Trumps Krieg gegen die Forschung: Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Trump ist ein Feind der Wissenschaft. Nun erwählt er Robert F. Kennedy Jr., einen Impfgegner und Wissenschaftsleugner, zum Gesundheitsminister.
Das Coronavirus sei eine Kreation des Wuhan Institute of Virology, Windkraftanlagen würden Krebs verursachen und der Klimawandel sei ein Schwindel, zu Chinas Nutzen, all das sind Behauptungen von Donald Trump. Der alte und neue US-Präsident ist eine zentrale Figur in der Verbreitung von Falschinformationen. Seit seinem erneuten Wahlsieg sind Virolog*innen, Klimaforscher*innen und Meteorolog*innen in den USA besorgt.
Viele Wissenschaftler*innen fragen sich, wie es mit der Forschung weitergeht. Denn Trumps Kampf gegen die Wissenschaft ist nicht nur eine Gefahr für Forschende und die eigene Bevölkerung, sondern auch ein Streit darum, was Fakt ist und was nicht.
Bereits zu seiner ersten Präsidentschaft machten sich viele Wissenschaftler*innen Sorgen. Die geringe Hoffnung, dass Donald Trump sich nach seinem Sieg 2016 im Amt mäßigen würde, wurde schnell enttäuscht. Kurz nach seiner Wahl rief ein Projekt der Columbia Law School den „Silencing Science Tracker“, eine Art Online-Datenbank, ins Leben. Der Tracker sollte jegliche Einflussnahmen der Trump-Administration in den wissenschaftlichen Betrieb sammeln. In vier Jahren als Präsident gab es 346 solcher Einträge.
Trump hat etwa die Gelder für die Umweltbehörde EPA zusammengestrichen, das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin gegen medizinischen Rat als Corona-Wundermittel gepriesen und versucht, eine Regierungsstudie zu unterdrücken, die herausgefunden hatte, dass Immigrant*innen der US-Wirtschaft deutlich mehr nutzen als schaden.
Trump hat dem Wissenschaftsstandort geschadet
Mit seiner Politik hatte Trump dem Wissenschaftsstandort USA nachhaltig geschadet. Beispielsweise sank während seiner Präsidentschaft die Zahl internationaler Studierender. Die Visavergabe wurde erschwert und die USA damit für hochqualifizierte Forscher*innen unattraktiver. Vorhaben wie der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen, das Trump bereits ein halbes Jahr nach Amtsantritt 2017 ankündigte, machte vielen Wissenschaftler*innen klar, dass die Forschung politisiert wurde.
Welche verheerenden Folgen Trumps wissenschaftsfeindliche Politik hatte, zeigten sich dann nach Ausbruch der Coronapandemie. Aus Sars-CoV-2 machte Trump so was wie Schrödingers Virus. Mal behauptet Trump, Beweise zu haben, die belegen, dass das Virus aus einem chinesischen Labor entkommen sei, dann wieder spielte er die Gefahr durch Corona herunter, sagte, dass die Krankheit in „99 Prozent der Fälle komplett harmlos“ sei und man bloß aufhören müsste zu testen, um die Pandemie zu beenden.
Die Folgen von Trumps Kurs waren vielfältig: Die Gewalt gegen asiatische Menschen stieg sprungartig. Viele, vor allem aus dem republikanischen Lager, hielten sich nicht an Vorsichtsmaßnahmen oder ließen sich nicht impfen. Allein bis zum Ende von Trumps erster Amtszeit im Januar 2021 starben rund 400.000 Menschen in den USA an Covid-19.
Nach seiner Wahlniederlage 2020 stehen den USA jetzt weitere vier Jahre mit Trump als Staatschef bevor. Forschende wie Gregg Gonsalves, Epidemiologieprofessor an den Universitäten in Yale und Stanford, befürchten Schlimmes für die Gesundheitspolitik. „Die Personen, die er in seiner ersten Präsidentschaft für Gesundheitsposten berufen hat, hätte ich zwar nicht unbedingt ausgewählt, aber es waren Leute mit Sachverstand. Dieses Mal sieht es so aus, als würde er Ideologen und Verschwörungstheoretiker berufen“, sagt er der taz.
„Make America Healthy Again“
Gemeint ist zum Beispiel Robert F. Kennedy Jr., er wird wohl im Zentrum von Trumps Gesundheitspolitik stehen. Bis August trat erst selbst als parteiloser Präsidentschaftskandidat an, dann stellte er sich hinter Trump.
„Make America Healthy Again“, hat Kennedy als Ziel ausgegeben und formuliert klare Feindbilder in seinem Plan, die USA „wieder gesund zu machen“. Dazu gehört die Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA, die laut Kennedy einen „Krieg gegen die öffentliche Gesundheit“ führe, indem sie zum Beispiel vom Verzehr roher Milch abrate, weil, laut Kennedy, diese sich nicht für die Pharmaindustrie patentieren ließe. Deshalb wolle er die Abteilung für Ernährungsfragen schließen.
Kennedy sieht sich als Kämpfer gegen das, was er als medizinische „Orthodoxie“ beschreibt. Er ist gegen das medizinische Establishment. Damit diskreditiert er die Wissenschaft als Institution, die fanatischen Glaubenssätzen folgen würde. Als Feinde betrachtet er neben der FDA auch Wissenschaftler wie Anthony Fauci, der Trump zur Corona-Pandemie beraten hatte. Und insbesondere ein Thema ist wie kein anderes Sinnbild seines Kampfs: Impfstoffe. In Impfstoffen sei Quecksilber enthalten und das löse Autismus bei Kindern aus, argumentiert Kennedy. Daher halte er, Kindern Impfungen zu verabreichen, für „kriminelles medizinisches Fehlverhalten“.
Die Corona-Impfungen sind für ihn die „tödlichsten Impfungen, die jemals erschaffen wurden“. Als Teil der Children’s Health Defense unterstützte Kennedy daher die Bemühungen von Impfgegnern im Inselstaat Samoa, wo aufgrund eines Fehlers von zwei Krankenschwestern 2018 zwei Kleinkinder durch eine Masernimpfung starben. Daraufhin brach die Masernimpfrate ein – 2019 kam es dann zu einer Epidemie unter samoanischen Kindern mit insgesamt 83 Todesfällen.
Kennedy bestreitet zwar, dass er Impfungen pauschal verbieten wolle, kündigte jedoch an, dass er die „besten Informationen“ zu Risiken von Impfungen bereitstellen wolle. Wie das aussehen könnte, zeigen einige republikanisch dominierte Bundesstaaten schon jetzt. In Florida wird etwa von mRNA-Impfstoffen gegen Corona für ältere Menschen abgeraten. Das geht zurück auf eine Initiative des republikanischen Sanitätsinspektors für Florida Joseph A. Ladapo, der für ebendiese Rolle auch auf Bundesebene gehandelt wird.
Ein neuer March for Science
Florida gehört zu den Staaten mit den höchsten Zahlen von Coronafällen und -toten. Seit 2022 ist sogar die Lepra im Bundesstaat wieder endemisch geworden. Yale-Professor Gregg Gonsalves fühlt sich an die Ära der Aids-Leugnung in Südafrika zurückerinnert, „nur dass es dieses Mal nicht nur um HIV geht, sondern um den gesamten Gesundheitssektor. Es ist furchteinflößend.“
Vor allem durch die Haushaltspolitik und Executive Orders, also präsidiale Verfügungen, wird Trump auf die Wissenschaft Einfluss nehmen können. Beispielsweise, indem er seine Anhänger auf Schlüsselpositionen in Behörden installiert oder wie angekündigt das Department of Education, also das Bildungsministerium, abschafft. Das sind Punkte, die im „Project 2025“ beschrieben wurden, einem autoritär-konservativen Pamphlet, das unter anderem einen Komplettumbau der Forschungs- und Gesundheitslandschaft vorsieht.
In seiner ersten Amtszeit hat sich schnell Widerstand aus den Reihen der Forschung gebildet. Am 22. April 2017 fand der March for Science, der Marsch für die Wissenschaft, statt. Allein in der Hauptstadt Washington, D. C. beteiligten sich 40.000 Menschen. „Wir müssen uns gegen diese Politik zusammenschließen“, erklärt Gonsalves auch jetzt wieder. „Wir sind nicht ohnmächtig. Ich habe eine Nachricht an die Mitstreiter*innen aus der Coronazeit geschickt und gefragt, wer sich beteiligen möchte, die öffentliche Gesundheit zu verteidigen. In den ersten Tagen haben sich schon 700 Menschen zurückgemeldet.“
Es wird deutlich: Die Wissenschaft befindet sich in einem Verteidigungskampf. Trump droht bereits, führende Covid-Wissenschaftler*innen wie Anthony Fauci strafrechtlich zu verfolgen und Forscher*innen aus Behörden zu entlassen, wenn sie sich ihm entgegenstellen. Trump hat die Wissenschaft in den Kulturkampf hineingezogen, es geht um die Deutungshoheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken