Telefonat mit Putin: Falsche Nummer
Das Telefonat von Scholz mit Putin kommt zum irritierenden Zeitpunkt. Jetzt gilt es, die Ukraine aufzurüsten und in eine starke Position zu versetzen.
K ann sich die Ukraine noch auf ihre Verbündeten verlassen? Diese Frage wird in Kyjiw immer öfter gestellt. Wenn die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Brasilien zum G20-Gipfel zusammenkommen, ist die ukrainische Sorge, unter die Räder der Weltpolitik zu geraten, größer als je zuvor seit Kriegsbeginn. Die westliche Sehnsucht nach einer Normalisierung der Beziehungen mit Russlands Putin-Regime ist allgegenwärtig.
Bundeskanzler Olaf Scholz mag seinen Anruf beim Kremlchef drehen und wenden wie er will, eines ist unzweifelhaft: Der Anruf geschah auf deutsche Initiative, und damit war Deutschland der Bittsteller, während Wladimir Putin Bitten entgegennimmt. Kein Wunder, dass Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj erzürnt ist. Scholz möchte in den Wahlkampf ziehen als „Friedenskanzler“, der mit Putin spricht, und er will in Brasilien landen als großer Staatsmann, der eben vom Telefonat mit Putin kommt.
Der Ukraine aber ist nicht damit geholfen, wenn ihre vorgeblichen Verbündeten gegen ihren Willen in Moskau anrufen. Wer da anruft, ob Olaf Scholz oder Elon Musk, ist Putin egal: Entscheidend ist, dass man um seine Gunst bettelt. Sein Kriegsziel ist eine ukrainische Kapitulation, sei es auf dem Schlachtfeld oder am Verhandlungstisch. Wer ihn um Nachgiebigkeit bittet, entlarvt aus seiner Sicht nur die eigene Nachgiebigkeit. Verhandlungen mit Putin darf es nur aus einer Position der Stärke geben.
Gerade jetzt müssen die großen Militärmächte des Westens alles in die Schlacht werfen, was sie zur Verfügung haben. Russland steht mit dem Rücken zur Wand, die täglichen Verluste an der Front sind auf Rekordniveau, die Wirtschaft schwankt und inzwischen braucht Moskau sogar Schützenhilfe aus Nordkorea. In dieser Situation telefoniert ein kluger Weltdiplomat nicht mit Moskau. Sondern er sorgt dafür, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, Russland die militärische Niederlage beizufügen, ohne die es keine Verhandlungslösung geben kann.
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