piwik no script img
taz logo

Sanierungsplan der Deutschen BahnUmstrittene Schienen-Strategie

Weniger Personal, aber mehr pünktliche Züge – so will der Vorstand die Bahn fit machen. Jetzt fordert der Aufsichtsrat konkretere Pläne.

Hier wird schon saniert: auf einer Teilstrecke der Riedbahn, die von Mannheim nach Frankfurt führt Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | In der Debatte über ein Sanierungskonzept der Deutschen Bahn AG (DB) fordert der Aufsichtsrat des Unternehmens einen konkreteren Plan. Der Bahnvorstand will den gesamten Konzern innerhalb von drei Jahren zurück in die schwarzen Zahlen bringen und pünktlicher werden.

„Die Sanierung von Infrastruktur und Betrieb sowie die wirtschaftliche Erholung des Unternehmens sind klar formulierte Ziele, um den Konzern wieder auf Kurs zu bringen“, sagte Werner Gatzer, der Vorsitzende des Aufsichtsrates. Bis zur nächsten Ratssitzung im Dezember müsse der Vorstand jedoch eine „Konkretisierung des Gesamtprogramms“ vorlegen, vor allem im Bezug auf die Budget- und Zeitplanung.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte vor zwei Wochen öffentlich gemacht, dass die DB ein Sanierungskonzept ausarbeiten muss. Dieses Konzept legte der Bahnvorstand nun am Mittwoch dem Aufsichtsrat vor. „S3“ heißt es, denn es soll den Konzern in drei Jahren auf zentralen Feldern fit machen: im Betrieb, in der Infrastruktur und der Wirtschaftlichkeit.

Laut der Süddeutschen Zeitung steht auf den insgesamt 110 Seiten unter anderem, dass die Deutsche Bahn 2027 bei 2 Milliarden Euro Gewinn landen soll. 75 bis 80 Prozent der Züge sollen dann pünktlich kommen (im Juni 2024 waren es 62 Prozent). Um Personalkosten zu sparen, wolle Bahnchef Richard Lutz bis 2027 10.000 bis 15.000 Vollzeitstellen streichen, mehr als 15.000 weitere Stellen sollen bis 2030 wegfallen. Und: Lutz plane, weniger ICEs in Reserve zu halten, um auch hier Kosten zu sparen.

Sanierungskonzept „S3“ stößt auf Kritik

Kritiker warnen, dass das Sanierungskonzept so nicht aufgehen könne. „Dass Verkehrsminister Volker Wissing sich hinter die Pläne des Bahnmanagements zur Kürzung von 30.000 Stellen stellt, ist ein verheerendes Signal an die Beschäftigten der Bahn, die den Laden noch irgendwie am Laufen halten“, sagte Bernd Riexinger, der verkehrspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, der taz. Mit weniger Personal eine bessere Bahn zu erreichen, werde nicht funktionieren.

Massiver Stellenabbau sei ein verheerendes Signal, sagt Linken-Politiker Bernd Riexinger

Der ökologische Verkehrsclub VCD machte deutlich, dass jeder Sanierungsplan zum Scheitern verurteilt sei, wenn die Bundesregierung nicht mehr Geld in die Schiene steckt. „Der Bund muss das Sanierungsprogramm finanzieren, sonst sind die schon lange aufgestellten Ziele nicht erreichbar“, sagte der VCD-Bundesvorsitzende Matthias Kurzeck. Sein Vorschlag: eine dauerhafte zuverlässige Finanzierung in Form eines mehrjährigen Fonds für die Bahninfrastruktur. An Reservezügen zu sparen hält der VCD-Vorsitzende Kurzeck für falsch: „Das würde die Pünktlichkeit nicht steigern, sondern im Gegenteil zu mehr Verspätungen und Zugausfällen führen.“

Viele der Punkte, die die SZ aus dem Sanierungskonzept zitiert, sind schon aus dem fünf Jahre alten Vorgänger von „S3“, der Strategie „Starke Schiene“ bekannt. Die darin gesetzten Ziele verfehlte die Bahn dieses Jahr krachend. Bundesverkehrsminister Wissing zeigte sich am Mittwoch trotzdem optimistisch, dass es diesmal, mit dem neuen Konzept, klappt. Im ZDF-„Morgenmagazin“ sagte er, der DB stehe für die nächsten Jahre genug Geld zur Verfügung. „Die Bahn hat jeden Cent, den sie braucht, um die Dinge zu verbessern.“ Weitere finanzielle Unterstützung stehe erst nach 2027 wieder zur Debatte.

49-, 59- oder 64-Euro-Ticket

Unsicherheit herrschte am Mittwoch noch bei einem weiteren Thema unter Wissings Ägide. Wie viel das Deutschlandticket ab Januar 2025 kostet und ob es überhaupt teurer werden muss, steht immer noch nicht fest. Das bayerische Verkehrsministerium stellte vor Kurzem 64 Euro in den Raum, der Fahrgastverband Pro Bahn hält mittelfristig 59 Euro für wahrscheinlich. Jetzt haben sich Verbände erneut dafür ausgesprochen, dass der Preis des Nahverkehrsabos stabil bei 49 Euro im Monat bleibt.

„Ein attraktiver ÖPNV – und dazu zählt auch das Flatrate-49-Euro-Ticket – ist Bestandteil der Daseinsvorsorge“, teilte die Initiative Bürgerbahn mit. Diese Vorsorge müsse aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden, weder der Bund noch die Länder dürften sich aus der Verantwortung stehlen. „Das Deutschlandticket preislich unattraktiv zu machen, bedeutet nichts anderes, als ein super erfolgreiches Produkt wie das Ticket langsam auf das Abstellgleis zu schieben“, sagte Heiner Monheim, der Sprecher der Initiative.

Die Bundesregierung und die Ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen der Länder hatten sich im Frühjahr nach langem Ringen darauf geeinigt, den Preis von 49 Euro bis Ende 2024 zu sichern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Es wird immer nur gefordert, mehr Geld in das System Bahn zu stecken. Aber keiner will mehr einzahlen. Die Staatskasse ist kein Bankomat, der im Himmel befüllt und auf Erden beliebig entnommen werden kann. Völlig enthemmte Anspruchshaltung und Umsonst- Mentalität.



    Das Deutschlandticket sehe ich eher bei 80€. Wenn Ihr als Bahnfahrer nicht mehr für die Fahrkarte zahlen wollt, warum sollen andere Sparten der Wirtschaft von ihrem Steuergeld so viel mehr bezahlen?

  • taz: *Laut der Süddeutschen Zeitung steht auf den insgesamt 110 Seiten unter anderem, dass die Deutsche Bahn 2027 bei 2 Milliarden Euro Gewinn landen soll.*

    Wird dieser Gewinn dann für neue Strecken, neue Züge und mehr Lokführer verwendet oder erhöhen sich die Bahnmanager davon wieder einmal ihr Jahresgehalt? Zwei Millionen Euro Jahresgehalt plus Boni bekommt ein DB-Manager, aber das einzige was diesen Leuten einfällt, ist Vollzeitstellen zu streichen und weniger Züge in Reserve zu halten. Und für so eine "intelligente Idee" bekommt der Bahnchef Richard Lutz also ein horrendes Jahresgehalt; ein Gehalt wofür ein Lokführer jahrzehntelang auf seiner Lok echte Verantwortung übernehmen muss. Bei der Deutschen Bahn stimmt schon lange etwas nicht mehr, aber das kann man nicht den kleinen Bahnangestellten anlasten, sondern das wahre Problem heißt 'überbezahlte unfähige Bahnmanager'.

    Und dass FDP-Verkehrsminister Volker Wissing sich hinter die Pläne des Bahnmanagements zur Kürzung von 30.000 Stellen stellt, ist wieder mal typisch für diese Partei. Die Bahn weiterhin "kaputtsparen", damit die Verkehrswende nie kommt, und inkompetenten DB-Managern viel Geld 'vorne und hinten' reinstecken.

  • Vielleicht sollte man auch noch Strecken stilllegen, dann sind auch weniger Züge unpünktlich.

  • "Kritiker warnen, dass das Sanierungskonzept so nicht aufgehen könne"

    Dann wollen die Kritiker, dass noch mehr Menschen entlassen werden?

    • @Rudolf Fissner:

      Den Kritiker ist klar, dass die Entlassenen fehlen werden.

  • Man sieht, dass Herr Lutz vielleicht etwas von Finanzen versteht, aber vom alltäglichen Bahnbetrieb KEINE Ahnung hat. Er spricht von kürzeren Wendezeiten, was die Verspätungen erhöht statt abbaut. Und weniger Züge in Reserve heißt nur, mehr verstopfte Klos, kaputte Klimaanlagen u.ä. Sorry, aber Bahn geht anders!

  • "Um Personalkosten zu sparen, wolle Bahnchef Richard Lutz bis 2027 10.000 bis 15.000 Vollzeitstellen streichen, mehr als 15.000 weitere Stellen sollen bis 2030 wegfallen. Und: Lutz plane, weniger ICEs in Reserve zu halten, um auch hier Kosten zu sparen."

    Ein Unternehmen, dass unter Personalmangel und fehlenden Zügen leidet, will zur Sanierung Personal abbauen und weniger Züge vorhalten. Das ist schon nicht mehr nur dumm. So etwas grenzt an bewusste Sabotage.

    Gibt es rechtliche Möglichkeiten, dass die Generalbundesanwalt tätig wird?

  • Ich schlage vor, dass taz in drei Jahren, also am 18.09.2027 überprüft, ob die Bahn dann ihre drei Ziele auch nur annähernd erreicht hat.



    Ich tippe auf nein, denn wieder läuft alles nach Schema F:



    Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. Wetten?

  • Eigentlich geht es doch darum, die Bahn am Ende zu privatisieren und ihr damit den Todesstoß zu versetzen.

    Alle Beteiligten wissen, dass sich die Bahn nicht profitabel betreiben lässt. Es handelt sich um grundlegende Infrastruktur zur Aufrechterhaltung des Industriestandorts Deutschland. Deutschland muss sich die Bahn leisten, sonst wird es noch schneller bergab gehen.

    Aber die FDP möchte Deutschland komplett umkrempeln. Weg von Arbeitnehmerrechten, weg von staatlich garantierter Infrastruktur. Die FDP will den absolut freien Markt, wer zu wenig verdient soll einfach mehr arbeiten. Zur Not auch 20h am Tag. Hauptsache die Dividenden stimmen.

  • "Lutz plane, weniger ICEs in Reserve zu halten, um auch hier Kosten zu sparen."



    ist nicht gerade diese Just In Time Konzept der Grund für die aktuelle Misere? Fällt ein Baustein aus, folgt eine Kette von weiteren Ausfällen, weil alles auf Optimum hin geplant ist...



    weniger haben und damit mehr erreichen... ein BWLerischer Wunschtraum...

  • Die Kritik an der Stellenstreichung kann ich nicht nachvollziehen. Das Problem ist doch anscheinend eher, daß die Bahn bzw. auch die Städte kein Personal für den Öffentlichen Verkehr finden. Auf mich wirkt es daher eher so, als würde man nun endlich anerkennen, daß man das benötigte Personal auf absehbare Zeit nicht bekommen wird und stattdessen auf technische Unterstützung setzt. Für mich ein nachvollziehbarer Schritt in Richtung Verkehrswende. Wer mal live sehen möchte wie sich die Zukunft anfühlen kann, der sollte mal nach Lille fahren. Es ist verblüffender und viel angenehmer als man es sich vorstellt :)

    • @Nobodys Hero:

      Stellenstreichung bedeutet, dass vorhandenes Personal abgebaut wird.

      Und vieles lässt sich eben nicht durch Technik ersetzen. Da bestehen viele Illusionen.

    • @Nobodys Hero:

      Indem man Stellen streicht, die man sowieso nicht besetzen kann, spart man aber doch kein Geld!

      • @ChrisGr:

        Es kann auch um nicht erfolgende Nachbesetzung von Mitarbeitern gehen, die in Rente gehen. Bis 2030 sind das einige.

    • @Nobodys Hero:

      Die SNCF hat seit 1955 deutlich mehr Erfahrung mit Höchstgeschwindigkeit. Dennoch ist ihr 2015 ein TGV bei einer Hochlastfahrt entgleist. Das war zeitgleich mit den damaligen Terroranschlägen in Paris und ist deswegen nicht ins öffentliche Bewußstsein gelangt. Zur Ursache kann/sollte man sich seine eigene Meinung bilden. de.wikipedia.org/w...ll_von_Eckwersheim



      Vielleicht findet man Unterschiede zum, vielleicht Gemeinsamkeiten mit dem Vorgehen der DB jetzt. Die DB hat einen der katatrophalsten Unfälle der jüngeren Eisenbahngeschichte, man darf nicht sagen, verursacht. Denn das Gericht hat keinen Verantwortlichen gefunden. Ich wollte sagen : SNCF und DB kann man vergleichen, aber nicht gleichsetzen. Denn dazu müsste man sich die Unterschiede der Kultur dieser Unternehmen "wegdenken".

  • Das hatten wir schon mal, scheint aber vergessen weil es vor 1998 war. Wartungsintervalle, Investitionsentscheidungen, mit denen man keine landwirtschaftliche Zugmaschine betreibt.



    Ein Rad- Schiene - Hochgeschwindigkeitszug mit 300km/h ist etwas grundsätzlich und ausnahmslos lebensgefährliches.



    Wie der Gleiskörper nach einer der ersten Rekordfahrten 1955 aussah kann man bei d-nb.info/975163000/34 Seite 4 besichtigen. "Na ja, das ist lange her" war mutmaßlich auch vor 1998 die Einschätzung. Was soll man dazu sagen ? Die zugrunde liegenden Kreiselgleichungen sind von 1758, der Wöhlerversuch ist von 1875, die Hertz´schen Gleichungen von 1881, die Nadal Gleichung von 1908...



    Mit Weniger Mehr zu erzeugen braucht Genialität, also z.B. jemand der z.B. etwas durchschlagend Neues erfindet/einführt. Daran hoffe und denke ich bei der DB überhaupt nicht. Ganz bestimmt nicht !

  • taz: „Das Deutschlandticket preislich unattraktiv zu machen, bedeutet nichts anderes, als ein super erfolgreiches Produkt wie das Ticket langsam auf das Abstellgleis zu schieben“, sagte Heiner Monheim, der Sprecher der Initiative.

    Aber darum geht es wohl letztendlich auch, denn Deutschland ist ein 'Auto'-Land, wo die Autoindustrie das Sagen hat und der jetzige FDP-Finanzminister ein großer Porsche-Fan ist.

    Ohne ein Klimaticket (so müsste das 49-Euro-Bahn/Bus-Ticket nämlich wirklich heißen) wird es jedenfalls nichts mit der Mobilitätswende werden, aber das ist vielleicht auch so gewollt, wenn man sich die Verkehrspolitik mal genau anschaut. Wenn Deutschland es sich erlauben kann, dass jährlich Steuern im Umfang von 125 Milliarden Euro von Wirtschaftskriminellen hinterzogen werden können (wie aus einer Untersuchung der University of London im Auftrag der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im EU-Parlament hervorgeht), dann sollte doch wohl auch noch etwas Geld für ein günstiges Klimaticket (Deutschlandticket) in diesem Land übrig sein – oder?

  • Wiedereinführung des Eisenbahnministeriums mit Eisenbahn-Fachleuten.



    Mit CSU, BMW und FDP: der Weg in der Selbstverschrottung der Bundesbahn.