Türkischer Präsident und US-Sanktionen: Erdoğan teilt wieder aus
Beim AKP-Parteitag reagiert der türkische Präsident auf neue Sanktionsdrohungen der USA. Für den Notfall bietet Deutschland finanzielle Hilfe an.
Im Streit mit den USA hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan während eines außerordentlichen Parteitages der AKP seinem Kollegen Donald Trump zugerufen: „Wir kapitulieren nicht.“ „Wir werden nicht vor denjenigen zurückweichen, die vorgeben, unsere strategischen Partner zu sein, uns aber zu einem strategischen Ziel machen.“ Erdoğgan antwortete damit auf neue Ankündigungen von Trump, der am vergangenen Freitag der Türkei mit neuen Sanktionen gedroht hatte, falls der in Izmir festgehaltene US-Pastor Andrew Brunson nicht sofort freigelassen werde.
Der Pastor, der in der Türkei eineinhalb Jahre in U-Haft saß und sich nun im Hausarrest befindet, wird in den USA als Geisel gesehen, die Erdoğan gegen den Sektenführer Fethullah Gülen austauschen will. Ihn hält die türkische Führung für den Drahtzieher des Putschversuches vom Juli 2016.
Die massive Auseinandersetzung mit den USA hat sich zwar an der Verhaftung des amerikanischen evangelikalen Pfarrers entzündet, spielt sich aber vor dem Hintergrund anderer weitreichender politischer Konflikte zwischen beiden Ländern ab. So kritisiert Ankara seit Langem die Zusammenarbeit der USA mit der syrischen Kurdenmiliz YPG, die nach Meinung der Türkei ein direkter Ableger der PKK ist.
Wegen der Differenzen in Syrien hat Erdoğan sich Russland angenähert und will nun das russische Raketenabwehrsystem S-400 einkaufen. Das wiederum hat in Washington zu einem Stopp von Waffenlieferungen an die Türkei geführt.
Parteichef ohne Gegenstimmen
Nach der Verhängung erster US-Sanktionen vor zwei Wochen ist die türkische Lira in beispielloser Weise abgestürzt, was in der Türkei zu einer schweren Wirtschaftskrise geführt hat. Erdoğan behauptet nun, dass Trump einen Wirtschaftskrieg gegen die Türkei führen würde. Nach den neuerlichen Sanktionsdrohungen am Freitag verlor die Lira erneut 5 Prozent ihres Wertes.
Aufgrund des Konflikts mit den USA sucht Erdoğan wieder den Schulterschluss mit Europa und vor allem mit Deutschland. Merkel hat ihm bereits Unterstützung zugesagt. Am Wochenende sagte auch SPD-Chefin Andrea Nahles, man dürfe die Türkei wirtschaftlich nicht zusammenbrechen lassen und müsse notfalls helfen. Dagegen wollen die Grünen Hilfen nur zustimmen, wenn Erdoğan ernsthaft zur Demokratie zurückkehrt.
Doch der denkt gar nicht daran. Der Parteitag, auf dem er ohne Gegenstimmen als Parteichef bestätigt wurde, war eine Einmannshow, wie es sie selbst in der AKP bis dahin nicht gegeben hatte. Statt einer politischen Diskussion gab es einen Film über Erdoğans Leben. 29 von 50 Spitzenpositionen wurden im Sinne Erdoğans neu besetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen