Türkischer Klub stellt Israeli frei: „Nationale Werte stehen über allem“
Israels Fußballprofi Sagiv Jehezkel wird bei Antalyaspor wegen des Gedenkens an Hamas-Opfer entlassen. Kurzzeitig musste er gar in Untersuchungshaft.
Nach einer Nacht in Untersuchungshaft ist der israelische Fußballprofi Sagiv Jehezkel am Montagmorgen wieder freigelassen worden. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu in der Türkei. Volksverhetzung hatte die Staatsanwaltschaft dem 28-Jährigen am Sonntagabend vorgeworfen. Ein Verfahren wegen „öffentlicher Anstiftung zum Hass“ sei eröffnet worden, so teilte es der türkische Justizminister Yılmaz Tunç via X, ehemals Twitter, mit. Der Fußballer habe das „von Israel begangene Massaker im Gazastreifen“ gefeiert.
Was der israelische Nationalspieler tatsächlich gemacht hat, ist bei der Süper-Lig-Partie zwischen Antalyaspor und Trabzonspor zu sehen gewesen. Nachdem er den Ausgleichstreffer zum Endstand (1:1) erzielte, streckte er vor eine Kamera sein bandagiertes Handgelenk, auf dem die Aufschrift „100 Tage“ sowie das Datum 7. 10. und ein Davidstern zu sehen waren.
Er gedachte des Massakers vom 7. Oktober, als Terroristen der Hamas die israelische Zivilbevölkerung angriffen, etwa 1.200 Menschen töteten und 240 weitere in den Gazastreifen verschleppten. Bei israelischen Gegenschlägen wurden nach Angaben der Hamas über 24.000 Menschen getötet.
Von seinem Verein Antalyaspor wurde Jehezkel wenige Stunden nach der Partie suspendiert. Vereinspräsident Sinan Boztepe sagte: „Nationale Werte stehen über allem.“ Und er erklärte: „Unser Vorstand wird niemals ein Verhalten zulassen, das gegen die Befindlichkeiten unseres Landes verstößt, selbst wenn dies zu einer Meisterschaft oder einem Pokal führt.“
Schweigeminute nur für Palästinenser
Gegenüber israelischen Medien stellte Sagiv Jehezkel klar: „Das war eine Geste für die israelischen Geiseln in Gaza, eine humanitäre Geste. Es war mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie seit 100 Tagen in Gefangenschaft sind. Ich wollte niemanden provozieren. Ich kenne die türkischen Gefühle, es war einfach eine Geste.“
Jehezkel war erst im September gemeinsam mit seinem israelischen Nationalmannschaftskollegen Ramzi Safuri von Antalyaspor verpflichtet worden. Der offensive Mittelfeldspieler erwies sich in der Zeit mit 6 Toren in 13 Spielen durchaus als Verstärkung.
Bei der Eskalation des Nahostkonflikts Anfang Oktober waren Jehezkel und Safuri bereits einer extrem feindseligen Stimmung in der Türkei ausgesetzt. Die Liga entschied sich damals für den folgenden Spieltag für eine Schweigeminute, bei der explizit nur der palästinensischen Opfer gedacht wurde. Jehezkel und Safuri blieben der Partie fern und teilten in einer Erklärung mit, die Vereinsführung habe die Entscheidung respektiert.
Nach dem Vorfall vom Wochenende sagte Israels Außenminister Israel Katz: „Die Türkei ist zu einer dunklen Diktatur geworden, die gegen humanitäre Werte und die Werte des Sports arbeitet.“ Das Außenministerium berichtete, Sagiv Jehezkel werde noch am Montag in Israel erwartet.
Der israelische Fußballverband soll laut Informationen der Bild-Zeitung die Uefa und die Fifa wegen des Vorfalls eingeschaltet haben. Möglicherweise gibt es bald noch mehr zu besprechen. Am Montag gab Istanbul Başakşehir, der Lieblingsklub von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, bekannt, gegen seinen israelischen Profi Eden Karzev zu ermitteln. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, gehe es um einen proisraelischen Post auf Instagram, den er geteilt haben soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken