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Umgang der Union mit der „Elsa“-StudieTotschweigen durch Nina Warken

Kommentar von Amelie Sittenauer

Die wissenschaftliche Studie über ungewollt Schwangere stört die Union bei ihrem Kulturkampf. Dabei ist Versachlichung dringend geboten.

Nett lächeln und nichts sagen, so kennen wir Nina Warken wenns um reproduktive Angelegenheiten geht Foto: Britta Pedersen/dpa Pool

S till und leise hat das Bundesgesundheitsministerium unter Nina Warken (CDU) am Mittwoch den Abschlussbericht der Elsa-Studie zu den Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer veröffentlicht – auf seiner Webseite, ohne Pressemitteilung und ohne Äußerung der Ministerin.

Ginge es nach CDU und CSU, soll es so auch möglichst still um die Inhalte der in Deutschland einzigartigen Studie bleiben: Auf mehr als 1.000 Seiten wird eine schlechte Versorgungslage für ungewollt Schwangere beschrieben, genauso wie weite Anfahrtswege, eine Stigmatisierung von Betroffenen und eine hohe Kostenbelastung.

Nach der emotionalisierten Kampagne gegen die Bundesverfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf und die ihr falsch zugeschriebenen Positionen zum Thema Schwangerschaftsabbruch ist eine solche Versachlichung der Abtreibungsdebatte durch Daten, Analysen und Handlungsempfehlungen dringend nötig.

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Das Totschweigen durch Warken zeigt jedoch, dass die Union lieber weiter Kulturkampf betreibt, als sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinanderzusetzen. Ansonsten müsste sie endlich anerkennen, dass die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs vorrangig keine ethische Frage ist – denn Abbrüche bis zur zwölften Woche werden in Deutschland täglich hundertfach straffrei durchgeführt. Der Zugang von ungewollt Schwangeren zu einem Schwangerschaftsabbruch ist in der Realität eine Frage der Gesundheitsversorgung von Frauen und Menschen mit Uterus in Deutschland.

Um diese zu verbessern, ist und bleibt die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zentral. Erst die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch und eine Neuregelung im Schwangerschaftskonfliktgesetz würden neue gesetzliche Spielräume für die medizinische Versorgung, für eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen, eine verbesserte medizinische Weiterbildung und schließlich eine Entstigmatisierung eröffnen. Und das hat sich Schwarz-Rot auch in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen.

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15 Kommentare

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  • Das Thema ist eins, wo Werte wohl noch stärker mitspielen als anderswo. Die eine sieht da menschliches Leben und will entsprechend dies und die Menschenwürde aus ihrer Sicht konsequent schützen, die andere sieht die Entrechtung von Frauen, die Engelmacherei, den psychischen Druck und zählt da die Argumente auf.



    Umso wichtiger ist es, zwischen Fakten und ihrer Bewertung sauberstmöglich zu trennen. Und nichts zu unterdrücken (danach klingt es leider etwas), nur weil mensch sich im Wahlkampf als Merz-Union auch hier völlig vergaloppiert hat.



    PS, danke, serious, für eine Darlegung ministerieller Prozesse.

  • Die von der cdU verwalteten Ministerien scheinen offenbar NUR die Parteilinie zu verfolgen, nicht das Gemeinwohl. Das sieht man bei Dobrindt, das sieht man hier und das sieht man bei Nestle-Julia (die ist zwar nicht Ministerin, hat aber einen noch weiterreichenden Einfluss)

  • Warum die Union das Thema totschweigt, ist mir vollkommen klar.



    Wieso sollte sie eine Studie veröffentlichen, die sie nicht in Auftrag gegeben hat UND die ihrer Agenda komplett konträr gegenübersteht?



    Das ist doch völlig logisch und kein Skandal. Die Union macht eben Union Sachen. So erwartbar, so banal.



    Was mich viel mehr bewegt ist, dass die Studie letzten Sommer fertig wurde und spätestens im Herbst alle Ergebnisse komplett ausgewertet vorlagen. Wieso verdammt hat die Ampel die Ergebnisse nicht veröffentlicht???



    Spätestens als SPD und Grüne allein in der Koalition waren, gab es keinen nachvollziehbaren Grund mehr, die Veröffentlichung zu verzögern.



    Selbst Frau Faeser hat noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit die Veröffentlichung des Gutachtens zur Einstufung der AfD hinbekommen (wenn auch katastrophal schlecht).



    Mir will es einfach nicht in den Kopf, warum rot-grün die Veröffentlichung zurückgehalten hat. Darauf wäre eine Antwort, wie bei so vielen anderen verpassten Chancen der Ampel, wirklich interessant.

    • @Saskia Brehn:

      Die Studie wurde vom Gesundheitsministerium beauftragt. Das Forschungsprojekt begann im November 2020, nachzulesen in den veröffentlichten Unterlagen.



      Gesundheitsminister war zu dem Zeitpunkt (tata!) Jens Spahn in der damaligen großen Koalition. Also nix Ampel.



      Ich kann mich noch gut erinnern, dass er sich sehr gesträubt hat, diese Studie zu beauftragen. Das Ministerium hat ohne Ende versucht, das Studiendesign zu verbiegen, um zu verhindern, dass das herauskommt, was jetzt herausgekommen ist und was auch erwartbar war.



      Ich erinnere mich noch gut an Äußerungen wie: "Es muss auch deutlich herausgearbeitet werden, welche Folgen es hat, wenn Frauen einen vorgenommenen Abbruch bereuen."



      Das aus dem Munde eines Menschen, der zu seinem Glück niemals in die Situation kommen kann, ungewollt schwanger zu werden.



      Insofern beruhigend, dass diese Intention, mit der Studie Ergebnisse zu erzielen, die dem misogynen Geist dieser ewiggestrigen Partei entspricht, am Ende nicht gelungen ist.



      Wenn die Ampel kurz vor Schluss die Studie veröffentlicht hätte, hätte die CDU die natürlich völlig zerpflückt - jenseits jeder Wissenschaftlichkeit.



      Die Union macht eben Union-Sachen keine Sachpolitik.

    • @Saskia Brehn:

      Evtl. hat die CxU die SPD gebeten, die im Dezember 2024 fertige Studie ned im vorgezogenem Wahlkampf wegen der Arbeitsverweigerung einer nimmer im BT vertretenen Partei zu platzieren.

    • @Saskia Brehn:

      „Der Abschlussbericht wird zum 31.10.2024 beim Bundesministerium für Gesundheit eingereicht. Nach Prüfung durch das BMG wird er öffentlich zugänglich sein.“



      Ihr Kommentar wird der Realität politischer sowie ministerieller bzw. behördlicher Abläufe nicht gerecht. Eine neutrale Prüfung und Bewertung durch das BMG dürfte im Normalbetrieb mehrere Monate dauern. Sie übergehen zudem, dass die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 stattfand und das BMG den Jahreswechsel einschließlich der regulären Winterpause zu durchlaufen hatte.



      Ebenso ist es realistisch, dass konservatives Personal im Prüfprozess eingebunden war, welches eine Veröffentlichung erst unter der Nachfolgeregierung bevorzugt hätte. Zumal die CDU eine frühzeitige Veröffentlichung durch die Ampel im Wahlkampf voraussichtlich als ideologische Spätaktion oder linke Instrumentalisierung ausgelegt hätte. Die SPD hat in diesem Kontext mehr institutionelle Integrität bewiesen, indem sie den regulären behördlichen Ablauf unverändert hat fortführen lassen.



      Interessant erscheint mir daher eher, warum Sie in populistischer Manier einen Kommentar verfassen, der die Verantwortung für das aktuelle Fehlverhalten der CDU quasi verschleiert.

      • @serious?:

        Vielen Dank für Ihre kurze Beleuchtung was den Ablauf politischer sowie ministerieller bzw. behördlicher Abläufe betrifft.



        Das war mir als Laie so nicht bewusst. Für mich ist ein Abschlussbericht ein Abschlussbericht, heißt fertig zur Veröffentlichung.



        Ich wollte in keinster Weise populistisch sein - mir diente, wie gesagt, Frau Faeser als direktes Gegenbeispiel. Die veröffentlichte das Gutachten zur Einstufung der AfD sogar erst nach der Wahl und kurz vor Amtsübergabe.



        Heißt für mich: es geht ja anscheinend, wenn man nur will.



        Diesen Weg hätte man im Bundesgesundheitsministerium doch auch gehen können, ja gehen müssen, oder?

      • @serious?:

        So gut und richtig ich Ihren Kommentar sonst finde - aber was genau ist denn nun bitte "populistisch" an Saskia Brehns Verwunderung?

        Ich bin ein großer Fan der wilden These, dass Worte spezifische Bedeutungen haben und nicht je nach Laune verwendet werden, insbesondere wenn es um politische Schlagworte/Vorwürfe geht.

      • @serious?:

        Bei den konservativen haben Sie keine Probleme Vermutungen rauszuhauen.

        Bei der SPD was das aber Institutuenelle Integrität.

        Für mich ein Problem in der letzten Regierung, dass die Linken Medien so zurückhaltend waren und die Regierung nahezu aus der Verantwortung genommen haben.

        Was war für ein Aufschrei wegen dem Gewaltschutzgesetzt für Frauen und wenn die CDU nicht zustimmt.. Blabla.

        Aber warum man nicht mal gefragt hat, warum SPD und Grüne, dass Thema die ersten 3 Jahre egal war erschließt sich mir nicht.

    • @Saskia Brehn:

      Es ist keine Studie einer Partei sondern eine des Ministeriums, daher sollte die Veröffentlichung auf die gleiche Weise geschehen, wie bei anderen Studien auch. Dass das der Union als Sprachrohr des Vatikans missfällt, darf dabei keine Rolle spielen.

  • Die Union ist ein ungeheuer verlogenenr Haufen.



    Viel besser ist es zwar bei den anderen Parteien auch nicht aber immerhin .



    Das Vertrauen in die Politk ist weg. Die Wut wächst. Und trotzdem leistet sich die Union so ein Rumgeeiere.

    • @Bolzkopf:

      Bei soviel Christlichkeit ist das doch kein Problem. Die nächste Beichte am kommenden Sonntag wird das schon richten. Nächste Woche geht es dann wieder weiter, frohen Herzens immer nur in der eigenen Sache der Bereicherung und Selbstdarstellung. Früher hiess es "Wer nix wird, wird Wirt" heute, "Wer nix kann, reiht sich ein bei CxU, für die dauerhafte Pensionsversorgung auf Steuerlast der nächsten Generation".



      Schon allein der regelmäßigen Beichttermine wegen, muss die CxU im Sinne der Kirche und der ultra Rechten lebensfeindlichen Bürgerschaft, Gedanken und Gesetzesänderungen blockieren. Andernfalls leidet das Gewissen ganz fürchterlich und der Eingang zum Fegefeuer wird geöffnet.

    • @Bolzkopf:

      Der Bericht wurde veröffentlicht, ob daraus ne große Nummer wird, ist erst einmal Sache der Medien, nicht der CDU.

  • Jetzt ist der Bericht also veröffentlicht.



    Wird das etwas an der Gesetzgebung ändern?



    Wenn ich mir das Verhalten der CDU in Punkte Verfassungsrichterwahl ansehe, bin ich da sehr skeptisch.



    Solange die CDU an der Macht ist, wird sich in Punkto Abtreibungsgesetzgebung gar nichts ändern.

    • @Dirk Osygus:

      Die Ampel hat ja auch nichts zustande gebracht - Zeit wäre genug gewesen. Danke Lindner.