Stellenstreichungen bei der Bahn: Planlos in der Krise
Die Ankündigung, 30.000 Stellen bei der Bahn zu streichen, ist reine Stimmungsmache. Die Erfahrung lehrt, dass sich übereilter Stellenabbau rächt.
I n Nordrhein-Westfalen werden ab Herbst Quereinsteiger:innen ausgebildet, die in Teilzeit als Lokführer:innen arbeiten. Gedacht ist das Angebot für Leute, die neben der Familienarbeit ein paar Stunden am Tag einen Zug fahren wollen. Die Personalnot ist groß, clevere Ideen sind gefragt, um sie zu lindern. Im Gegensatz dazu steht die Ankündigung von Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz, in den kommenden fünf Jahren bis zu 30.000 Stellen abzubauen.
Offenbar wollte er damit gute Stimmung machen angesichts der tiefroten Zahlen und verheerenden Verspätungs- und Zugausfallzahlen des von ihm geführten Konzerns. So machen es auch immer wieder Chefs von börsennotierten Unternehmen. Sie hoffen, dass die Ankündigung von Stellenstreichungen die Kurse nach oben treibt. Lutz ist offenbar in dieser Welt gefangen – und demonstriert damit wieder einmal, dass er der Falsche für den Job des Bahnchefs ist.
Wegfallen sollen die Stellen vor allem in der Verwaltung. Der Bahnkonzern ist in hunderte Tochterfirmen verschachtelt, die Bürokratie verschlingt viel Geld. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Arbeit an den Schreibtischen viel effektiver organisiert werden kann und etliche Führungskräfte ihre Boni nicht verdienen. Die Deutsche Bahn braucht nicht nur eine Generalüberholung ihres Schienennetzes, sondern auch ihrer Verwaltung.
Aber: Dabei ausgerechnet mit Stellenstreichungen anzufangen, zeigt die Planlosigkeit des Bahnvorstands. Umbau von Stellen ist die richtige Antwort auf die Misere, nicht Abbau. Denn die Bahn muss angesichts der Klimakrise und der nötigen Verkehrswende in Zukunft mehr und nicht weniger leisten.
Die Deutsche Bahn hat schon öfter auf rote Zahlen mit Jobabbau reagiert, gerade bei Lokführer:innen und Zugbegleiter:innen. Das rächt sich jetzt, weil es viel zu wenig von ihnen gibt. Und neue zu gewinnen ist nicht nur wegen der belastenden Arbeitsbedingungen mit Abend-, Wochenend- und Feiertagsschichten schwierig. Wer steigt schon gerne in einen Konzern ein, dessen Management Krisen durch Jobabbau bewältigen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück