft nach Ihren persönlichen Vorstellungen zu "dressieren" deutlich. Es ist sehr schön zu sehen das Sie zumindest erkennen das dies keinen Sinn hat aber das eigentlich Problem ist bereits die Vorstellung das Eva Habermann kein wertvolles Mitglied einer modernen Gesellschaft sei, sondern erst dazu gemacht werden müsste wenn man es denn könnte.

      Gerade Menschen wie Alice Weidel und Eva Habermann sind für das Vorankommen der Gesellschaft sehr wertvolle Menschen, gerade weil sie dem Konsens widersprechen. Der Konsens führt zu Mittelmaß, der Widerspruch fördert den Fortschritt. Es gilt sich gegenseitig zuzuhören, die Sichtweisen und Anliegen des anderen zu erkennen, und anstatt der Kompromisssucht nachzugeben solange zu reden bis jeder alles verstanden hat.

      Die Maximalforderung ist das einzige was in eine bessere Welt führt aber die stellt man an sich, nicht an andere und dabei verhandelt man auch nicht sondern ist absolut kompromisslos, ansonsten ist keine Maximalforderung sondern ein Veralbern seiner selbst und wie in der Politik üblich, aller anderen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "So sehr, wie man viele Männer wohl nicht zum Besseren erziehen kann und das beklagen mag, wird man wohl auch Frauen den Vorwurf machen müssen, dass sie nicht gut genug lernen, sich in dieser Welt der ubiquitären Gewalt zurecht zu finden."



      Falsch >> Es ist nicht die Aufgabe von Frauen*, sich in einer gewalttätigen Welt zurechtzufinden. Sondern die Aufgabe jedes Individuums und der Gesellschaft, dass es diese Gewalt nicht gibt. Und wenn das nicht möglich ist, dass sie nicht akzeptiert und totgeschwiegen wird. Freundliche Grüsse

      • @Anne B.:

        Sie schreiben: "Es ist nicht die Aufgabe von Frauen*, sich in einer gewalttätigen Welt zurechtzufinden. Sondern die Aufgabe jedes Individuums und der Gesellschaft, dass es diese Gewalt nicht gibt. Und wenn das nicht möglich ist, dass sie nicht akzeptiert und totgeschwiegen wird."

        Da stimme ich Ihnen in vollem Umfang zu. Aber wenn man davon ausgeht, dass der Artikel die Darstellung von Domenica Feraud zutreffend wiedergibt, gab es in der Angelegenheit keine Gewalt.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Hut ab.

  • Ich glaube, eine Frau, die weiß, was sie will und NEIN sagen kann, wäre nicht in diese Situation geraten.



    Persönliche Eigenschaften zu einer gesellschaftlichen Debatte zu machen, ist nicht zielführend.

  • Mein Leben in einem taz-Artikel.



    Aber das schlimmste ist doch, dass wir jungen Mädchen immer noch nicht zuhören und ihre Gefühle nicht respektieren. Meine erste Erinnerung an eine solche Erfahrung war als Elfjährige auf einer Ferienfreizeit: Ein 3 Jahre älterer Junge machte mir heftige Avancen, die mir total unangenehm waren. Aber alle um mich herum fanden das süß, und wenn ich mal ein bisschen heftiger oder aggressiv ablehnend darauf reagierte, wurde ich verständnislos und kopfschüttelnd angeschaut, auch von den Erwachsenen. Solche Erfahrungen haben mich später zu einer jungen Frau gemacht, die Dinge tolerierte, die ich nicht wollte und mich Sachen hat machen lassen, die mir total unangenehm waren. Obwohl ich natürlich im Sexualunterricht gelernt und in der Bravo gelesen hatte, dass man das nicht machen musste. Doppelte Botschaften, überall. Wir müssen endlich aufhören, Menschen übelzunehmen, wenn sie die Zuneigung von anderen nicht wollen, auch, wenn diese Menschen Frauen und Mädchen sind. (Und aufhören zu glauben, dass diese Art von Zuneigung einem irgendwas im Leben schenkt: Sie ist in erster Linie belastend und anstrengend.)

  • Mich nervt an diesen Disskussionen, dass nie am Anfang begonnen wird. Zuallerst muss es einen Mann geben den Frauen aus unterscheidlichen Gründen geil finden, sei es Geld, sei es seine Macht oder sonst irgendwas....Dieser Mann wird dann ständig mit Frauen konfrontiert die sich anbieten, die sein Geld wollen, seine Macht oder ihn eben als Prinzen sehen der sie "rettet". Solche Männer werden also tagtäglich mit einer Verfügbarkeit von Frauen konfrontiert die sich ein "Normalo" gar nicht vorstellen kann. So, und unter diesen Frauen, die meist ein Ziel haben, gibt es Frauen die, sollte sich das Ziel (Ruhm, Geld etc. ) nicht einstellen, DANACH merken: Ohhh der wollte ja nur.....

    Leute erzieht Eure Töchter! Schaltet anstatt Werbung in den öffentlich Rechtlichen endlich Kampanien die Mädchen dahingehend aufklären, dass man nicht Nachts um 11 von seinen Chef in ein Hotelzimmer eingeladen wird um zu "reden", dass man sich keine Drinks von Jungs in der Disse ausgeben lässt, dass man nicht nachts noch einen (mächtigen) Mann in seine Wohnung lässt weil man glaubt er will noch eine Runde Mensch ärger dich nicht spielen...etc. und um es auf den Punkt zu bringen: Das Frau NICHT die Beine breit macht um irgendwas zu erreichen.

    Diese Naivität der Frauen/Mädchen ist erschreckend und noch erschreckender ist es, dass die Eltern anscheinend keine Veranlssung sehen ihre Mädchen dahingehend zu erziehen.

    Ich habe erst letztends der Freudin meines Sohnes dahingehend die Welt erklärt, bis dato hatte sie sowas noch nie so von jemanden erzählt bekommen. Traurig!

    • @Heidi :

      Ich versuche mir gerade, die Situation vorzustellen. Eine junge Frau, die nichts lieber möchte als am Theater zu arbeiten, bekommt die Chance für ein Praktikum an einer Broadway-Produktion und lernt dort obendrein einen bekannten Schauspieler kennen. Sie muss den gar nicht "geil" finden, es reicht ja zunächst ein eher berufliches Interesse an einem ja ziemlich guten Schauspieler. Die junge Frau, die ja nach eigener Aussage "unerfahren" war, wird auf übergriffige Weise (Oralsexwitze, Kopf in den Schoß legen) angemacht, und das "System" um sie herum befördert das noch ("Aber alle um sie herum ermutigen sie, auf die Avancen des Schauspielers einzugehen.").



      Sorry, aber: "Dieser Mann wird dann ständig mit Frauen konfrontiert die sich anbieten," ist eine Unterstellung. Hat diese junge Frau sich "angeboten" oder war sie einfach ein "Jagdobjekt", mit der Situation emotional überfordert und vom Umfeld im Stich gelassen?

    • @Heidi :

      Ich weiss wirklich nicht, was ich abstossender finden soll an Ihrem Kommentar. Das implizite In-Schutz-nehmen von Menschen, die ihre Machtposition(en) ausnutzen, oder das Victim Blaming.

      Doch, ich sollte als Frau* in einer gleichwertigen Gesellschaft nachts um elf mit meinem Chef auf dem Zimmer "reden" können. Wie er das mit einem männlichen Angestellten auch tun würde, wenn es dringend ist. Und sollte die Intention des Chefs eine andere sein, dann ist das nicht das Problem der Frau*, sondern das des Chefs, der SEINE Machtposition ausnutzen will.

      Wir sollten beide Geschlechter zu gegenseitigem Respekt erziehen. Sicher nicht die Mädchen zu mehr Vorsicht. Willkommen im 21. Jahrhundert!

      • @Anne B.:

        Könnten Sie mir btte eine Beispielformulierung nennen, die eindeutig ist, aber die Spannung und nervenkitzelnde ungewissheit des "flirtens", ein auch für Frauen unglaublich wichtiger Teil des Vorspiels, nicht komplett vernichtet? Was bitte sollte ein Chef nachts um 11 mit "reden" meinen, ohne ein konkretes Thema zu nennen?

        Einmal wird uns vorgeworfen wir würden uns zwedeutig audrücken, ein andermal wird uns vorgeworfen und zu direkt, primitv und platt auszudrücken...

        Bitte eine einzige Formulierung würde mir reichen...

      • @Anne B.:

        Sehr geehrte Frau B.



        Sollte mein Chef mich nachts um elf auf sein Zimmer zum Gespräch einladen, würde ich ihn definitiv höflich bitten, das Gespräch doch auf eine angemessenere Zeit und einen angemesseneren Ort zu verschieben. Das gilt erst recht bei einer Chefin und das kann man von jungen Frauen auch erwarten.

      • @Anne B.:

        Ja, wir möchten alle die absolut gerechte Gesellschaft, in der jede und jeder sich 100% korrekt und klar ausdrückt, keine Missverständnisse vorkommen, wirklich alle mit jedem Wort nur den totalen Respekt, die volle Wahrheit und die kristallklare Liebe aussprechen.



        Bis es soweit ist, bevorzuge ich die von "HEIDI VAN ALP" dargelegte Aufklärung, Erziehung und ein gesundes Mass an Vorsicht und Selbst-Reflexion. (Insbesondere wenn man sich mit Top-Shots der Hollywood-Branche einlässt)



        Willkommen im 2022!

      • @Anne B.:

        Ich finde diese Kommentare super, die denken Feminismus und Kapitalismus könnten gleichberechtigt gleichzeitig in einer Gesellschaft existieren.

        Sorry, aber welcher Chef redet "nachts um elf" mit männlichen Kollegen wg. einer dringenden Situation. So eine Situation darf es im Krankenhaus, Polizeistation & vielleicht 1, 2 anderen Situationen geben.

        Aber defacto nutzt ein Chef & auch eine Chefin, die nachts um elf mit mir reden will, IMMER seine oder ihre Machtposition aus.

        Und wieso sagen, dass wir mehr Respekt voreinander haben sollten, gleichzeitig aber weniger Vorsicht? Respekt und Vorsicht gehen doch Hand in Hand.



        An Ihrem Kommentar passt leider gar nichts zusammen, sorry

  • Wenn es keine Rolle spielt wer der Schauspieler war, warum spekuliert die Autorin rum und nennt explizit einen Schauspieler, der es vielleicht, vielleicht aber auch nicht, war?

    • @Sailor Ripley:

      Finde ich auch. Mit solcher Kaffeesatzleserei tut man der Sache nichts gutes. Am Ende war er es nicht, muss sich monatelang gegen Anfeindungen wehren und im Nachhinein heisst es wieder, #metoo habe falsche Beschuldigungen produziert.

    • @Sailor Ripley:

      Weil genau in diesem kontext Transparenz das wichtigste Mittel ist?

      Die Aussage, dass es eignetlich keine Rolle spiele, soll doch nur unterstreichen, wie häufig diese Machtkonstellationen auftreten, um unter Umständen auch Jenen die Häufigkeit solcher Grauzonen-Ereignisse aufzuzeigen, zu denen die Thematik noch nicht durchgedrungen ist oder die vlt. #metoo belächeln bzw. nicht verstanden haben (wollen).

      Just sayin'

    • @Sailor Ripley:

      Sehe ich genauso.

      Der verlinkte Essay ist allerdings wegen seiner Genauigkeit sehr lesenswert, und dabei sind für mich besonders die Reaktionen der (weiblichen!) Mentorin, der Eltern, des Bruders interessant, aber auch die tief verwurzelten Überzeugungen der Autorin ('a man who could have anyone he wanted' - wer, verdammt noch mal, hat eigentlich diese Idee in die Welt gesetzt?).

      Es geht also in dem Essay durchaus nicht um die alleinige "Schuld" des Mannes, vielmehr um ein Zusammenspiel von gesellschaftlich verankerten Vorstellungen und Rollenbildern. Sehr amerikanisch übrigens!

  • Was kann die Gesellschaft tun, wenn zu dem damaligen Zeitpunkt es alle in Ordnung fanden? Kolleg:innen, Freund:innen, Eltern.

    Die hier geschilderten Beispiele, wie "Kopf ungefragt in den Schoß legen", sollten auch mäßig empathische Menschen zum Nachdenken anregen. Ist anscheinend damals aber nicht passiert.



    Wenn mir eine Freund:in sowas erzählen würde, führten wir ein intensives Gespräch darüber, ob sie das wirklich wollte.

  • Es handelt sich hier um 2 Erwachsene Menschen. Ja, es gibt einen Altersunterschied, aber es ist ja nicht so, dass es keine ernsthaften, von beiden gewollten sexuellen Beziehungen oder Liebschaften zwischen Menschen unterschiedlichen Alters gibt - 35 und 23 ist jetzt auch nicht so ein krasser Unterschied. Ja, es ist am Arbeitsplatz, aber Liebe und Sex am Arbeitsplatz sind ja nicht per se verwerflich. Er war kein Vorgesetzter, sie stand nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihr, es geht nicht aus dem Text hervor, dass er irgendwie beruflichen Druck ausgeübt hat

    Sie hat offenbar nie nein gesagt, sie hat wohl auch im Umfeld den Eindruck erweckt sie wolle das. Ich habe den Originaltext nicht gelesen, aber aus diesem Artikel zumindest wird nicht klar, worin hier die Manipulation besteht, warum sie nicht einfach sagen oder nonverbal signalisieren konnte, dass sie das nicht will.

    Wenn ich mit einem Mann im Bett bin und der mir sagt, dass er keinen Analsex will und mir dann einen bläst, würde ich nicht auf die Idee kommen, er könnte sich dadurch von missbraucht fühlen, das fände ich absurd. Es gibt ja genug Gründe, bestimmte Sexualpraktiken nicht zu wollen, ohne das man Sex mit der Person grundsätzlich ablehnt. Ich sehe nicht, warum das zwischen erwachsenen Heteros anders sein soll.

    Es mag ja sein, dass sie alles mit sich machen lassen hat und die Initiative nie von ihr ausging, nur wollen ja viele Menschen auch gerne genau das, dass die Initiative vom anderen ausgeht, genau wie viele einen älteren, berühmten und reicheren Partner wünschen. Ich frage mich, woher dieser Schauspieler überhaupt wissen sollte, dass sie das nicht will.

    Das Moralurteil dieses Artikels steht nicht für einen selbstbewussten, sexpositiven Feminismus, der Frauen auf Augenhöhe mit Männern sieht, die sagen können, was sie wollen und was nicht. Es steht für eine verklemmtw und prüde Gesellschaft.

    • @Ruediger:

      Toxisches Verhalten ist leider für Betroffene und auch das Umfeld nicht immer gleich als solches auszumachen. Es muss sich auch nicht zwangsläufig um Beziehungen mit Machtgefälle handeln. Ein sehr typisches Indiz ist das hier schon beschriebene Lovebombing in Verbindung mit Ghosting, beides kann es in unterschiedlicher Ausprägung geben.

      Das Problem für betroffene Menschen und das Umfeld ist, dass toxisch Handelnde häufig etabliert in ihrem Umfeld, ausnehmend freundlich, charmant, oft mit attraktivem Witz agieren. Wenn die Beziehung aufrecht erhalten wird, erfährt die Partnerin (leider die überwiegende Konstellation) nicht selten eine sehr schmerzhafte, manchmal langfristige Veränderung der eigenen Persönlichkeit. Ungläubigkeit, Enttäuschung, Selbstzweifel, Trauer, Wut, Depression sind einige mögliche Stufen. Sofern der Handelnde sein toxisches Verhalten nicht erkennt.

      Nicht selten besteht gar keine böse Absicht, es ist eben rein triebgesteuertes Verhalten. Dieses richtet trotzdem die gleiche Art Schaden an, als wäre es eine absichtliche, bewusste Handlung.

      Die gute Nachricht: Mit viel Selbstreflektion und Ehrlichkeit können toxisch agierende Menschen ihr Verhalten ändern. Empathie ist erlernbar!

      Diese Art Artikel von Frau Caldart und das Essay von Frau Feraud sind gesellschaftlich relevant! Im besten Fall öffnen sie Augen für Selbstreflektion und ersparen Betroffenen Leid und Therapie! Danke!

      • @Micha*Burg:

        Danke für diesen aufschlussreichen Vortrag über "toxisches. Verhalten". Leider fehlt der Bezug zu dem hier diskutierten Fall und eine sachliche Auseinandersetzung damit, die auch die andere Perspektive einschließt, bevor sie be- und verurteilt.

        Es geht um zwei erwachsene Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen, die Kollegen sind, keine Freunde, schon gar keine Beziehungspartner. Sie arbeiten zusammen, sie verbringen wohl auch außerhalb der Arbeit Zeit miteinander, sie haben Casual Sex. Aber mehr halt auch nicht. Daran ist ja nichts falsch. Sie sind in der Lage, Grenzen aufzuzeigen (kein GV), und sie akzeptieren diese Grenzen auch

        Dass die Grenzen die sie aufzeigt nicht die Grenzen sind, die sie eigentlich möchte, dass sie Gefühle hat, über die sie sich selbst nicht klar ist, ist ein Problem, das bei ihr liegt, zumindest so lange sie es ihm gegenüber nicht verbalisiert. Er kann ja nicht in ihren Kopf schauen. Man sollte ihm (und jedem anderen Menschen, unabhängig vom Geschlecht) schon zugestehen, davon ausgehen zu können, dass sie das, was sie mitmacht, auch will, so lange sie dem nicht verbal oder non-verbal widerspricht - wie sonst sollen zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren?

        Was ich tatsächlich als toxisches Verhalten werten würde, ist, wenn man Probleme mit einem Menschen nicht diesem gegenüber anspricht, bevor es zu spät ist, sondern in einem "viralen Essay" an die Öffentlichkeit bringt.

    • @Ruediger:

      Ja, Sie haben recht! Sie verstehen derartige missbräuchliche Sozialkonstrukte und deren sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Folgen nicht im Ansatz. Das haben Sie bei Ihren Kommentaren zu Gewalt gegen Frauen, Elternarbeit und Ausbeutung im Beruf schon eindeutig in Kommentaren gezeigt.

      Deshalb sind Artikel wie dieser von Frau Caldart und das Essay von Frau Feraud so überaus wichtig für eine in Zukunft aufgeklärtere, reflektiertere und verantwortungsvoller handelnde Gesellschaft so wichtig. Danke!

    • @Ruediger:

      Nur obliegt nicht Ihnen, darüber zu urteilen, sondern allein der betroffenen Person.

      Für Sie zum Nachlesen:

      medium.com/@domeni...nd-me-5d711ee661e3

      • @Rien ne va plus:

        Na betroffen sind ja immer zwei oder? Er wird das evtl. anders beurteilen.

  • Ich sehe diesen Fall erst mal als Milieustudie. Wenn viele um Frau Feraud herum – darunter auch Frauen - sie gar ermuntern auf die Avancen einzugehen, dann wirkt das legitimierend auf das Verhalten des Schauspielers und bedient nebenbei das alte Klischee – erfahrener Mann führt unerfahrene junge Frau in die Liebe ein. Einmal mehr fehlt hier die klare Sprache, ein unzweideutiges NEIN einer immerhin 23-jährigen. Nicht jeder extrovertierter ichbezogener Schauspieler ist sensibel genug ihr stummes NEIN zu spüren. Nur das gesprochene klare NEIN zählt und markiert den Punkt, ab dem aus einem legitimen Flirtversuch ein strafbarer Übergriff wird.



    Wir kommen in dieser Debatte nicht weiter solange wir uns auf symptomatische Einzelfälle beschränken mit männlichen Tätern und weiblichen Opfern während wir nach wie vor ein grausig ambivalentes Geschlechterrollenverständnis an unsere Kinder vermitteln – sei es in der Familie oder in den Medien, das die beschriebene Situation geradezu heraus fordert.

    • @Winfried Burger:

      Aber was wäre Ihr Vorschlag? Intranzparenz, bis jedes Elternteil auf der Welt gender-rules abgelegt hat?

      Eine Mileustudie hat sicherlich andere Eckpunkte, als ein veröffentliches Essay über die eigene Lebenserfahrung.

      Wenn Sie darüber fabulieren, wie extrovertierte, ichbezogene Schauspieler der eigenen Empathielosigkeit frönen, um ein 'unzweideutiges NEIN' der Betroffenen als Maßstab allen Handelns im Kontext festsetzen zu wollen (?), verschieben Sie (absichtlich?) die Debatte weg von der betroffenen Person hin zur tätlichen Person. Dass das kein 'symptomatischer Einzelfall ist, kann mensch spätestens seit #metoo wissen, wenn nicht bereits selbst solche Erfahrungen mit einem selbst irgendwann im vorherigen Leben geteilt worden sind, die man selbst nicht abgetan, sondern ernst genommen haben kann.

      medium.com/@domeni...nd-me-5d711ee661e3

      Natürlich ist Ihr Hinweis auf die Fortschreibung der binären Geschlechterrollen bis hin zu toxischen 'Beziehungsverhältnissen', die auf einer Annahme der Überlegenheit der (hier: heteronormativen) Männer auf der Basis der Erziehung wichtig. Nicht zuletzt 'Die Annahme von Geschlecht' von J.Butler hat sich mit dieser Thematik brilliant analysierend auseinadergesetzt. (Stichwort: Doing Gender)

      Als kleiner Hinweis:

      Sollten Sie sich auf die viel diskutierte und von vor allen vielen als weiblich gelesenen Menschn kritisierten Rechtlage zu strafbaren sexuellen Handlungen berufen, hat das schon allein wegen der vielen Kritik, der gängigen Praxis im Rechtweg bzgl. des Umgangs mit Betroffenen, ein tautologischen Geschmack...mindestens ;)

  • "Aber dieser Text sollte uns als Gesellschaft eine Lehre sein: In krassen Hie­rarchien und bei eindeutiger Manipulation benötigen diejenigen, die im Zentrum dieser ungewünschten Aufmerksamkeit stehen, Hilfe von Nahestehenden. "

    Das ist nur die eine Seite: Dieser Text sollte uns eine Lehre sein, dass Macht- und Ungleichheitsstrukturen sichtbar gemacht, kommuniziert und durch Aufklärung und Gesetze abgebaut werden müssen.

    Der Grund warum sich linker Hypermoralismus und neoliberaler Paternalismus so gut vertragen, ist die Verlagerung der Probleme auf die subjektive Ebene und damit die Stabilisierung herrschender gesellschaftlicher Verhältnisse. Der im Text verlinkte metoo-Artikel mit Sara Hassan beschreibt die strukturelle Problematik m.E. besser.

    Menschliche Kommunikation hat allgemein oft mit Machtverhältnissen und Ungleichheit zu tun: Der Chef (m/w/d), der einen zu Überstunden überredet, unter HInweis auf die Wohltat hier arbeiten zu dürfen; der Polizist (m/w/d) der eine Befragung durchführt ohne die erforderliche "Ansprache" (Aufklärung über die Maßnahme); der Finanzvertreter (m/w/d), der einer älteren Person (m/w/d) einen geschlossenen Container-Fonds mit 20 Jahren Laufzeit verkauft.

    Diese Strukturen machen das Geschilderte ebenfalls zu einem Problem.



    Denn auch wenn diese Strukturen teilweise abgebaut würden (eher unwahrscheinlich, aber nehmen wir (m/w/d) das mal an), wird es immer noch talentierte Männer geben, die Frauen benutzen. Eben weil es eine Grauzone ist. Und wäre Mr. Lovebomb stattdessen Mr. Right gewesen, wäre das Märchen auf wundersame Weise komplett.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    [...] Beitrag wurde auf Wunsch des Nutzers entfernt.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Und das ist insofern etwas anderes, dass es in den USA illegal ist selbst bei völliger Einvernehmlichkeit.



      Im beschriebenen Fall geht es ja um zweifelsfrei legales, aber als im Nachhinein als grenzwertig empfundenes Verhalten.



      Warum eine 23jährige nicht einfach "Nein" sagen kann erschließt sich mir allerdings nicht.

      • @undnix:

        ein einfaches "Nein" klingt einfach, ist aber oft im sozialen Umgang alles andere als einfach. Die Eindeutigkeit, mit der im Nachhinein alles völlig klar und logisch ist, ist in der Situation oft nicht so eindeutig, jemand anderes in einer Situation Fehlverhalten vorzuwerfen ist, eine große emotionale Hürde. Von einer bedrängten Person zu verlangen, sie solle einfach Nein sagen ist in meinen Augen zu simplifiziert, beobachten Sie einmal Ihr Umfeld, wie oft Fragen und Situationen mit Ausflüchten beantwortet werden, wo es offensichtlich im Subtext ganz klar "Nein" heißt, es aber einfach nicht getraut wird das auszusprechen.



        Das ist in der Alltagskommunikation für viele schon schwer, da würde ich niemanden in solch einer Situation einen Vorwurf draus konstruieren, nicht klar und deutlich Nein gesagt zu haben.

        • @nutzer:

          Nicht "nein" sagen ist ein Problem mit dem man sich selbst das Leben unnötig unangenehm machen kann. Die unmissverständliche Aussage "es ist mir nicht unangenehm" enthält ohne jeden Zweifel als einzige Information, dass es der Person nicht unangenehm ist. Was soll denn die Lehre daraus sein, dass jetzt plötzlich alle schuld sind, weil sie die Frau und ihren Worten geglaubt haben? Nichts auf das Geschwätz von Frauen geben, weil die wissen eh nicht was sie wollen?!



          Jede die so drauf ist kann das gerne so kommunizieren "ich red viel wenn der Tag lang ist, einfach nichts drauf geben".



          Für mich gilt bitte weiterhin wenn ich ja sage heißt das ja und dementsprechend gilt natürlich genauso wenn ich nein sage heißt das auch nein.

          • @Eva :

            "Die unmissverständliche Aussage "es ist mir nicht unangenehm" enthält ohne jeden Zweifel als einzige Information, dass es der Person nicht unangenehm ist."

            Wenn mir eine Frau, die ich anbaggere, sagt, dass sie mein Verhalten "nicht unangenehm" findet, dann verstehe ich das je nach Situation mal so oder anders. "Nicht angenehm" kann vieles heißen, von "wehe dir, wenn du aufhörst" bis zu "lass mich in Ruhe". Man muss halt ein Gespür haben für Zwischentöne. Es soll ja Menschen geben, die in schwierigen Situationen nicht die Kraft haben, wirklich das zu sagen, was sie fühlen. Oder überhaupt zu erkennen, was sie fühlen, zumal wenn sich Vertrauenspersonen (wie die erwähnte "Mentorin") auf die Seite des Anbaggerers schlagen, statt die junge Frau zu stützen.

            • @Django:

              Ja, wenn jemand sagt, etwas sei nicht unangenehm, klingt das erst einmal eindeutiger, als es ist. Problematisch ist, dass wir nur die reinen Wort haben, und die können, je nach den sonstigen Umständen, in der Tat ziemlich entgegengesetzte Dinge heißen. Daraus folgt aber auch, dass wir hier kaum sinnhaft darüber sprechen können, wie denn die Situation war - selbst wenn wir einmal ausblenden, dass wir die andere Seite nicht gehört haben und wohl nie hören werden. Über ungleiche Strukturen und den befremdlichen Umstand, dass scheinbar allen im Umfeld der Frau ihre Bequemlichkeit wichtiger war, als auf sie als Mensch einzugehen, sollten wir dagegen viel reden. Dann können wir den einen oder andern Fall ab jetzt besser ausgehen lassen - also mit weniger Verletzung und Drama.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Das hat wenig mit der Branche zu tun, diese Machtgefälle gibt es grundsätzlich überall.

      Allerdings sind die Schutzmechanismen im Reich der Selbstdarstellung und der Masken auffallend nicht vorhanden im Gegensatz zu grösseren Firmen o.ä.

      Hoffentlich ändert sich das nun langsam mit zunehmenden "Outings".