Streit um Agrar-Subventionen: Undurchdachte Entscheidungen
Das Entgegenkommen der Ampel gegenüber den Bauern ist für sich genommen nicht falsch. Doch offenbaren sich altbekannte Probleme der Bundesregierung.
D ie Bauern protestieren trotz allem weiter. Zumindest ihre Galgen und Mistgabeln könnten sie jetzt aber gerne wieder einpacken: Von der KfZ-Steuer bleiben die Landwirte doch befreit und auf Diesel müssen sie erst in zwei Jahren so viel Steuern zahlen wie alle anderen auch. Die Ampel-Koalition rückte mit diesem Zugeständnis am Donnerstag massiv von ihren ursprünglichen Sparbeschlüssen aus dem Dezember ab – und das für sich genommen zurecht.
Denn auch wenn der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz noch lange nicht ausreicht, auch wenn die Proteste der letzten Wochen antidemokratische Züge hatten und mit dem Angriff auf Robert Habeck am Donnerstagabend einen Tiefpunkt erreicht haben: Einer Branche mit 14 Tagen Vorlauf Mehrkosten in Höhe einer knappen Milliarde Euro aufzudrücken, war der falsche Weg. Der Schwenk hin zu einem sanften Übergang war geboten.
Zwei Defizite der Ampel offenbart er trotzdem. Erstens hätte es keiner genialen Analysen bedurft, um das Problem rechtzeitig zu erkennen. Erst in einer Drucksituation eine undurchdachte Entscheidung zu treffen und sie kurz darauf unter dem Eindruck massiver Proteste zurückzunehmen, kann zwar jeder Regierung mal passieren. Im Einzelfall lässt sich das sogar als Ausdruck von Kritik- und Lernfähigkeit verkaufen. Bei der Ampel lässt sich dieses Muster mittlerweile aber zu regelmäßig erkennen; zum Beispiel bei der Corona-Impfpflicht (kam nicht) und bei der Gasumlage (wurde in ihr Gegenteil verwandelt, nämlich in die Gaspreisbremse). Auf Dauer kostet so was Vertrauen.
Zweitens und für die langfristigen Perspektiven des Planeten gravierender: Bei der Vorstellung ihres Sparpakets im Dezember lobte sich die Ampel-Spitze noch dafür, endlich eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen – klimaschädliche Subventionen abzubauen. Von vier damals angekündigten Maßnahmen ist jetzt aber eine komplett gestrichen (die KfZ-Steuer für Landwirte), eine abgedämpft (der Agrardiesel) und eine auf 2025 verschoben: Die Plastikabgabe an die EU, auch das gab die Ampel am Donnerstag bekannt, wird noch ein weiteres Jahr vom Staat statt von den Verursacher-Firmen bezahlt. Kosten: 1,5 Milliarden Euro.
Jetzt müssen der Fischer und der Hering leiden
Auch das wäre für sich genommen tragbar, wenn die Ampel zur Gegenfinanzierung andere Subventionen antasten würde, die dem Klima schaden. Es gibt noch reichlich davon. Allein der allgemeine Steuerrabatt auf Diesel kostet pro Jahr über 8 Milliarden Euro. Wenige Cent mehr pro Liter an der Tankstelle hätten gereicht, um die Zugeständnisse an die Bauern zu finanzieren.
Stattdessen aber will die Bundesregierung zum Ausgleich beispielsweise an das Geld gehen, das ihr Energiekonzerne für Windkraftflächen in Nord- und Ostsee zahlen. Bisher war der entsprechende Topf unter anderem für den Meeresschutz und die Förderung umweltschonender Fischerei reserviert. Blöd für den Hering, dass er weder Trillerpfeife noch Traktor hat.
Und schlecht fürs Klima, dass die Chance auf einen großen Wurf bei den Subventionen für diese Legislaturperiode vertan ist. Für die FDP ist die Passage aus dem Koalitionsvertrag nun abgehakt. Der SPD ist das Thema bestenfalls egal. Und die Grünen konnten sich in den Debatten der vergangenen Wochen leider nicht entscheiden, ob ihnen der Klimaschutz oder die Herzen der Bauern wichtiger sind. Bekommen haben sie jetzt weder das eine noch das andere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind