Trendgetränk Hafermilch: Schäumt, schmeckt und schont
Kuhmilch? Von vorgestern! Jetzt gießt man eine Emulsion aus Wasser und Haferflocken in den Kaffee. Ein Plädoyer mit einfachem Rezept.
In den letzten Monaten fühlt es sich im Supermarkt häufig so an, als sei ich Jäger eines seltenen Rohstoffs. Wenn ich nach Feierabend das Regal mit den Pflanzendrinks erreiche und mich die Kartons, in denen Hafermilch stehen sollte, nur leer angähnen. Jemand war vor mir da. Und das war auch schon vor den Zeiten der Corona-Hamsterkäufe so.
Dann wird mir bei Instagram ein gesponsertes Video über eine neue Coffee-Bar in die Timeline gespült. Zwischen Siebträgermaschine und spartanisch designtem Innenraum hantieren die tätowierten Unterarme eines Baristas ganz selbstverständlich mit Hafermilch-Tetrapacks. Andere Zielgruppe, aber gleiches Bild im Küchenzelt des Fridays-for-Future-Camps in Köln im letzten Sommer. Gekocht wird nur vegan, getrunken wird: Hafermilch.
Natürlich handelt es sich hierbei um anekdotische Evidenz. Was dahinter steht, passt aber: Hafermilch ist der Milchersatz der Stunde – und das zu Recht.
Denn tatsächlich ist Hafermilch einfach lecker. Sie schmeckt fein und leicht und hat eine gewisse Süße. Ihre nicht zu leugnende, aber auch nicht zu dominante Hafernote passt gut zum Kaffee. Doch das ist nicht alles. Sie wird nicht sauer, sie schmeckt bloß irgendwann nicht mehr so gut. Sie bildet keine Haut, wenn man sie kocht, lässt sich problemlos zu Milchschaum verarbeiten und pappt später nicht an, wenn man den Rest stehen lässt.
Kein Methan, weniger Anbaufläche
Ein weiterer Vorteil: Um Hafermilch herzustellen, müssen keine künstlich besamten Kühe zur Milchproduktion gezwungen werden. Man braucht tatsächlich überhaupt gar keine Kühe – dementsprechend entsteht auch kein Methan, und es wird bedeutend weniger Anbaufläche pro Liter benötigt, wenn der Hafer getrunken und nicht verfüttert wird. Ihre Ökobilanz ist damit um Längen besser als die von Kuhmilch.
Auch im Vergleich zu anderen Milchalternativen steht Hafermilch laut mehreren Studien gut da. Ihre Herstellung verbraucht deutlich weniger Wasser als die von Reis- und Mandelmilch, und ihre Produktion verursacht weniger Treibhausemissionen als die von Sojamilch. Beim Flächenverbrauch schneidet Hafermilch allerdings ein wenig schlechter als die anderen genannten ab. Dafür wächst Hafer auch in Europa gut, die Transportwege sind also kurz.
Nach vier Jahren Pflanzendrink-Konsum schmeckt mir ein Schluck Kuhmilch merkwürdig unangenehm. Eine dünne Schleimschicht mit leicht beißendem Geschmack bildet sich im Mundraum. Auch merke ich ein leichtes Grummeln im Magen – oder zumindest bilde ich mir das ein.
So abwegig ist mein Geschmackserlebnis nicht, denn eigentlich sind Menschen gar nicht dafür gemacht, Kuhmilch zu trinken. Zwar entwickeln Neugeborene das Enzym Laktase, das man braucht, um Milchzucker aufspalten und verdauen zu können. Nach der Stillzeit fährt der Körper die Laktaseproduktion aber deutlich runter. Ungespaltener Milchzucker kann jetzt Bauchschmerzen, Durchfall und andere unangenehme Symptome auslösen.
Nur dort, wo Menschen seit langer Zeit Milchwirtschaft betreiben – vor allem in Europa – hat eine Mutation dazu geführt, dass auch Erwachsene noch Laktase produzieren. Weltweit aber sind 75 Prozent der Bevölkerung quasi by default laktoseintolerant.
Hipsterdrink statt Ökoplörre
Diesen Gedanken hat die schwedische Hafermilchmarke Oatly konsequent in einen cleveren Marketingslogan gegossen und an die Hauswände großer Städte plakatiert: „It's like milk, but made for humans“.
Oatly wirbt auf Englisch und hat es geschafft, die Emulsion aus Hafer und Wasser aus der Öko-Ecke zu holen und mit Selbstironie als Hipsterdrink zu vermarkten, der zudem ein gutes Gewissen macht. Denn seit einiger Zeit ist auf den zeitgemäß designten Oatly-Milchkartons auch der ökologische Fußabdruck des Inhalts abgedruckt.
Doch diese Umweltfreundlichkeit darf man auch hinterfragen. Ich gebe zu: Auch ich ziehe aus dem Konsum von Hafermilch bisweilen einen Distinktionsgewinn, fühle mich beim Trinken nachhaltig und klimaachtsam – und verdränge dabei, dass sich in meinem Müll die zusammengefalteten Hafermilch-Tetrapaks stapeln.
Zudem ist Hafermilch nicht günstig. Die Hausmarken von Supermärkten, Discountern und Drogerien liegen preislich irgendwo zwischen 1 Euro und 1,50 Euro. Bei Oatly bezahlt man bis zu 2,50 Euro für einen Liter. Hafermilch muss man sich leisten können – Klassismus in der Müslischale?
Selbermachen geht ganz einfach
Unter den schrägen Decken der Küche ihrer Dachgeschosswohnung in Köln-Nippes hat eine Freundin von mir eine Antwort auf die Fragen nach Kosten und Müll von Hafermilch gefunden: Nora macht sie einfach selbst.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Und das geht erstaunlich einfach. Man weicht 50 Gramm Haferflocken zehn Minuten lang in einem halben Liter Wasser ein. Die dann schon relativ milchig aussehende Mischung wird anschließend mit einem Stab oder Mixer püriert. Jetzt muss der Brei nur noch gefiltert werden. Nora hat dafür einen speziellen Nussmilchbeutel, genauso gut kann man aber auch ein Baumwolltuch, ein altes Hemd oder eine aussortierte Gardine verwenden.
Beim Milchmachen dreht Nora ihr Tuch langsam ein, presst und wringt es über einer Schüssel aus, bis nur noch die Kleie übrig bleibt. Die kratzt sie aus dem Beutel und stellt sie in einem Glas in den Kühlschrank. Kann man gut im Müsli essen, sagt sie.
Die selbst produzierte Hafermilch sieht aus wie die gekaufte. Sie schmeckt etwas getreidiger, nicht ganz so süß und lässt sich ganz passabel aufschäumen. Mit Spülen dauert die Zubereitung rund dreißig Minuten. Und den enttäuschenden Gang vor leere Supermarktregale, den spart man sich damit auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren