Stellenkürzungen bei VW: Falsches Signal
VW entlässt Mitarbeitende. Dabei hatte der Konzern eine Arbeitsplatzgarantie bis 2029 zugesagt. Die ist nun aufgekündigt. Das schadet allen Branchen.
A ls 2008 die Finanzkrise die deutsche Wirtschaft ins Taumeln brachte, trafen sich zahlreiche Unternehmenschefs mit Kanzlerin Merkel. Nach dem Treffen verkündeten sie großspurig: Alles furchtbar, aber wir kündigen niemandem, versprochen. Das war ein astreiner PR-Coup, denn viele der Konzernchefs konnten ihren Beschäftigten gar nicht kündigen – in ihren Unternehmen galten Beschäftigungssicherungsverträge mit einer jahrelangen Laufzeit. Für die Beschäftigten aller Branchen war das in der Krise zentral: Was auch immer passiert, unsere Jobs sind sicher.
Nun will VW, eines der Flaggschiffe der IG Metall und der Republik, die Beschäftigungssicherung des Konzerns aufkündigen. Eigentlich hat der Vertrag noch eine Laufzeit bis 2029. Kann sein, dass das vor allem ein taktischer Zug ist, mit dem VW hoch pokert, um am Ende der Verhandlungen doch dabei zu bleiben. Aber selbst dann ist diese Ankündigung ein Fehler. Denn in den tarifgebundenen Betrieben sind solche Sondervereinbarungen das wichtigste Instrument für die Sozialpartner: Egal ob Digitalisierung, Betriebsumbau, Sparkurs – über die Beschäftigungssicherung können die Gewerkschaften Zumutungen aushandeln, zu denen die Beschäftigten sonst nie bereit gewesen wären. Das könnte jetzt Vergangenheit sein.
Solche Tarifverträge in unterschiedlichen Branchen wurden zwar immer mal wieder vorzeitig gekündigt. Aber VW ist nicht irgendein Betrieb. Mit seiner Ankündigung signalisiert der Konzern weit über seine Branche hinaus: Es gibt keine Jobsicherheit mehr. Was auch immer Gewerkschaften in massiven Krisen für Beschäftigte in der ohnehin schrumpfenden Zahl von Betrieben mit Tarifvertrag aushandeln, ist nichts mehr wert, es kann morgen in der Tonne liegen – egal welche Branche, wie wichtig, wie stark auch immer.
Das Argument wird immer sein: Wieso, das macht VW doch auch! Das ist keine gute Idee in einer Zeit, in der die Verunsicherung ohnehin riesig ist. VW hat mit diesem Vorstoß nicht nur der Automobilsparte geschadet, sondern der Sozialpartnerschaft in Deutschland – einem Grundpfeiler der Wirtschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels