piwik no script img

Straße wird umbenanntBerlin streicht endlich das M-Wort

Nach über 30 Jahren Protest wird in Berlin die Anton-Wilhelm-Amo-Straße eingeweiht. Ein Sieg für die, die gegen kolonialrassistische Denkmäler kämpfen.

Was lange währt, wird endlich umbenannt: das Strassenschild vor der Umbenennung der „M“-Straße in Berlin Foto: Sebastian Gollnow/dpa

W as lange währt, wird endlich umbenannt. Am 23. August 2025 wird die Anton-Wilhelm-Amo-Straße eingeweiht. Seit über dreißig Jahren streiten Ber­li­ne­r*in­nen für diese Umbenennung dieser Straße in Mitte, die von den meisten entweder „Möhrenstraße“ oder schlicht „M-Straße“ genannt wird.

Die Umbenennung ist eine große Erleichterung und ein Erfolg, der gefeiert werden muss. Es ist aber auch ein Abschied. Viele Menschen hat das Streiten für die Umbenennung über die Jahre zusammengebracht. Inzwischen hat das auch Generationen verbunden. Aktionen, Kunstwerke und wissenschaftliche Arbeiten sind entstanden. Der Protest gegen kolonialrassistische Straßennamen hat sich in die Kultur der Stadt eingeschrieben.

Im Falle der zukünftigen Amo-Straße reicht dieser Protest mindestens bis in die 90er Jahre zurück. Legendär und häufig zitiert ist das Video der afrodeutschen Lyrikerin May Ayim, die Anfang der 90er vor dem Schild zum gleichnamigen U-Bahnhof einen weißen Schaumkuss verspeist.

Der Straßenname wurde in Theaterstücken und Ausstellungen thematisiert. Es entstanden dekoloniale Stadtführungen, Audiowalks, ein Picknick im ­U-Bahnhof und Fotoserien mit alternativen Straßennamen. Das ethnologische Institut der Humboldt-Universität lud gemeinsam mit der Nachbarschaftsinitative Anton-Wilhelm-Amo-Straße zum dekolonialen Flanieren ein.

Während der Black-Lives-Matter-Proteste gingen große Demonstrationen, hauptsächlich von jungen Erwachsenen und Schü­le­r*in­nen gestaltet, bewusst durch diese Straße und überklebten symbolisch ihren Namen.

Schluss mit Möhrchen

Seit 2013 lädt das Bündnis Decolonize Berlin jährlich am 23. August, dem internationalen Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und dessen Abschaffung, zum Umbenennungsfest. Dieses Jahr findet die Umbenennung wirklich statt. Ö-Striche über das O zu malen war ein beliebter Mikroaktivismus von Passant*innen. Jetzt ist Schluss mit Möhrchen.

Der Name auf einem Straßenschild zeigt uns, wer wir sind oder welche Gesellschaft wir sein wollen

Das Bewusstsein dafür, dass man rassistische Straßennamen auch ändern kann, ist in den vergangenen dreißig Jahren gestiegen. Besonders Schwarze Wissenschaftler*innen, Organisationen wie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, aber auch Künst­le­r*in­nen haben dazu beigetragen, das Problembewusstsein zu schärfen und Alternativen aufzuzeigen.

Straßenschilder sind eben nicht nur Orientierungspunkte in der Stadt. Der Name auf einem Straßenschild zeigt uns nicht nur, wo wir gerade stehen, sondern auch, wer wir sind oder welche Gesellschaft wir sein wollen. Wen wir ehren.

Anton Wilhelm Amo, um 1703 geboren, war der erste bekannte Philosoph afrikanischer Herkunft in Deutschland. Die Namensgebung kommt der Forderung nach, Straßen nicht einfach umzubenennen, sondern den Kontext beizubehalten und die Perspektive zu wechseln. Geschichte soll eben nicht unsichtbar gemacht werden, sondern sichtbar. Deshalb sollen zusätzlich eine Gedenktafel und eine Infosäule installiert werden.

Veranstaltungen rund um die Amo-Straße und Aufklärung zu kolonialen Spuren im öffentlichen Raum wird es weiter geben. Ab jetzt gibt es aber auch eine Protestgeschichte zu erzählen. Und das ist eine Erfolgsgeschichte. Wer bisher Striche über das O gemalt hat, kann zukünftig ein paar Herzchen für Amo dalassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Lurchator ist vollkommen zuzustimmen. Ich habe auch noch nie erlebt, dass jemand mit "Du Mohr" beschimpft worden ist. Da gab es immer diverse N-Wörter. Außerdem empfehle ich einen Blick nach Coburg, wo neben der Mohrengasse, der Mohrenstraße, dem Mohrenhaus, der Mohrenapotheke ein Mohr bzw. schwarzer Mensch das Stadtwappen ziert. Die einzigen, die das ändern wollten und taten, waren die Nazis in den Dreißigern, was nach der Befreiung sofort wieder rückgängig gemacht wurde. Es gibt genügend tatsächlichen Rassismus, der bekämpft werden muss. Da ist ein solcher geschichtsvergessener Aktivismus kontraproduktiv, da er spaltet und viele eigentlich Verbündete kopfschüttelnd zurücklässt.

  • Naja, die Eiferer können ja dann auch die Werke der Weltliteratur endlich nach ihrem Gusto umschreiben. Das M-Wort hat seine Schuldigkeit getan. Mal sehen, wann verlangt wird die Grabsteininschrift von Ernst N-Wort zu ändern.

  • Am Wort Mohr ist und war nie etwas verkehrt. Wie der Leu für den Löwen ist das historisch.

    Vereinzelt gab es Kritik, wenn Apotheken den Mohren durch einen karikatierten Schwarzen darstellten, auch dort ohne jede negative Intention.

    Man muss sich überlegen, wie lange man dem Trolling noch in der Politik noch Raum geben will. Straßen benennt man jedenfalls nicht nach jemanden oder etwas, das man abwerten will.

  • Als "Mohren" wurden im Mittelalter unter anderem Heilige und Könige bezeichnet. Zur Kolonialzeit war das Wort bereits veraltet.