„Süddeutsche“-Reporter über FPÖ-Video: „Wir müssen berichten“
Ließen sich „Spiegel“ und „SZ“ mit dem Strache-Video für eine Kampagne einspannen? Und wenn schon, sagt Bastian Obermayer von der „Süddeutschen“.
![Still aus dem Strache-Video, Strache von der Seite, gestikulierend, hinten Johann Gudenus Still aus dem Strache-Video, Strache von der Seite, gestikulierend, hinten Johann Gudenus](https://taz.de/picture/3452001/14/23003036.jpeg)
taz: Herr Obermayer, war Ihnen klar, dass außer SZ und Spiegel noch andere von dem Strache-Video wussten? Und zwar Jan Böhmermann und das Zentrum für Politische Schönheit?
Bastian Obermayer: Bei Böhmermann haben wir das irgendwann erfahren. Was das Zentrum für Politische Schönheit angeht, hatte ich nicht die geringste Ahnung, und ich weiß auch jetzt nicht, ob das wirklich stimmt. Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit. Es ist für uns nicht von Interesse, was die Quelle sonst mit den Daten macht, denn wir sind nicht die Beratungsinstanz der Quelle.
Es gibt dieses Video seit zwei Jahren. Etwa vor zwei Monaten haben Sie den Tipp bekommen, das Material aber erst jetzt, ganz kurz vor der Europawahl. Und dazu kommt, dass noch andere davon gewusst haben. Haben Sie sich zwischendurch mal gefragt, ob Sie da eingespannt werden in eine politische Kampagne?
Darüber haben wir natürlich die ganze Zeit nachgedacht – und das kann ich letztlich nicht ausschließen. Wir sind aber am Ende zu dem Entschluss gekommen, dass das überragende öffentliche Interesse an dem, was Herr Strache da von sich gibt, die ganzen anderen Erwägungen übertrifft.
Leitet das Investigativressort der SZ und war mit anderen für die Strache-Story zuständig. Als Teil des Teams der Panama-Papers erhielt Obermayer mehrere Auszeichnungen.
Einfacher gesagt: Wir müssen berichten, was Herr Strache sagt, weil es von überwältigender Wichtigkeit ist für die Menschen, zu wissen, dass der Vizekanzler offenbar korrupten Avancen gegenüber offen ist. Dass er ein Mediensystem wie unter Orbán wünscht, das keine freie Presse mehr garantiert – und dass er versucht, illegale Spenden einzusetzen. Da spielt es für mich am Ende eine untergeordnete Rolle, wer das Video wann gemacht hat. Oder warum wir es jetzt bekommen und nicht zu einem anderen Zeitpunkt.
Es handelt sich bei dem Video um ein durch Täuschung herbeigeführtes Ereignis. Würde man so etwas im Journalismus selbst machen, dann gälte das als unredlich, weil man selber Einfluss genommen hat.
Schon da unterscheiden sich die Meinungen. Günter Wallraff gilt als einer der exzellentesten Investigativjournalisten Deutschlands. Der hat genau das gemacht, bei der Bild-Zeitung, und das war fantastische Arbeit. Jeder muss dafür geradestehen können, welche Methoden er wählt. Wir bei der SZ machen so etwas tatsächlich nicht. Wir gehen nie undercover.
Das finde ich übrigens nicht unbedingt richtig – in Amerika gab es im letzten Jahr zum Beispiel eine fantastische Reportage von einem Reporter, der sich in ein Gefängnis hat einschleusen lassen. Nur so konnte er berichten, wie es da wirklich zugeht. Bei uns bei der Süddeutschen ist diese Herangehensweise, wie gesagt, grundsätzlich ausgeschlossen. Was wir aber machen: Wenn uns solches Material zugespielt wird, dann schauen wir, wie hoch das öffentliche Interesse ist. Und diese Frage ist im vorliegenden Fall sehr eindeutig zu beantworten. Daher war für uns klar, dass wir das bringen mussten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden