Verschärfung des Waffenrechts: Faeser macht Ernst

Die Innenministerin will per Gesetz unter anderem gegen halbautomatische Waffen vorgehen. Die FDP und Lobbyverbände wollen das verhindern.

Eine Pistole und Munition auf der Auslage eines Geschäfts

Auch für Kauf und Besitz einer Schreckschusswaffe soll ein kleiner Waffenschein nötig sein Foto: Uli Deck/dpa

BERLIN taz | Die FDP ging sofort auf Kontra. „Immer neue Forderungen für ein schärferes Waffenrecht helfen nicht weiter“, erklärte ihr Innenexperte Manuel Höferlin zum Gesetzentwurf von Innenministerin Nancy Faeser. Erst mal solle das „vorhandene Strafmaß voll ausgeschöpft werden“. Auch Parteikollege Konstantin Kuhle sprach von einem „falschen Weg“, das geltende Recht sei ausreichend. Und Justizminister und FDP-Mann Marco Buschmann ließ zuletzt ebenso keinen Zweifel, dass er das Vorhaben ablehnt.

Aber Faeser will jetzt Ernst machen. Diese Woche legte sie ihren 48-seitigen Gesetzentwurf zur Waffenrechtsverschärfung vor. Er wird nun im Kabinett abgestimmt und liegt der taz vor. Das Gesetz hatte Fae­ser bereits im Frühjahr 2022 in ihrem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus angekündigt. Nach den Reichsbürgerrazzien und der Silvesternacht machte sie noch mal Druck – und ergänzte Regelungen.

So sollen nun Waffenbehörden verpflichtend die örtliche Polizei zu Waffenbesitzern anfragen, nicht wie bisher als „Soll“-Vorschrift. Auch der Zoll und die Bundespolizei werden als Kontaktstellen ergänzt. Bei der letzten Reform 2020 war bereits eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz eingeführt worden.

Nun sollen auch Regelabfragen bei Gesundheitsbehörden folgen. Diese sollen, wenn sie Hinweise auf eine psychische Störung einer Person erlangen, Waffenämtern Namen, Geburtsdatum und Wohnanschrift übermitteln. Diese prüfen dann, ob die Person in ihren Registern ist – falls nicht, würden die Daten wieder gelöscht. Zudem soll Erstantragstellende nun auch auf eigene Kosten ein ärztliches oder psychologisches Zeugnis vorlegen – eine Reaktion auf den psychisch auffälligen Hanau-Attentäter, der legal Waffen besaß. Bisher galt diese Regelung nur für Unter-25-Jährige.

Erleichtert werden soll auch die persönliche Vorladung von Antragstellenden. Die Waffenbehörden sollen zudem künftig auch die Polizeidienststellen und Gesundheitsämter der Wohnsitze aus den vergangenen fünf Jahre abfragen. Und Straftäter sollen erst nach 15 statt 10 Jahren wieder legal Waffen besitzen dürfen, Mitglieder verbotener Vereine nach zehn statt fünf Jahren.

Halbautomatische Waffen werden verboten

Faeser will zudem „kriegswaffenähnliche halbautomatische Feuerwaffen“ verbieten, wie sie etwa die Rechtsterroristen von Utøya oder Christchurch nutzten. Es gehe um Waffen, die ihrem Anschein nach vollautomatischen Selbstladewaffen ähneln, heißt es im Gesetzentwurf. Diese wirkten in der Szene „besonders anziehend“. In Deutschland sollen davon 225.000 im Umlauf sein – 60 Prozent davon in Privatbesitz. Das BKA soll die Waffenmodelle künftig in jedem Einzelfall prüfen.

Auch für den Erwerb und Besitz von Schreckschusswaffen soll nun ein Kleiner Waffenschein nötig sein – in der Silvesternacht wurden sie für Angriffe auf Einsatzkräfte genutzt. Gleiches soll für Armbrüste gelten, die bei Reichsbürgern beliebt sind. Wer jetzt schon im Besitz dieser Waffen ist, soll den Waffenschein bis Ende 2025 nachholen.

Auch neu: Für Übungen auf Schießständen sollen nun stets Waffenerlaubnisse vorgelegt werden – oder der Nachweis, dass kein Verbot für die entsprechenden Waffen vorliegt. Die Be­trei­be­r:in­nen müssen dies kontrollieren.

Zuletzt wird auch eine 18-monatige Waffenamnestie festgeschrieben, wenn Besitzer illegaler Waffen diese nachweisbar unbrauchbar machen oder einer Behörde übergeben. Bei einer vergangenen Amnestie im Jahr 2009 wurden damals bundesweit immerhin rund 200.000 Waffen abgegeben. Bei einer späteren im Jahr 2017 und 2018 waren es deutlich weniger.

Faeser hatte zuletzt erklärt, Rechtsextreme und Reichsbürger müssten „mit aller Konsequenz“ entwaffnet werden. Es brauche „maximalen Druck aller Behörden“. Nach der Silvesternacht nannte sie eine Verschärfung für Schreckschusswaffen „ein wichtiges Signal“.

Die FDP sieht nur ein Vollzugsproblem

Die FDP dagegen blockiert die Waffenrechtsreform von Beginn an. Auch Buschmann hält das Waffengesetz bereits für streng genug. Aktuell äußerte er sich nicht. Zuletzt betonte er aber, selbst die strengsten Waffengesetze würden nicht helfen, wenn Menschen sich illegal Waffen beschafften.

Auch Jagd- und Schützenverbände sind entrüstet. Schon heute gehörten Waffenbesitzer „zu den am strengsten überwachten Personengruppen in Deutschland“, klagt Friedrich Gepperth, Präsident des Bunds Deutscher Sportschützen. Das Waffengesetz sei das „strengste seiner Art“. Auch ein Verbot halbautomatischer Waffen sei „völlig willkürlich“. Diese würden bei Sportwettbewerben und Jagden eingesetzt, ihre „Deliktrelevanz“ gehe „gegen null“.

Hinter Gepperth steht das Forum Waffenrecht, dem nach eigener Auskunft 200 Verbände und Vereine mit rund 750.000 Mitgliedern angehören. Auch der Deutsche Schützenbund, der 1,3 Millionen Sport­schüt­z:in­nen zählt, hatte sich zuletzt kritisch gezeigt.

Grüne und Polizei unterstützen Faeser

Die Gewerkschaft der Polizei unterstützt dagegen zumindest das Vorgehen gegen Schreckschusswaffen. Deren Zahl sei viel zu hoch und sie seien selbst für Polizisten nicht von echten Waffen zu unterscheiden.

Auch die mitregierenden Grünen springen Faeser bei. Im Koalitionsvertrag sei eine Reform des Waffenrechts festgehalten, erinnert Innenexperte Marcel Emmerich. „Und gerade bei der Entwaffnung von Verfassungsfeinden und bei Schreckschusswaffen gibt es erheblichen Handlungsbedarf.“ Die FDP müsse im Interesse der öffentlichen Sicherheit „ein Einsehen haben und den Koalitionsvertrag mit uns umsetzen“, so Emmerich zur taz.

Faeser selbst verteidigte am Dienstag ihren Gesetzentwurf. Die FDP habe aber recht, dass es auch verstärkte Kontrollen brauche, sagte sie dem ZDF. Hierfür sei mehr Personal in den Kommunalverwaltungen nötig.

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